Siegen. Historische Raritäten: Louise Gaumann und Roman Hübert alias Volvsons Vintage haben sich auf die Möbelkunst der Vergangenheit spezialisiert.

Das Geschäft, ein Panoptikum der Raritäten. Überall gibt es etwas zu entdecken. Grobe Truhen, feines Porzellan, schwungvolle Vitrinen und gusseiserne Pfannen. Auf allem liegt die Patina der Jahrzehnte, Jahrhunderte zum Teil, originalgetreu restauriert.

Im Vintage Shop Siegen, bis vor Kurzem noch „Volvsons Vintage“, bieten Louise Gaumann und Roman Hübert Möbel und Einrichtungsgegenstände an, die aus der Zeit vor 1920 oder nach 1950 stammen. Designerstücke. Sie haben sich auf hochwertiges, altes Handwerk spezialisiert, aus einer Zeit, als das noch eine Kunst aus massivem Material war.

Die Möbel: „Einfach besser verarbeitet“

Louise Gaumann sitzt vor einer wuchtigen Kommode, die Geschichte hat sich sichtlich tief eingegraben in die massiven Eichenbretter. Eines von Louise Gaumanns Lieblingsstücken. „Wir lieben einfach Antiquitäten“, sagt sie. „Im Biedermeier, in der Gründerzeit waren die Möbel einfach besser verarbeitet als dieser 70er-Jahre-Pressspan“, findet Gaumann. Ab den 1940er Jahren seien Möbel nicht mehr als ein vererbbares Gut gesehen worden, sondern als Modeartikel. Austauschbarer.

Jede Menge alte Schätze im Vintage Shop Siegen zu entdecken

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© WP | Hendrik Schulz
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Sie wollen ein Stück weit gegensteuern. „Es gibt so tolle Sachen, die einfach nicht kaputtgehen!“ Hübert gerät ins Schwärmen, seine Partnerin fällt ein: „Kleiderschränke ohne eine Schraube. Alles gesteckt. Massiv. Das kann man unendlich oft auf- und abbauen.“

Die Geschichte: Am Anfang war ein alter Volvo

Die Volvsons, das war zuerst ein Hobby. Ein Faible für alte Dinge hatten beide schon lange. 2015 bekamen beide unabhängig voneinander das Angebot, als Lehrkräfte für Flüchtlinge zu arbeiten. Das haben sie ein paar Monate gemacht, ein bisschen gespart. Für ein Auto. Ein altes natürlich. Einen Volvo, Jahrgang 1966. „Wir waren arme Studenten und mussten viel selbst dran machen“, sagt Roman Hübert. Wie sie feststellen, kann das ziemlich viel Spaß machen. Auch wenn man keine Ahnung hat. Sie zogen Blaumänner an und legten los, „wir haben das einfach gemacht“, sagt Louise Gaumann. Das Auto gab dem Unternehmen den Namen: Söhne von Volvo.

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Vom Auto landeten sie bei alten Möbeln. Eleganten alten Möbeln. Was noch mehr Spaß machte. In ihrer Ein-Zimmer-Wohnung wurde geschliffen und gewerkelt, das Essen schmeckte nach Sägemehl und bald platzte ihr Heim aus allen Nähten, erzählt Louise Gaumann und schlägt lachend die Hände vors Gesicht. Sie suchten einen Laden, fanden einen, „wir dachten, wir kriegen den nie voll“, erinnert sich Roman Hübert. Und heute sind sie ständig mit Umherrücken beschäftigt, weil ständig neue Sachen kommen.

Das Geschäft: Noch ein Nebenjob

Die Volvsons sind Komplett-Dienstleister rund um alte Einrichtungsgegenstände. Sie kaufen und verkaufen, setzen instand, restaurieren, beraten, streichen. Sie führen Auftragsarbeiten in der Werkstatt und bei Kunden zu Hause aus, liefern, verschicken deutschlandweit. Viel läuft über den schicken, gut gepflegten Onlineshop und die Webseite, über die Kunden den Volvsons auch Möbelstücke anbieten können.

Es gibt einige Stammkunden, die in den Schätzen stöbern. Laufkundschaft würden sie sich noch wünschen, aber dazu müsste das Geschäft etwas zentraler liegen. Die Friedrich-Wilhelm-Straße ist so gerade noch fußläufig vom Siegener Zentrum aus zu erreichen. In die Gassen der Oberstadt würden sie gut passen, finden Gaumann und Hübert.

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Noch ist das Geschäft ein Nebenjob. Noch studieren die Volvsons. Sie Soziale Arbeit, er Philosophie und Geschichte. Kürzlich hat ihr Geschäft Dreijähriges gefeiert. „Wir würden das sehr gern im Hauptberuf machen“, sagt Roman Hübert. Das Geschäft läuft jedenfalls gut. Was die unschönen Seiten des Unternehmertums mit sich bringt: Bürokratie. Eigentlich würden die beiden ja viel mehr künstlerisch arbeiten. Aber das gehört halt auch dazu.

