Siegen/Kreuztal. . Rechtsmedizinerin analysiert für das Landgericht Siegen die Verletzungen des Opfers. Der Niedergestochene schwebte nach der Tat in Lebensgefahr.

Erst kommt der Angeklagte nicht zum Prozess, dann ist seine ehemalige Lebensgefährtin nicht auffindbar. Sie war es, die im Mai 2017 den Notruf wählte, als ein Mann in ihrer Wohnung Messerstiche erlitt.

Ob es ihr damaliger Lebensgefährte war, der auf der Anklagebank sitzt, versucht das Siegener Landgericht in dem neu aufgerollten Prozess zu klären. Am Donnerstag, 9. August, haben weitere Zeugen ausgesagt.

Blutendes Opfer sitzt auf Motorhaube

Noch einmal schildern die am Einsatz beteiligten Beamten den Vorfall. Zwei Streifenwagenbesatzungen trafen in der Nacht kurz nacheinander am Tatort ein: Drei Männer standen etwas abseits des Hauses um einen BMW herum, auf der Motorhaube sitzt das blutende Opfer. „Alles war rot, wie ein schlechter Film“, sagt einer der Beamten. Seine Kollegin spricht den Geschädigten an, er kollabiert, sie alarmieren den Rettungsdienst.

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Ein weiterer Polizist sieht in einiger Entfernung den Angeklagten, der mit einem Fahrrad abhaut, sie stürmen hinterher, der Flüchtende gibt auf und lässt sich widerstandslos festnehmen. Die Polizisten durchsuchen die Wohnung, mehrere berichten von ihrem Eindruck, dass dort gewischt worden sei – im Flur finden sie Blutspuren. In der Spüle finden sie eine mögliche Tatwaffe: Ein Küchenmesser mit 20-Zentimeter-Klinge, noch Wassertropfen darauf. Die Lebensgefährtin sagt gar nichts zu dem Vorfall. Die Rettungskräfte finden in der Kleidung des Opfers ein Sprungmesser.

Angeklagter warf mit Stühlen und schlug mit Holzlatten

Vor Gericht hatten die Männer, zu denen das Opfer gehört, nicht allzu viel Erhellendes beigetragen, die Kammer stützt sich jetzt auf die Protokolle der Beamten: Die Gruppe, so sagten sie unmittelbar nach der Tat, fuhr mit dem Auto hin, das Opfer ging zunächst allein in die Wohnung, um einen Streit über Schulden zu klären. Als sie dann Schreie hörten, eilten zwei zu Hilfe, der Angeklagte kam vor die Tür, warf mit Stühlen und schlug mit Holzlatten, einer der drei schoss „aus Angst“ mit einer Schreckschusspistole, um die Situation zu beenden. Der Angeklagte verschwand wieder im Haus.

Mehr als fünf Wochen brauchte das Opfer zur Genesung. Der diensthabende Unfallchirurg des Krankenhauses schildert, wie der schwere Mann, leidlich stabilisiert von den Rettungskräften, unter Narkose und Beatmung behandelt wird. Mehrfach versuchen die Mediziner, den Mann aus dem künstlichen Koma zu holen, immer wieder kollabiert sein Kreislauf – auch, weil der Mann offenbar Alkoholiker war und der Entzug einsetzte.

Zu allem Überfluss hatte sich der Geschädigte eine Lungenentzündung eingehandelt, was Genesung und Behandlung weiter erschwerte. Der Mann sei wieder gesund, habe seither 70 Kilogramm abgenommen, alles funktioniere wieder, „aber es bestand auf jeden Fall Lebensgefahr“, sagt der Chirurg.

Klingen drang in den Rücken ein

Das bestätigt auch die Gutachterin, die anhand von Arztberichten und Fotos die Wunden analysierte. Die Klinge drang demnach im Rücken zehn bis zwölf Zentimeter ein, fast senkrecht, parallel zur Wirbelsäule. Die verschiedenen Einstichwinkel deuteten auf einen Kampf hin, „es war Bewegung im Spiel.“

Die Indizien deuteten darauf hin, dass Täter und Opfer einander eng umklammerten, der Täter mit dem Messer in der rechten Hand von oben auf Rücken und Flanke des Opfers einstach. Und das mit großer Wucht: Eine Rippe wurde durchstoßen und eben die Niere verletzt. Zwei Stiche durchdrangen Haut und Muskulatur nicht.

Mann aus Kreuzteil ist der Polizei bekannt

Der Mann ist den Kreuztaler Polizisten bekannt: Immer wieder hatten sie mit ihm zu tun, wegen Fahrens ohne Führerschein, seines aufbrausenden Verhaltens, häuslicher Gewalt. Nach mehrfachen Schwierigkeiten mit seiner Ex darf er die einst gemeinsame Wohnung nicht mehr betreten.

Seine Bewährungshelferin berichtet von diversen weiteren Anklagen, die nächste wegen Körperverletzung an seiner Ex – ein Racheakt, so sage er. Derzeit lebe der Mann in einer Obdachlosenunterkunft, könne seine Kinder nur stundenweise sehen, was ihn sehr belaste. Arbeit hat er nur sporadisch.

Auch wenn ihn sein Kokain-Konsum verändert habe, bestreitet der Mann die Vorwürfe. Eine positive Prognose sei sehr schwierig: Nicht nur wegen des Verständigungsproblems – der gebürtige Italiener spricht nur sehr gebrochen Deutsch –, sondern, weil erwiederholt neue Straftatenbegehe und schnell rückfällig werde.

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