Siegen-Wittgenstein. . Nicht nur in den Heimen zeichnet sich ein Engpass ab. Auch die ambulanten Pflegedienste können die Nachfrage nicht mehr bedienen.

„Ambulant vor stationär“: Diese Vorgabe, die Siegen-Wittgenstein mit seiner Initiative „Leben und Wohnen im Alter“ verbunden hat, sei „nach wie vor unser strategisches Ziel“, sagt Carolin Weyel, Mitarbeiterin der Sozialplanung des Kreises. Auf lange Sicht allerdings fehlt beides: Es fehlen Heimplätze, und die ambulanten Pflegedienste sind überlastet.

Fakten

71.283 Einwohner des Kreises werden im Jahr 2030 älter als 65, von denen wiederum 27,3 Prozent über 80 sein. Der Anteil der über 90-Jährigen steigt von jetzt 13 auf 19,7 Prozent. Von den über 80-Jährigen werden 37,4 Prozent im Jahr 2021 Pflege brauchen.

Kreistag berät

Die Pflegebedarfsplanung wird am Freitag, 28. September, vom Kreistag verabschiedet, der ab 16 Uhr im Rathaus Geisweid tagt.

Weitere Informationen zum Thema gibt es im Netz: wp.de/pflegebedarf

19,5 Prozent der Pflegebedürftigen im Kreis brauchen stationäre Versorgung, also einen Heimplatz. Dem gegenübergestellt ist die „Selbsthilfequote“ von 80,5 Prozent – das ist der Anteil der Pflegebedürftigen, um die sich zu Hause mit Unterstützung der Pflegekasse, vor allem Angehörige kümmern.

Stationäre Pflege

Mit dem Anteil der über 80-Jährigen steigt auch deren Bedarf an Heimplätzen – allerdings für einen kürzeren Zeitraum (von 2,8 auf 2,43 Jahre), was wiederum damit zu tun hat, dass die Menschen länger zu Hause versorgt werden und erst später in ein Heim umziehen.

157 weitere Heimplätze müssen geschaffen werden, um 2021 für 13 Prozent aller über 80-Jährigen einen Platz anbieten zu können. „Unterdeckungen“ gibt es in Bad Berleburg, Freudenberg, Kreuztal, Siegen und Wilnsdorf – wobei die geplanten 55 Plätze im Buschhüttener Deichwald-Quartier und die gerade entstehenden 69 Plätze für schwer Demenzkranke in St. Anna in Brauersdorf bereits eingerechnet sind. Handeln will der Kreis in Siegen und Bad Berleburg, wo jeweils mehr als 40 Plätze fehlen.

Ein Teil der neuen Heimplätze wird ausschließlich für die Kurzzeitpflege vorgesehen: zehn in Bad Berleburg und 20 in Siegen. Das liegt zum einen daran, dass neue stationäre Einrichtungen nicht mehr als 80 Vollzeit-Pflegeplätze haben dürfen. Zum anderen aber auch an dem derzeitigen Angebot. Das sei „unterirdisch wenig“, sagt Sachgebietsleiterin Ute Heyde. Die Plätze werden gebraucht, um Menschen nach der Entlassung aus dem Akutkrankenhaus zu versorgen, bis die Rehabilitation beginnt oder eine ambulante Pflege organisiert ist.

Ambulante Pflege

Für die Pflegebedarfsplanung, die jetzt im Sozialausschuss des Kreistags beraten wurde, liegen auch Auskünfte von 26 der 42 ambulanten Pflegedienste vor. Die 26 Betriebe haben mit 1100 Mitarbeitern 7222 Menschen betreut.

680 Anfragen konnten mangels Personal nicht angenommen werden. Die Erklärungen liegen auf der Hand: Gesellschaftlich anerkannt wird die Arbeit in der Pflege offenkundig nur unzureichend, Bezahlung und Arbeitsbedingungen sind schlecht. „Da stimmt etwas im System nicht“, sagt Sozialdezernent Henning Setzer. „Die Pflegedienstleitungen sprechen schon jetzt von einem Kollaps“, sagt Sozialplaner Reiner Jakobs, „die Dienste können nicht mehr alle versorgen.“ In welchem Umfang Betroffene sich selbst helfen, indem sie Geldeistungen der Pflegeversicherung einsetzen, um 24-Stunden-Kräfte aus Osteuropa zu bezahlen, weiß der Kreis nicht. Es fehle nicht nur an Pflegekräften, sagt Jakobs, sondern auch an Haushaltshilfen. „Sie finden kaum noch jemanden.“ Denn wenn die sich mit Steuerklasse 5 in Regelarbeitsverhältnisse gedrängt sähen, „bleibt von dem Geld kaum etwas übrig.“

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