Die Motivation: Den Dingen ein schönes Zuhause geben

Selbst Hand anlegen, „das Möbel zu seinem Möbel machen“, wie Roman Hübert sagt. Der Möbel-Trend geht wieder hin zur Selbstverwirklichung, zum Sich-Ausdrücken, weg vom reinen Stauraum. Alte, hochwertige Stücke finden immer öfter wieder Platz in Wohnzimmern und Küchen. Bis es so weit ist, stecken Gaumann und Hübert Arbeit und Liebe rein, sagen sie.

Viel Arbeit und Liebe. Auch wenn alles lose ist, ein Bein fehlt und ständig geklebt werden muss – „das Ergebnis ist es immer wert“, sagt Roman Hübert. Es sollen Möbel entstehen, die beim nächsten Sonderangebot nicht einfach ausgetauscht werden. „Die Qualität ist einfach unübertroffen“, sagt er.

Farbe richtig angewendet

Die Volvsons vertreiben auch Kreidefarben der Marke „Painting the Past“, die sowohl für Möbel, Wände und den Außenbereich geeignet sind. Manche Kunden hätten hin und wieder Angst, selbst Hand anzulegen, Louise Gaumann und Roman Hübert planen daher Workshops zur richtigen Anwendung.

Alle Infos, Onlineshop, Blog und Kontakt gibt es auf

Natürlich haben sie Lieblingsstücke. Die Wohnung ist größer geworden, aber voll mit alten Möbeln ist sie immer noch. Die verspiegelte englische Anrichte aus Mahagoni, der riesige, schlichte Esstisch aus einem Bauernhaus, die kleine Gründerzeitkommode, an der Roman Hübert fast einen Monat lang gewerkelt hat, bis sie so war, wie sie sein sollte. „Durch die Arbeit ist sie zu meinem Lieblingsstück geworden“, sagt er.

Je mehr sie an einem Stück arbeiten, je mehr Arbeit und Liebe sie hineinstecken, desto schwerer fällt es den Volvsons, die Sachen zu verkaufen. „Wenn man ein Stück so kennengelernt hat wie wir, hat man eine Beziehung dazu aufgebaut“, sagt Roman Hübert. Sie fragen sich fast jedes Mal: Wollen sie das wirklich verkaufen? Louise Gaumann nimmt einen Pokal aus hauchzartem Glas aus dem Regal. „Ich will, dass die Dinge ein schönes Zuhause haben“, sagt sie und ihre Augen leuchten wie die Sonne in der feinen Gravur. „Dafür machen wir das: Damit die Leute ihre Freude daran haben.“

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Kurz-Exkurs in die Geschichte des Möbelbaus

Roman Hübert und Louise Gaumann haben sich intensiv mit der Geschichte des Möbelbaus beschäftigt, beim Auseinandernehmen und Zusammensetzen viel gelernt über Möbel und über die Zeit, in der sie gebaut wurden. Über die Menschen, für die sie gebaut wurden. Ein Stück weit, wie deren Alltag aussah, unter welchen Umständen sie gelebt haben. Was sie schön fanden.

Das Geschäft an der Friedrich-Wilhelmstraße ist so gerade noch fußläufig vom Zentrum erreichbar.
Das Geschäft an der Friedrich-Wilhelmstraße ist so gerade noch fußläufig vom Zentrum erreichbar. © Hendrik Schulz

In einer alten Truhe fand Louise Gaumann Papier aus Greifenstein, anhand dessen sich der gesamte Reiseweg, alle Besitzer der Truhe nachvollziehen ließen. Eine Kommode, die durch ihre Hände ging, wurde 1925 jemandem als Hochzeitsgeschenk überreicht. „Wie romantisch ist das denn!“, ruft Gaumann.

Schönheit gewinnt an Wert

Das Biedermeier ist die Zeit, in der es spannend wird für die Volvsons. Vorher war ein Möbel reduziert auf Funktion. Schlicht, eckig. Als sich Anfang des 19. Jahrhunderts langsam eine Mittelschicht herausbildete, die Leute ein bisschen Geld hatten, konnten sie zunehmend Wert auf Schönheit legen. Und sie konnten dann irgendwann Wert auf Modeerscheinungen legen – das alte Design wurde den betuchteren Bürgern zu langweilig, es wurden Verzierungen angebracht, Applikationen, Schnörkel. Irgendwann wurde es wieder schlichter, um in der Gründerzeit wieder noch verspielter, noch schnörkeliger zu werden.

„Man sieht einfach bei jedem Stück: Da hat sich jemand richtig was bei gedacht. Das wurde nicht geschaffen, um einfach nur etwas reinzutun“, sagt Hübert.

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