Kreuztal. Karl Dornseifer aus Kreuztal war als Gegner der Nazis bekannt. 1933 wurde er auf der Straße erschossen. Nun erinnert ein Stolperstein an ihn.
Für das Bild von Adolf Hitler, das er in einer Lotterie gewonnen hatte, hatte Karl Dornseifer den perfekten Platz. Auf dem Abort wollte er es aufhängen, eingerahmt mit Brettern einer Margarinekiste. Für diese Äußerung bezahlte der Sozialdemokrat mit seinem Leben.
Der SA-Mann Karl Pfeifer schoss den 42-Jährigen am Abend des 5. August 1933 nach einer verbalen Auseinandersetzung auf offener Straße erst in den Bauch, dann in den Kopf. Am Montag ließen der SPD-Stadtverband und die SPD-Fraktion Kreuztal einen Stolperstein für das Opfer am Kreisel Ernsdorfstraße/Ameisenberg verlegen, wo früher Karl Dornseifers Wohnhaus stand. Mehr als 60 Bürgerinnen und Bürger nahmen teil.
Das Opfer: Karl Dornseifer
„Karl Dornseifer war als Gegner der Nationalsozialisten bekannt“, sagte Bürgermeister Walter Kiß in seinem Redebeitrag. Karl Dornseifer, am 9. September 1891 in Weidenau geboren, war Mitglied der SPD, bis diese im Juni 1933 verboten wurde.
Intensive Recherchen
Torsten Thomas vom Verband der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN/BdA) Siegerland-Wittgenstein hat die Fakten zu Leben und Ermordung von Karl Dornseifer recherchiert.
Zwei weitere Stolpersteine wurden Freitag in Siegen verlegt.
Der gelernte Blechschlosser war schwerstgeschädigt aus dem Ersten Weltkrieg zurückgekehrt, konnte seinem eigentlichen Beruf deshalb nicht mehr nachgehen und arbeitete fortan als Händler. 1923 heiratete er Hedwig Münker aus Kreuztal.
Das Paar hatte einen Sohn, lebte in einem kleinen Haus. Nur ein kurzes Stück Fußweg entfernt traf er am Tattag zwischen 21.30 und 22 Uhr auf seinen Mörder; erschossen „wegen einer Nichtigkeit“, sagt Walter Kiß.
Der Täter: Karl Pfeifer
Karl Pfeifer, geboren am 13. Januar 1894 in Weidenau, war Monteur, NSDAP-Mitglied seit dem 1. März 1932 und gehörte der SA an. Für den Mord an Karl Dornseifer verurteilte ihn das Schwurgericht Arnsberg zu zweieinhalb Jahren Gefängnis. Doch schon nach wenigen Monaten wurde er aus der Haft entlassen, bekam eine Stelle als Kammerwart in der Sportschule der SA in Hamm.
Offenbar nutzten ihm Kontakte zum SA-Führer und Architekten Paul Giesler aus Siegen, später Gauleiter der NSDAP von Westfalen-Süd und schließlich München-Oberbayern. „Man hat das wohl in der SA geregelt“, sagt Walter Kiß. „Das zeigt, dass man sich in der Bande gegenseitig half.“
Die Trauerfeier
Die SA hielt während der Trauerfeier auf einem Schießstand in Friedhofsnähe eine Schießübung ab – „um Präsenz zu zeigen und den Pfarrer einzuschüchtern, damit er keine zu scharfe Predigt hält“, berichtet Pfarrer Thies Friederichs bei der Stolpersteinverlegung. Doch sein damaliger Amtsvorgänger August Wehmeier ließ sich nicht einschüchtern, nahm einen Text aus dem Johannes-Evangelium als Ausgangspunkt: „Herr, wärest Du hier gewesen, mein Bruder wäre nicht gestorben“, nannte den Sachverhalt, die Tat beim Namen.
Nicht viele seien so entschlossen gewesen. „In der Presse war kein Bericht über den Mord zu lesen“, sagt Thies Friederichs; die Gesellschaft sei durchdrungen gewesen von nationalsozialistischer Ideologie und von Angst. Und doch: „Wir hören heute von Menschen, die kein Blatt vor den Mund nahmen, obwohl man ihnen den Mund verbieten wollte.“
Die Familie
„In der Familie ist nicht viel darüber gesprochen worden“, erzählt Michael Münker. Der 74-Jährige, aufgewachsen in Krombach, lebt heute in Kreuztal und ist der Neffe von Karl Dornseifers Frau Hedwig. Diese lebte nach dem Krieg zeitweise bei seiner Familie. Ihr Sohn war nach dem Zweiten Weltkrieg in die DDR gegangen, sie sah ihn danach kaum noch. Es war hart für für sie, doch „sie hat ihr Leben im Glauben an Gott gemeistert“.
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Die Gegenwart
Der Mord an Karl Dornseifer ist nicht irgendein Ereignis aus der Vergangenheit, ist Walter Kiß überzeugt. Es gebe einen Bezug zu aktuellen politischen Entwicklungen. „Auch wir haben Demagogen. Gerade im Internet lesen wir rechte Hetze, menschenverachtende Hetze“, betont der Bürgermeister. Stammtischparolen gebe es längst auch jenseits der Stammtische.
Er erinnert an den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke vor zwei Monaten. „Aus politischen Gründen jemanden zu ermorden: Es ist erschreckend, dass Geschichte sich wiederholen kann.“ Genau deshalb sei die Erinnerung, seien die Stolpersteine so wichtig, betont der Kreuztaler SPD-Fraktionschef Karl-Heinz Schleifenbaum. „Das sollte uns vor Augen führen, wohin Verblendung, Hass und Gewalt führen können. Und dass Hass und Menschenverachtung in unserer Gesellschaft keinen Platz haben.“
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