Netphen-Salchendorf. Giulia Gendolla und Stefan Bünnig bekommen Fördermittel vom Land für ihr Vorhaben. Sie leben in Netphen-Salchendorf und wollen sich engagieren.

Von Stuttgart aufs Land: Salchendorf ist die neue Wahlheimat von Giulia Gendolla und ihrem Ehemann Stefan Bünnig. Die beiden wollen Kultur ins Dorf bringen und gründen deshalb gerade den Verein „Qulturwerkstatt“. Und weil ihr Konzept laut Jury einen „besonders kreativen Ansatz“ hat, haben Giulia Gendolla und Stefan Bünnig jetzt Grund zum Feiern: Das Land NRW fördert ihr Vorhaben ein Jahr lang mit bis zu 50.000 Euro. Das Förderprogramm nennt sich „Dritte Orte – Häuser für Kultur und Begegnung im ländlichen Raum“. „Wir freuen uns riesig. Das ist der ein erster großer Schritt“, sagt Stefan Bünnig. Über die Idee, die Pläne und ihr neues Leben auf dem Dorf sprechen die jungen Eltern im Interview mit Redakteurin Jennifer Wirth.

Was macht die Qulturwerkstatt?

Stefan Bünnig: Kunst und Kultur auf dem Land – für alle. Als Auftaktveranstaltung haben wir bei uns im Wohnzimmer Pantoffelkino gemacht. Da haben wir auf einer Leinwand den Film „Wir sind jung – wir sind stark“ gezeigt, ein Spielfilm aus dem Jahr 2015, der vor dem historischen Hintergrund der realen Ereignisse in Rostock-Lichtenhagen 1992 spielt. Der Drehbuchautor Martin Behnke war an diesem Abend unser Gast. Mit dem kleinen aber feinen Publikum gab es anschließend eine sehr lebhafte Diskussion.

Giulia Gendolla: Und es war ein sehr gemischtes Publikum. Das hat uns total gefreut. Es war so, wie wir uns das für die Zukunft wünschen – Freunde, Leute aus dem Dorf und neue Gesichter, die davon gehört hatten. Es war familiär.http://Kunstsommer_für_Siegen_und_Umgebung_geht_ins_21._Jahr{esc#217037323}[news]

Familiär?

Stefan Bünnig: Das Familiäre ist ein ganz guter Begriff. Das soll auch in Zukunft so bleiben, wenn die Qulturwerkstatt ihren eigenen Ort bekommt. Es soll ein Ort sein, an dem sich jeder wohl und ein bisschen zuhause fühlt.

Aber was wollen Sie konkret in Netphen anbieten?

Stefan Bünnig: Die Auftaktveranstaltung hat bereits ein Standbein des Gesamtkonzepts widergespiegelt – nämlich: Es gibt Kino, Theater, Konzerte und Lesungen. Veranstaltungen, bei denen man hinterher die Möglichkeit hat, sich auszutauschen. Das andere Standbein ist das Selbermachen. Das heißt, es gibt Kurse und Workshops, bei denen Besucher selbst Theater spielen und sich ausprobieren. Das sind unsere Kernkompetenzen, die wir selbst anbieten können. Dann wollen wir in Zukunft mit Leuten aus anderen Fachgebieten zusammenarbeiten, zum Beispiel mit einem Schreiner, dem Bienenzüchter, einer Malerin. Der Schwerpunkt soll auf der Kinder- und Jugendarbeit liegen.

Wollen Sie die Qulturwerkstatt hauptberuflich leiten?

Stefan Bünnig: Auf lange Sicht ist das schon unser Ziel, aber das braucht Zeit. Die Förderzusage macht ganz viel möglich, wofür wir privat die Mittel nicht aufbringen könnten. Wir müssen uns etablieren und herausfinden, was die Menschen hier interessiert. Es ist ja bewusst die Qulturwerkstatt auf dem Land – wir wollen es da machen, wo wir sind.

Giulia Gendolla: Es soll auch nicht ohne Grund ein Verein werden. Vereine sind auf dem Dorf üblich. Wir befinden uns gerade in der Gründungsphase und suchen noch Mitglieder. Die können dann mitgestalten und selbst aktiv werden. Es soll ein Ort werden, der dauerhaft Treffpunkt werden kann. Das könnten wir alleine nicht leisten. Die Mitarbeit ist uns deshalb sehr wichtig. Ein Verein stellt auch keine große finanzielle Hürde dar, man kennt sich und die Vorlieben der anderen schnell und kann gemeinsam etwas entwickeln.

Wer Mitglied wird, hat also viel Mitspracherecht?

Giulia Bünnig: Ja, genau.

