Siegen-Wittgenstein. Siegen-Wittgenstein hat überdurchschnittliche Pedelec-Dichte — und bevorzugt trotzdem das Auto auch für kurze Fahrten.
Für die ersten 17 Projekte zur Mobilitätswende mochte am Donnerstag im Verkehrsausschuss des Kreistags niemand die Hand heben.
Die Politik
„Es ist ja noch gar nicht abzusehen, was das kosten könnte“, sagte Bernd-Dieter Ferger (CDU). „Insgesamt zu wenig konkret“ nannte Helmut Kaufmann (SPD) die Untersuchung. „Ein bisschen zaghaft, zu allgemein“, lautete das Urteil von Meike Menn (Grüne). Eine Sondersitzung der Fachausschüsse soll Klarheit bringen — nach dem Wunsch der Verwaltung möglichst bald, um die Finanzierung von Projekten vorzubereiten. Am liebsten erst im nächsten Frühjahr, meinte dagegen Bernd-Dieter Ferger (CDU). Immerhin sei der Beschluss für ein Mobilitätskonzept schon 2016 gefasst worden. „Da kommt es auf ein Vierteljahr auch nicht mehr an.“
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Die Analyse
„Sie kennen das“, sagte Dr. Katja Engelen, „wenn Sie Ihr Verhalten ändern wollen, benötigt das Zeit.“ Die Gutachterin vom Aachener Planungsbüro BSV legte eine Prognose vor: Bis 2030 könnte ein Rückgang des motorisierten Individualverkehrs um acht Prozent drin sein, zugleich eine Zunahme bei Radverkehr um vier und beim ÖPNV um drei Prozent. Die Analyse der Gegenwart überrascht kaum: Erst sechs Prozent aller Fahrzeuge sind mit „alternativen“ Antrieben ausgestattet; auf der anderen Seite tanken 59 Prozent der Pkw Dieselkraftstoff. Zu viel Auto, zu wenig Umweltverbund — wobei Siegen-Wittgenstein schlechter abschneidet als der Landesdurchschnitt: Nur vier Prozent aller Wege werden mit dem Fahrrad zurückgelegt, landesweit sind es zehn. Für 77 Prozent aller Wege wird das Auto benutzt, davon wiederum sind 31 Prozent kürzer als vier Kilometer. „Die könnten Sie durchaus mit dem Fahrrad zurücklegen“, stellte Dr. Katja Engelen fest, „daraus ergibt sich Handlungsbedarf.“
Das Fahrrad: 15 Prozent der Haushalte im Kreisgebiet haben Pedelecs. „Da sind Sie schon sehr gut aufgestellt“, sagte die Gutachterin — im Bundesschnitt beträgt die Pedelec-Dichte 8,3 Prozent. Den Unterschied dürfte die Topografie ausmachen. Zugleich erhöht aber der Elektroantrieb auch die Reichweite. Der Großteil der Berufspendler, so Dr. Engelen, fährt maximal 15 Kilometer weit: „Durchaus radfahrtauglich“. Die Befragungen und die Empfehlungen spiegeln allerdings, warum die Menschen sich anders entscheiden: Rad(schnell)wege, ein Netz von Ladestationen, Bike-and-Ride-Plätze – all das müsste noch geschaffen werden. Bei der Befragung zur Radverkehrsqualität kam die Durchschnittsnote 3,6 heraus, 24 Prozent vergaben die Schulnoten „5“ und „6“.
Schülerverkehr: ZWS ist zuversichtlich
Die Verkehrsbetriebe bekommen die Umstellungsprobleme mit dem Schülerverkehr, die durch den neuen Fahrplan ausgelöst wurden, in Griff. Die Anstrengungen, die die VWS unternähmen, seien „aller Ehren wert“, sagte Günter Padt, Geschäftsführer des Nahverkehrs-Zweckverbandes ZWS, „davor kann man nur den Hut ziehen.“
Der ÖPNV schneidet mit der Durchschnittsnote 3,4 nicht viel besser ab, 23 Prozent fanden ihn mangelhaft oder ungenügend. Auf den Wunschlisten stehen eine Mobilitäts-App, die alle Informationen und Instrumente zur Nutzung des öffentlichen Nahverkehrs bündelt, aber auch bessere Busverbindungen in den Abendstunden. Mit Vorsicht zu bewerten seien allerdings negative Urteile, die mit den Fahrpreisen begründet würden: Da könne es sein, dass Wenig-Fahrer die Möglichkeiten der Tariftabellen nicht durchschaut hätten. Da widersprach Ralf Knocke (Linke): Wenn ausschließlich die Viel-Fahrer gefragt worden wären, „wäre die Beurteilung wahrscheinlich noch schlechter ausgefallen.“