Siegen. . Machbar ist das Herausfiltern von Arzneimittelrückständen und Mikroplastik. Investition wird die Abwassergebühren um bis zu 30 Cent verteuern

Der Entsorgungsbetrieb der Stadt Siegen (ESi) bereitet sich darauf vor, die Kläranlage am Betriebshof Rinsenau in der Zukunft ein weiteres Mal zu erweitern. Derzeit beginnen die Arbeiten zur Umleitung der Kläranlage Weidenau nach Siegen (wir berichteten), Anlass war eine Verschärfung der Richtlinie, nach der weniger Stickstoff pro Liter in Gewässer eingeleitet werden darf. ESi-Betriebsleiter Ulrich Krüger geht davon aus, dass eine weitere Änderung die so genannte „Vierte Reinigungsstufe“ nötig machen könnte, mit Hilfe derer Mikroschadstoffe und Arzneimittelrückstände aus dem Abwasser gefiltert werden. Das geschieht unter anderem durch Aktivkohlefiltration.

Arzneimittelrückstände

Krüger hält es ohnehin für dringend erforderlich, sich mit dem Thema zu beschäftigen, „diese Rückstände, etwa von Antibiotika, bauen sich im Wasser nicht von selbst ab“, sagt er. Die zunehmende Resistenz gegen Antibiotika rühre auch daher, dass der ausgeschiedene Wirkstoff wieder im Trinkwasser lande. Das betreffe zum Beispiel auch den Wirkstoff der Anti-Baby-Pille: „Es soll Fischarten geben, bei denen die Männchen zeugungsunfähig sind – der Bedarf in unseren Gewässern ist da“, ist Krüger überzeugt.

Mikrokunststoffe

Auch winzige Plastikpartikel, Mikro- oder Nanokunststoffe genannt, werden in den Kläranlagen nicht herausgefiltert, „die sind überall drin“, sagt Krüger, in Zahnpasta beispielsweise. Die Kunststoffe lagern sich nicht nur in den Meeren an – Tiere nehmen die winzigen Partikel auf und können sie nicht weiterverdauen. Das kann dazu führen, dass das Plastik in den Mägen von Fischen zusammenklumpt und sie verenden.

Möglichkeiten

Der ESi hat bereits eine Machbarkeitsstudie durchgeführt, ob und wie sich die Vierte Reinigungsstufe in Siegen realisieren lässt. Nach dem Regierungswechsel in Nordrhein-Westfalen verfolgte die schwarz-gelbe Landesregierung das Thema zunächst nicht weiter, „aber ich bin sicher: Da kommt noch was“, sagt Ulrich Krüger.

Neuer Versorgungskanal

5,50 Meter tief im Erdreich liegt der Versorgungskanal, der auf dem ESi-Betriebsgelände derzeit gebaut wird und der die einzelnen Einrichtungen mit sämtlichen Leitungen – Wasser, Gas, Strom, EDV, ... – verbindet.

2,50 Meter Durchmesser hat der quadratische Tunnel, in dem die Leitungen auf Konsolen montiert verlaufen. Den Mitarbeitern erspart das bei Schäden die mühsame Suche nach dem Leck, per Aufgraben.

20 Kubikmeter Wasser pro Tag gingen bei einem Leck in der Heizungsleitung verloren, bis die Bruchstelle gefunden wäre. Muss künftig ein Rohr erneuert werden, wird es im Kanal erneuert, der vollständig begehbar ist.

Theoretisch wäre die Umsetzung sofort möglich, sagt der Betriebsleiter, „die Umwelt fordert das. Aber wir sind auch unseren Gebührenzahlern verpflichtet.“ Würde die Vierte Reinigungsstufe gebaut, wäre eine zusätzliche Belastung von 15 bis 30 Cent die Folge. „Wir können nicht freiwillig eine Anlage bauen, die zusätzliche Gebühren verursacht, zu der wir aber nicht gesetzlich verpflichtet sind“, sagt Krüger.

Der ESi sei bei einer entsprechenden Änderung jedenfalls bereit dazu: „Wir werden nicht warten, bis man uns die Daumenschrauben ansetzt.“ Die Bürger könnten sich darauf verlassen, dass geltende Umweltstandards frühzeitig eingehalten werden, „nicht erst, wenn wir dazu gezwungen werden.“ Aber ohne rechtliche Grundlage sei es eben schwierig.

Noch sinnvoller, als die Vierte Reinigungsstufe einzuführen, sei es allerdings, am anderen Ende anzusetzen, sagt Stephan Roth, ESi-Abteilungsleiter Planung: Also Stoffe wie Antibiotika zurückzuhalten und Nanokunststoffe möglichst nicht zu verwenden. Denn dann komme ein weiteres Ressourcen-Problem zum Tragen: Um das Abwasser von diesen eingeleiteten Substanzen vollständig zu reinigen, dafür gebe es kaum ausreichend Aktivkohle.

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