Kreuztal. Die Beratungsstelle für Mädchen in Not in Kreuztal legt ihren Jahresbericht vor. Die Dunkelziffer beim Missbrauch sei „wahrscheinlich sehr hoch“.

Seit gut einem Jahr ist die Beratungsstelle für Mädchen in Not, die 2020 ihr 30-jähriges Bestehen feiert, in der Trägerschaft des Vereins für soziale Arbeit und Kultur Südwestfalen (VAKS). Am Freitag legte sie den Jahresbericht für 2018 vor.

Die Zahlen

98 Ratsuchende, davon allein 34 aus der Stadt Siegen und 16 aus Kreuztal, wurden im vorigen Jahr von den beiden Sozialpädagoginnen Melissa Thor und Duygu Götzler unterstützt, fast genau so viele wie im Vorjahr. Dahinter stehen 689 persönliche, telefonische und elektronische Kontakte mit 93 Mädchen und fünf Jungen – bis zu einem halben Jahr dauert ein Beratungsfall. Für VAKS-Geschäftsführer Michael Groß steht die Zahl in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Bedarf: „Wir reden mit hoher Wahrscheinlichkeit von einer sehr großen Dunkelziffer.“

Trostspender: Der Teddy wartet im neu eingerichteten Spielzimmer.
Trostspender: Der Teddy wartet im neu eingerichteten Spielzimmer. © WP | Steffen Schwab

58 Klientinnen nannten sexualisierte Gewalt als Beratungsanlass, gefolgt von physischer und psychischer Gewalt (42), Kinder- und Erziehungsfragen (25) und selbstverletzendem Verhalten (19). 15- bis 18-Jährige stellen die größte Altersgruppe, „viele berichten von Missbrauch im Kindesalter“, sagt Melissa Thor.

22 Beschuldigte sind Verwandte der Opfer, darunter zwölf Väter. Weitere Beschuldigtengruppen sind Nachbarn und Bekannte (18) und Partner (6). In zwei Fällen wurden „Fremdtäter“ genannt – „wirklich die wenigsten“, sagt Melissa Thor. Insgesamt nur Männer.

25 Ratsuchende haben die Beratungsstelle von sich aus aufgesucht. „Das Thema ist in der Öffentlichkeit viel präsenter geworden“, folgert Melissa Thor daraus, „die Jugendlichen erfahren: Ich bin nicht allein.“ Andere werden von ihren Müttern geschickt (19), von der Schule (18) oder von anderen Beratungsstellen, Jugend- oder Gesundheitsamt (17)

Entwicklungen

Die Beratungsnachfrage wird gedeckt. „Wir versuchen, keine Wartelisten zu führen“, sagt Duygu Götzler, „wer es schafft, die Schwelle zu überwinden, soll nicht Monate warten müssen.“ Manchmal wäre eine dritte Beratungskraft hilfreich – auch dann, wenn mehr als zwei Menschen in einem Fall beteiligt sind. „Wir arbeiten klientenzentriert.“ Was bedeutet, dass eine Beraterin immer nur eine Person aus einer Familie unterstützt.

Für Mädchen in Not

Offene Sprechzeiten hat die Beratungsstelle in Kreuztal, Moltkestraße 11, montags von 13 bis 15, mittwochs von 9 bis 11 und donnerstags von 16 bis 18 Uhr. Und in Siegen, Sandstraße 28, am 2. Dienstag von 14 bis 17 und am letzten Freitag von 9 bis 11 Uhr.

Kontakt: www.maedchen-in-not.de. 02732/4133

Die Nachfrage an Präventionskursen von Kitas und Schulen wird abgedeckt. Wäre das anders, „würden wir das Problem lösen“, sagt VAKS-Geschäftsführer Michael Groß. Die Beratungsstelle achtet darauf, dass die Kurse nicht in zeitlichem Zusammenhang zur Sexualaufklärung stehen. Sexualität, so die Beraterinnen, soll nicht von vornherein negativ besetzt werden. Auffällig ist die Zurückhaltung der Gymnasien. „Man kann die Schulen nicht zwingen“, stellt Duygu Götzler fest.

„Ganz weit am Horizont“ sieht Michael Groß eine Beratungsstelle für Jungen. Der Bedarf sei da, „wir haben das auf der Agenda.“ Aus seiner früheren Tätigkeit als Schulsozialarbeiter wisse er um die Folgen des Missbrauchs an Jungen: „Ich habe erlebt, wie furchtbar das ist und wie das ganze Lebensläufe zerschießt.“

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Die Zitterpartien um die Beratungsstelle sind Geschichte. 90 Prozent der Kosten für die beiden Beraterinnen – Katharina Heinrich wird in den nächsten zwei Jahren Duygu Götzler in ihrer Elternzeit vertreten – tragen Kreis und Stadt Siegen, zehn Prozent sowie die Kosten für die Verwaltungskraft und die Raumpflege stemmt der Verein selbst. Etwa 30.000 Euro kommen jährlich an Spenden herein, für etwaige Engpässe hält sich die Stadt Kreuztal bereit. „Da kann ich nur alle Hüte vor ziehen“, sagt VAKS-Geschäftsführer Michael Groß darüber, wie prekär Ifpake bis 2018 wirtschaften musste. „Nicht im Ansatz“ wäre der VAKS unter solchen Bedingungen eingestiegen.

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