Siegen. . Nach über 14 Jahren baut Eva Schmidt ihre letzte Ausstellung als Leiterin des Museums für Gegenwartskunst auf: „Der Traum von der Bibliothek“.

Noch stehen die leeren, hellblauen Tische auf Bahnen aus Malervlies; noch steht ein Rollwagen voller Werkzeug mitten im Raum. Am Boden liegen elektrische Arbeitsgeräte, es riecht nach Farbe. „Das ist ein bisschen schwer zu erklären, was hier passieren wird ...“, sagt Dr. Eva Schmidt. Aber die Chefin des Museums für Gegenwartskunst hat eine sehr genaue Vorstellung davon, wie der Raum aussehen wird, wenn er fertig ist. Es ist der Aufbau ihrer letzten Ausstellung im Haus.

Der erste Tag der Ausstellung „Der Traum der Bibliothek“ ist auch der letzte Tag von Dr. Eva Schmidt als Leiterin des MGK. Bei der Eröffnung am Sonntag, 31. März, übergibt sie offiziell an ihren Nachfolger Thomas Thiel. Eva Schmidt, 1957 in Hannover geboren und seit August 2004 MGK-Chefin, geht aber nicht in den Ruhestand, sondern widmet sich anderen Projekten.

Mehr als 60 Ausstellungen realisiert

Möbel mit Second-Hand-Anmutung stehen kreuz und quer herum, teils mitten im Weg. „Das bleibt jetzt so“, erklärt Eva Schmidt und folgt der schmalen Schneise, an deren Ende ein kleiner Raum liegt. Dort ist Achim Bitter beschäftigt. Das scheinbare Chaos, das etwas an eine Studenten-WG erinnert, ist sein Ausstellungsbeitrag: Eine private, improvisierte Bibliothek, in deren Regalen sich aber eine respektable Sammlung von Werken über Architektur, Design und Urbanität findet. „Hallo Achim“, sagt die Museumsleiterin. Die beiden kennen sich schon lange, haben bereits zusammen gearbeitet, als Eva Schmidt vor ihrer MGK-Zeit die Gesellschaft für Aktuelle Kunst in Bremen leitete.

© Florian Adam

In ihrem Kopf pflegt sie eine Datenbank. Wo immer sie ist, um sich Kunst anzuschauen, speichert sie das Gesehene ab – um es parat zu haben, falls es irgendwann in eine der Konzeptausstellungen passt, die für das MGK – neben der Sammlung Lambrecht-Schadeberg – so charakteristisch sind. „Heute ist das etwas einfacher, da kann man schnell alles mit dem Handy fotografieren.“ Eva Schmidt füttert ihren internen Speicher aber seit Jahrzehnten intensiv. Und so oder so: „Wichtig ist, das im richtigen Moment auch zu erinnern.“ Ab April, hofft sie, wird dieser professionelle Blick, der automatisch laufe, zugunsten der rein privaten Kunstbetrachtung nachlassen. „Ich freue mich, dass ich nicht mehr durch die Welt reisen und schauen muss, ob ich irgendwann einmal etwas für eine Ausstellung verwenden kann.“

Manche Exponate sind noch verpackt. Eva Schmidt hat dennoch genaue Vorstellungen, wie die Ausstellung aussehen wird, welche Werke auch räumlich zueinander in Beziehung gebracht werden.
Manche Exponate sind noch verpackt. Eva Schmidt hat dennoch genaue Vorstellungen, wie die Ausstellung aussehen wird, welche Werke auch räumlich zueinander in Beziehung gebracht werden. © Florian Adam

Wie viele Ausstellungen sie im MGK in den fast 15 Jahren gemacht hat? „Weiß ich nicht“, antwortet sie, als habe diese Zahl sie selbst bisher nie interessiert. „Stefanie, hast Du mal nachgezählt?“, leitet sie die Frage an eine Kollegin weiter. Pressesprecherin Stefanie Scheit-Koppitz hat: Es waren mehr als 60. Viele Menschen würden kurz vor dem Abschied aus einer so prominenten Position lossprudeln wie Wasserfälle; Eva Schmidt bleibt ruhig und sachlich wie immer, bringt die Dinge auf den Punkt, spart sich dabei jedes kleinste Eigenlob. Sie spricht nicht über sich, sie spricht über die Werke. Unaufgeregt, aber mit spürbarer, echter Leidenschaft; ihr Lächeln ist dezent, aber ihre Augen lächeln immer mit.

