Siegen. Mit einem späten Geständnis in Sachen Messerstecherei möchte der jüngere Beschuldigte seine Lage vor Gericht verbessern.

Staatsanwalt Rainer Hoppmann spricht in seinem Plädoyer von der „großen Wende“ im Prozess gegen zwei Männer, die im Januar in mehrere Messerattacken verwickelt gewesen sein sollen. Nachdem das Duo von einem der Verletzten am Donnerstag identifiziert worden war – zwei andere Geschädigte hatten sie zuvor nicht wiedererkannt – ließ der jüngere Angeklagte L. (21) am Freitag hinter verschlossenen Türen von seinem Anwalt die Bereitschaft zu einem „Deal“ überbringen.

Er werde über sein Verhalten aussagen und auch die Beteiligung seines Kumpels B. (35) offenbaren, wenn Staatsanwaltschaft und Gericht ihm entgegenkommen. Nach einem weiteren Gespräch am Dienstagmorgen war die Verständigung perfekt. L. gibt zu, am 22. Januar mit B. und einem dritten Mann gemeinsam Gewalt ausgeübt zu haben, um einem der Opfer mutmaßlich in dessen Jacke versteckte Drogen abzunehmen. Die sollten angeblich dem B. weggenommen worden sein.

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Pfefferspray ins Gesicht des Opfers

Dass dieser den anderen noch mit einem Messer verletzt hatte, habe er erst später erfahren. L. lässt weiter durch Anwalt Andreas Trode erklären, den jungen Afghanen geschubst zu haben, der versucht hatte, dem Angegriffenen zu Hilfe zu kommen. Danach sei er geflohen und habe nicht gemerkt, dass B. den Helfer ebenfalls mit seinem Messer stach.

Einige Tage später sei er dann mit B. nach Weidenau gefahren, wo ein Informant den dritten Geschädigten aufgetrieben hatte. Auch dieser sollte zu jenen gehören, die B. um Rauschgift gebracht hatten. B. habe erklärt, dem Mann in die Beine und ins Gesäß stechen zu wollen. L. will versucht haben, den Mitangeklagten davon abzubringen. Dies sei ihm nicht gelungen. Dennoch habe er mitgemacht und dem Opfer Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Durch B. sei der Mann dann in den Rücken gestochen worden.

Geständnis bringt Wende

„Wir haben hier einen Indizienprozess geführt“, beginnt der Staatsanwalt sein Plädoyer. Die Taten seien schnell wie in der Anklage bestätigt gewesen, die Verantwortung der Angeklagten hingegen bis zur Aussage des jungen Afghanen und dem Geständnis nicht.

In Siegen verhaftet

Die Angeklagten wurden am 27. Januar in der Leimbachstraße verhaftet. Die Polizei war wegen einer angeblichen Gewalttat dorthin gerufen worden.

Statt einer blutbeschmierten Frau hatten die Beamten dort allerdings das nun angeklagte Duo vorgefunden.

Das Urteil soll am 22. August verkündet werden.

Dies reiche ihm nun für eine Verurteilung, betont Hoppmann und beantragt vier Jahre und zwei Monate gegen B., wegen dreifacher schwerer Körperverletzung. L. hält er die Aussage zu Gute und stuft ihn als Mitläufer ein. Schließlich nimmt Hoppmann noch eine eingeschränkte Schuldfähigkeit wegen Drogenkonsums an und fordert zwei Jahre zur Bewährung.

Verteidigerin zweifelt an Aussagen

Während Verteidiger Trode sich sehr kurz den Ausführungen des Staatsanwalts anschließt, nimmt sich seine Kollegin Katharina Batz mehr Zeit für ihren Mandanten B., der sich auf keinen Deal eingelassen hat. Allein die Tatsache, dass zwei der Geschädigten keinen der Angeklagten hätten identifizieren können, genügt nach ihrer Überzeugung für einen Freispruch aus erheblichen Zweifeln an der Schuld.

Auch der auf den ersten Eindruck so überzeugende Afghane habe ihren Mandanten im Gerichtssaal erkannt, vorher aber ebenso auf Aufnahmen einer Überwachungskamera, die den Angeklagten gar nicht sicher zeigten. Daneben habe der junge Mann von längeren Haaren des B. gesprochen, die auf einem Foto, das diesen kurz nach der Verhaftung zeige, gar nicht erkennbar seien.

Batz findet weitere Unstimmigkeiten in der Aussage einer Zeugin, der L. angeblich von der Tat in Weidenau erzählt haben soll. Die Anwältin unterstellt der 18-Jährigen eine starke Belastungstendenz und verweist auf die Aussage des Mitangeklagten, der natürlich ein Interesse habe, seine Verständigung zu erfüllen. Ob das ohne Unterstützung durch andere Zeugen wohl ausreiche, ihren Mandanten zu überführen?

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