Irmgarteichen. In unserer Gastro-Serie stellen wir den Gasthof Ley vor, der vor elf Jahren abgebrannt ist. Die Familie Büdenbender stand damals vor dem Nichts.

Am 27. April 2008 steht Günter Büdenbender in der Küche seines Gasthofes und blickt fassungslos auf die verrußten Trümmer seiner Existenz. Das Irmgarteichener Traditions-Gasthaus Ley ist an diesem frühen Sonntagmorgen ein Raub der Flammen geworden. Ein Defekt im Sicherungskasten hat das Gebäude in Brand gesetzt, wie sich später herausstellt. Ein Schock für die Büdenbenders und für ganz Irmgarteichen. Doch nur ein Jahr später steht die Traditionsstätte Gasthof Ley wieder, weil der ganze Ort mithilft. Heute, zehn Jahre nach der Wiedereröffnung, blicken wir mit Familie Büdenbender zurück.

Wertschätzung für das Gastgewerbe

Drei Monate im Siegerland. Zugegeben, das ist keine lange Zeit, wenn Sie diese Region einmal kennenlernen wollen. Ich, ein gebürtiger Hagener, habe es während meiner Volontärsstation in der Siegener Lokalredaktion dennoch versucht und mir vorgenommen, einmal die Gastronomie-Szene zu entdecken. Denn wo können Sie eine Region und ihre Menschen besser kennenlernen als in Restaurants, Cafés, Eisdielen und Kneipen?

In der Serie „An Tisch und Tresen“ schildere ich meine Eindrücke aus vielen, vielen Besuchen in Siegerländer Gastronomien. Jede Folge ist ein kleiner Guide für die jeweilige Stadt bzw. den Stadtteil. Wie meine Auswahl getroffen habe? Zum einen habe ich Tipps aus unserer Redaktion erhalten, zum anderen haben mir Leserinnen und Leser nach einem Aufruf im Mai ihre Lieblings-Gastronomien per E-Mail verraten. Außerdem haben die Bewertungen in Online-Portalen eine wichtige Rolle gespielt. Die Serie ist jedoch kein allumfassender Gastro-Guide für das Siegerland – dafür ist die Auswahl viel zu groß.

Beeindruckt hat mich bei meinen Gesprächen mit Wirten, Köchen, Kellnern und Konditoren vor allem eines: Mit wie viel Hingabe daran gearbeitet wird, den Gästen etwas Besonderes zu bieten. Aber das Geschäft ist zäher denn je. Innerhalb von zehn Jahren haben 81 Gastro-Betriebe im Kreis Siegen-Wittgenstein geschlossen, teilte die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) jüngst mit. Ein trauriger Trend, dem wir entgegenwirken sollten. Denn die Siegerländer Gastronomie hat enorm viel zu bieten – das weiß ich nach meinen drei Monaten hier ganz gewiss.

Der Brand

Gegen 3.30 Uhr werden Günther Büdenbender und seine Frau Resi in jener Nacht wach, weil das Atemgerät des Gastwirts laut piept. Das Ehepaar riecht Qualm – und springt vor Schock aus dem Bett. „Wir hatten am Sonntag eigentlich eine Kommunion im Gasthof. Wir dachten erst noch, dass wir die Rouladen aus dem Keller holen müssen. Aber da war nichts mehr zu retten“, erinnert sich Resi Büdenbender. Schnell merken sie und ihr Ehemann, dass das nicht mehr wichtig war. Denn aus der Küche ziehen dicke Rauchschwaden durch das unter Denkmalschutz stehende Haus.

In den Trümmern seiner Existenz: Günter Büdenbender kann kaum fassen, dass seine Gaststätte niedergebrannt ist.
In den Trümmern seiner Existenz: Günter Büdenbender kann kaum fassen, dass seine Gaststätte niedergebrannt ist. © Jürgen Schade | Jürgen Schade

Wenig später dringen mit schwerem Atemschutz ausgerüstete Feuerwehrleute ins Gebäude. Auch von außen ist zunächst kein offenes Feuer zu sehen. In dem 350 Jahre alten Wirtshaus gibt es aber in der Fachwerkkonstruktion versteckte Räume, in denen sich die Flammen lange Zeit unbemerkt weiter ausbreiten. Etwa 40 Minuten später nimmt der Einsatz eine dramatische Wende. „Die Fensterscheiben sind zerborsten. Und dann loderten die Flammen aus dem Dach“, sagt Resi Büdenbender. Das unter Sauerstoffmangel schwelende Feuer hatte durch den Luftzug Kraft erhalten. Flash-Over nennen das die Feuerwehrleute.

Bei Tagesanbruch kämpfen mittlerweile 80 Feuerwehrleute aus Netphen, Deuz, Hainchen, Irmgarteichen, Rudersdorf, Freudenberg und Siegen mit den Flammen. Von zwei Drehleitern aus wird das Feuer auch von oben bekämpft. Günther Büdenbender steht schon am Mittag mit Nachbarn und Helfern vor den Überresten. Dach-, Wohn- und Erdgeschoss mit Küche und Gasträumen sind schwer beschädigt oder zerstört, der vollgelaufene Keller wird leergepumpt. „Es ist fast alles verbrannt oder vernichtet“, sagt Gastwirt Günter Büdenbender damals. Der Schaden beträgt fast 500.000 Euro. Zum Glück sind die Büdenbenders gut versichert.

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Der Neubau

Nach dem Großbrand stehen Günter und Resi Büdenbender erst einmal vor dem Nichts. Das Gebäude muss ganz abgerissen werden. Es ist die einzige Option, denn die Statik wurde zu sehr in Mitleidenschaft gezogen. Aber das Ehepaar wird von einer Welle der Hilfsbereitschaft überwältigt. „Wir hatten ja praktisch nichts mehr. Mein Mann hat von den Nachbarn einen Trainingsanzug und Schlappen bekommen“, sagt Resi Büdenbender. Nachbarn, Verwandte und Freunde unterstützen, wo sie nur können. Rund ein Jahr später können die Büdenbenders, die in eine Wohnung in Irmgarteichen umziehen, wieder kochen und bewirten: Das neue Gasthaus ist fertig und wird mit einem großen Fest eingeweiht.

Heute

Guido Büdenbender, der damals beim Großbrand 29 Jahre alt war und in der Siegener Pfeffermühle arbeitete, hat 2017 den Gasthof übernommen.

Geschäftsführer Guido Büdenbender und seine Mutter Resi vor dem Gasthof Ley in Netphen.
Geschäftsführer Guido Büdenbender und seine Mutter Resi vor dem Gasthof Ley in Netphen. © WP | Dominik Brendel

Seine Eltern sind kürzer getreten, helfen aber noch im Betrieb mit. Bekannt ist der Gasthof, der 130 Gästen Platz bietet, im ganzen Siegerland für seine traditionelle heimische Küche. „Am liebsten essen unsere Gäste hier das Siegerländer Krüstchen und das Jäger-Schnitzel“, sagt Guido Büdenbender. Die Geschäfte laufen gut, sagt der 40-Jährige. „Wir sind ganz zufrieden. Allerdings, das muss man sagen, dass es in Netphen auch nicht mehr viel gibt. Viele Läden haben in den letzten Jahren dicht gemacht.“

Service

Adresse: Glockenstraße 9, 57250 Netphen-Irmgarteichen; Kontakt: 02737/91094, info@Gasthof-Ley.de, www.gasthof-ley.de

Öffnungszeiten: Mo. 17 - 24 Uhr, Di. - So. 10 - 24 Uhr, Do. Ruhetag.

Sonstiges: Zehn Gästezimmer, kinderfreundlich, behindertenfreundlich, Außenbereich, WLAN, kostenlose Parkplätze.