Reisen, Schreiben, Vorträge halten

Dr. Eva Schmidt gibt die Leitung des Museums für Gegenwartskunst Siegen auf eigenen Wunsch ab. Sie wird weiterhin im Kunstbereich arbeiten.

Nach ihrem letzten Arbeitstag am 31. März macht sie „erst einmal eine Pause: Am übernächsten Tag werde ich verreisen.“ Drei Wochen Frankreich sind geplant.“ Auch dafür nimmt sie sich allerdings Arbeit mit. Die Ausstellung „Landschaft, die sich erinnert“, die im vergangenen Sommer im MGK zu sehen war und von dort nach Bukarest ging, macht ab 24. April in Brüssel Station. Eva Schmidt ist künstlerische Leiterin.

Hinzu kommen Votragstermine bis Mai, „zwischendurch Deadlines für Texte“ – die Kunsthistorikerin wird in Zukunft verstärkt vor allem für Kataloge schreiben. „Ich habe einige Textanfragen. Ich habe nicht nichts zu tun.“

Vom MGK aus wird sie nicht arbeiten: „Ich freue mich ja, die Vorzüge des Home-Office zu genießen.“

Anderthalb Jahre Vorbereitung stecken in „Der Traum von der Bibliothek“. Eva Schmidt hat sie konzipiert und die Künstlerinnen und Künstler ausgewählt, Ines Rüttinger kümmert sich um Organisatorisches und Logistik. Die Ausstellung war noch ein ausgesprochenes Wunschprojekt von Eva Schmidt; die Auseinandersetzung mit der Bibliothek als Einrichtung, die sich angesichts der Digitalisierung von Büchern in einem radikalen Umbruch befindet.

In manchen Räumen ist noch fast gar nichts zu sehen, in einigen stehen Leitern, Tischböcke, auf dem Boden sind vereinzelt Flecken von Wandfarbe. In anderen Bereichen ist schon deutlich mehr aufgebaut. „Das hier ... Ich weiß nicht, ob Sie sich an die Tanzausstellung erinnern können?“ Eva Schmidt hockt sich neben ein flaches Podest, auf dem einige Bücher liegen. Es ist der Beitrag von Erwin Wurm, der im Jahr 2007 bereits bei der MGK-Ausstellung „Tanzen, Sehen“ dabei war. Die Besucher sollen sich später im Zusammenspiel mit diesen Büchern als lebende Skulpturen arrangieren. „Da müssen wir noch etwas austauschen“, stellt Eva Schmidt fest und legt die Taschenbücher beiseite. Die Bände stammen aus den Beständen des Museums, aber Erwin Wurm hatte ausschließlich um Hardcover gebeten.

Neugierig auf die Zukunft

Mit dem Aus- und Aufräumen ihres Büros ist die scheidende MGK-Leiterin bereits vorangekommen, die vielen Ablagefächer sind leer. „Aufräumen ist ja energetisch sehr anstrengend – weil man sich bei allem fragt, ob man es wegwerfen soll. Und man blendet auch immer aus, was sich alles ansammelt.“ Im heimischen Arbeitszimmer werde es jedenfalls voller. Sie wird in Zukunft frei arbeiten. Etwas Melancholie spiele bei diesem nächsten Schritt hinein, sagt sie, „vor allem, weil man sieht, wie die Zeit vergeht“. Aber sie sieht der Übergabe an Thomas Thiel positiv entgegen: „Ich bin gespannt, ich bin total neugierig, wie das danach so sein wird.“

  • Mehr Nachrichten, Fotos und Videos aus dem Siegerland gibt es hier.
  • Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook.