Dreis-Tiefenbach. „Wir tanzen wieder“, heißt es in Dreis-Tiefenbach für Menschen mit und ohne Demenz. Das Projekt ist für die nächsten drei Jahre finanziert.
Menschen mit Demenz leben in ihrer eigenen Welt: sie befinden sich im Hier und Jetzt und können sich oft nicht an die Namen ihrer Angehörigen erinnern. Dennoch ist auch diese Welt Teil der unseren. Im Rahmen des Projekts „Wir tanzen wieder!“ werden Menschen mit und ohne Demenzerkrankung aus ihrer sozialen Isolation herausgeholt. „Hier atmen sie die Luft der Normalität und erleben etwas Glamour. Sie stehen im Mittelpunkt!“, sagt Eva Vitt, Seniorenbeauftragte der Stadt Netphen. Nun kann das Projekt, das regelmäßig in der Tanzschule im Takt stattfindet, für weitere drei Jahre fortgeführt werden.
Förderung
Die Förderung der Sparkassenstiftung Zukunft und der Zukunftsinitiative 2020 – Leben und Wohnen im Alter – des Kreises Siegen Wittgenstein ermöglicht die Weiterführung. Beide Projektpartner beteiligen sich jeweils mit jährlich 1200 Euro für insgesamt drei Jahre. Die restlichen Mittel von 1200 Euro jährlich werden aus den Eigenmitteln der übrigen Projektpartner bestritten. Das sind die Alzheimer Gesellschaft Siegen, der Verein „VergissMeinNicht Netphen“, die Tanzschule im Takt und die Senioren-Service-Stelle der Stadt Netphen.
Projekt
Das Angebot „Wir tanzen wieder!“ ist in der Dreis-Tiefenbacher Tanzschule äußerst beliebt: 406 Besucher kamen 2017, 286 im Jahr 2018. „Wenn die Teilnehmer zu tanzen beginnen, geht ein Strahlen über ihr Gesicht“, sagt Susanne Tuppeck von der Tanzschule im Takt. Ein Tanznachmittag beginnt mit drei bekannten Liedern, danach folgt ein Unterrichtsblock. Hier lernen die Teilnehmer zum Beispiel Walzer- oder Rumba-Schritte.
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„Nicht die Perfektion, sondern der Rhythmus und die Berührung sind wichtig“, sagt Eva Vitt. Zwischendrin gibt es immer wieder die Möglichkeit für Verschnaufpausen. „Hier soll sich keiner überanstrengen. Die Bewegung und der Spaß stehen im Vordergrund“, erklärt Susanne Tuppeck. Im Rahmen einer kleinen Pause gibt es immer ein Liederrätsel: wer den jeweiligen Song errät, darf eine Runde mit der Chefin der Tanzschule tanzen. Dies sei „eine Ehre“ für die tanzbegeisterten Senioren, betont Eva Vitt von der Senioren-Service-Stelle Netphen.
Mit dem „Scalamobil“ die Treppen überwinden
Die Idee und das Konzept von „Wir tanzen wieder!“ kommen aus Köln: Stefan Kleinstück von den Alexianern Köln und Georg Stallnig von der ADTV-Tanzschule Stallnig-Nierhaus haben das Projekt initiiert. Die Teilnehmer sind Menschen mit und ohne Demenz, deren Angehörige, Freunde sowie ehrenamtliche Helfer.
In der Tanzschule Im Takt, Dreisbachstraße 24, findet das Angebot seit 2012 einmal im Monat statt. Meistens fällt der Termin auf den dritten Mittwoch im Monat. Höhepunkte sind die Karnevalsveranstaltung und der Frühjahrsball im Mai.
Das nächste Mal findet „Wir tanzen wieder!“ am Mittwoch, 21. August, von 14.30 bis 16 Uhr statt. Mit Hilfe eines „Scalamobils“, das vom Verein „Invema“ bereitgestellt wird, können auch Rollstuhlfahrer die Treppe der Tanzschule hinaufkommen.
Weitere Informationen erhalten Interessierte bei der Seniorenbeauftragten der Stadt Netphen, Eva Vitt, unter Tel. 02738/603-145, e.vitt@netphen.de.
Zur Tradition gehören auch eine Runde Disco-Fox und eine Polonaise. Die Musik spielt eine große Rolle: Der ein oder andere weiß vielleicht nicht mehr die Namen seiner Angehörigen, dafür kennt er die Songzeilen aus dem Effeff.
Die Teilnehmer
Gefühle und Erinnerungen, die längst vergessen schienen, werden bei den Tanznachmittagen wieder ins Gedächtnis gerufen. „Die Menschen mit Demenz können noch etwas. Die Musik, der Rhythmus und das Leben steckt in ihnen“, sagt Eva Vitt. „Die älteren Menschen entwickeln beim Tanzen Kräfte, das ist sagenhaft“, ergänzt Susanne Tuppeck. Menschen, die sich gewöhnlich am Rollator festhalten, lassen sich über das Parkett führen. Häufig nehmen auch die gesunden Tanzbegeisterten die Erkrankten an die Hand, erzählt Lutz Stähler von der Alzheimer Gesellschaft Siegen. „Die Freude, die wir den Menschen bei ‚Wir tanzen wieder!‘ bereiten, nehmen wir auch immer wieder mit“, sagt Eva Vitt.