Eine neue Heimat, Jobs, zwei kleine Kinder und die Qulturwerkstatt, für die Sie derzeit einen passenden Ort suchen. Das klingt stressig. Wie weit sind die Planungen und wie bekommen Sie alles unter einen Hut?

Giulia Gendolla: Mit Nachtarbeit – gerade jetzt, nach der Förderzusage. Wir haben aber auch Hilfe. Gabi Schlemper gründet mit uns den Verein und besitzt einen Gebäudekomplex in Deuz. Das könnte die Heimat der Qulturwerkstatt werden. Und genau hier können wir die Fördergelder gut gebrauchen, damit wir jemanden beauftragen können, der schauen kann, ob es dort machbar ist. Es gibt viel zu tun.

Stefan Bünnig: Man kann ja nicht ohne weiteres in einer Scheune loslegen.

In einer Scheune?

Stefan Bünnig: Gabi würde es selbst nicht so nennen. Früher war es das Holzlager der Schreinerei und dann auch mal Stellwerk. Der Komplex liegt im historischen Ortskern von Deuz und ist angeschlossen an ein Fachwerkhaus. Es gibt verschiedene Räume. Insgesamt hat es sehr viel Potenzial, aber wir brauchen eine Machbarkeitsstudie. Die können wir mit der Förderung des Landes jetzt finanzieren. Das ist super.

Sie sind aufs Land gezogen, um näher bei den Großeltern zu sein. Vor allem in Siegen gibt es bereits viele kulturelle Angebote. Warum möchten Sie Kultur – in direkter Nähe – auf dem Land machen?

Giulia Gendolla: Ja, die gibt es. Aber wir sehen da viele Synergien; weniger eine Konkurrenz. Siegen ist zwar nah, aber gerade als Elternteil ist man froh, um jeden Weg, den man nicht zusätzlich machen muss. Zur Qulturwerkstatt können die Kinder zu Fuß gehen. Und wir wollen ja auch Senioren erreichen – da ist Nähe viel wert.

Stefan Bünnig: Das ist ja auch die Idee der Dritten Orte: Es soll ein Treffpunkt sein. Die Idealvorstellung ist: offene Türen, man bekommt dort günstig einen Kaffee und kann ungezwungen unter Menschen gehen. Wir wollen mit einfachen Mitteln etwas Tolles für die Menschen vor Ort schaffen.

Giulia Gendolla: Genau. Es gibt auch einen Garten und der Raum ist flexibel nutzbar.

Glauben Sie, dass den Menschen auf dem Dorf Kultur fehlt?

Giulia Gendolla: Ich weiß nicht, ob ihnen Kultur bewusst fehlt. Aber das Interesse und die Neugier für das, was wir machen, war sofort sehr groß. Da wollte schon jeder wissen: Was ist das? Ich glaube aber, dass noch eine Hemmschwelle da ist. Und das ist unsere Aufgabe jetzt: die Hemmschwelle abzubauen auf der einen Seite und auf der anderen zu sehen, was sind wirklich die Sachen, die ankommen.

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Die nächste Veranstaltung ist geplant. Am 21. Juni zeigen Sie „Frau Litha und Herr Professor suchen den Sommer“ im Backes Salchendorf. Um 16 Uhr geht es los; Eintritt frei.

Stefan Bünnig: Das ist ein Mitmachstück für Kinder von drei bis sechs Jahren.

Giulia Gendolla: Das ist für uns auch ein Test. Wir wollen sehen, wer da ist und wie es ankommt. Hätten wir anders einladen sollen? Ist das Angebot gut? Wir haben zum Beispiel beim Pantoffelkino gedacht, dass es total super ist, wenn wir das in unserem Wohnzimmer machen, damit die Schwelle, zu kommen niedrig ist. Aber tatsächlich war es genau andersherum. Aus allen Veranstaltungen lernen wir.

Und nach dem Stück? Gibt es weitere Ideen?

Giulia Gendolla: Wir passen unser Konzept auf die Bedürfnisse auf dem Land an. Wir wollen also auch lokale Themen wie den Hauberg oder Kohlemeiler aufgreifen und auf eine moderne Ebene bringen.

Auf eine moderne Ebene heben? Wie könnte das aussehen?

Stefan Bünnig: Man könnte zum Beispiel ein Stück am Kohlemeiler aufführen und parallel dazu einen Filmworkshop veranstalten. Zum Thema: Wie schneide ich Live-Veranstaltungen professionell mit.

Giulia Gendolla: Das ist ein großes Projekt. Aber es geht auch mit kleinen Dingen wie einem Workshop „Wie mache ich ein richtig gutes Instagram-Profilfoto im Hauberg“. Es gibt viele Möglichkeiten.