Breitenbach. . Mathias Mebold ist Orgelbauer. In Breitenbach konzipiert und baut er die Königin der Instrumente, von der Truhen- bis zur gewaltigen Kirchenorgel
Nicht umsonst heißt sie die Königin der Instrumente. Eine Orgel ist ehrfurchtgebietend, schon allein ihre Größe, die komplexe Technik. Und dann der Klang: Wuchtig, strahlend, donnernd, säuselnd. Sie füllt große Räume mühelos aus, ihre Töne schweben in den Kirchen, begleiten Gemeinden beim Gebet. In einer Orgel verbinden sich technische Raffinesse, handwerkliches Können, musikalische Genialität. Ihre Erbauer sind Handwerker, Musiker, Ingenieure, Elektriker und Erfinder zugleich. Nicht umsonst wurde der deutsche Orgelbau zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt. 400 Orgelbauer gibt es in Deutschland. Einer von ihnen ist Mathias Mebold aus Breitenbach.
Der Deutsche Orgelbau
„Von hier sind viele Entwicklungen ausgegangen“, sagt Mebold. „So eine umfangreiche Tradition ist wirklich außergewöhnlich“ – das sehe man schon an der Vielzahl von Orgeln und Orgelbauern. „Nirgends gibt es so viele wie in Deutschland – in jeder kleinen Dorfkirche gibt es eine Orgel.“
Und sie bedeuten vielen Menschen etwas. Zu den Klängen der Instrumente wurden sie getauft, gefirmt, konfirmiert, verheiratet, haben sich von Angehörigen verabschiedet. „Und wenn es nur Weihnachten war“, sagt Mebold. Das Erhabene, der Facettenreichtum, brachial bis gefühlvoll — das alles kann man mit nur einem Instrument herstellen. Wer die Musik nicht mag, begeistert sich für die Technik. „Die Orgel gehört zur Kultur in Deutschland dazu“, findet Mebold. „Gut, dass die UNESCO uns in die Liste aufgenommen hat.“
Der Orgelbauer
Ein gutes Gehör, Klangvorstellungen, musikalisches Verständnis sollte ein Orgelbauer mitbringen. Selbst virtuos spielen muss er nicht können. Mathias Mebold spielt Gitarre. „Mein Vater sagte immer: Orgelbau ist zu 90 Prozent Handwerk. Es ist fast wichtiger, handwerklich begabt zu sein als musikalisch.“ Spezialisiert man sich auf den Bereich der Intonation, sind Musikalität und musikalisches Gehör aber unerlässlich. „Orgelbaugesellen reisen herum und schauen sich viele Betriebe an“, sagt Mebold. Bis sie sesshaft werden, sind sie meist einige Jahre unterwegs. Sein Vater war einige Zeit als Restaurator für Instrumente an einem Nürnberger Museum beschäftigt, Mathias Mebold führte sein Weg nach Schweden, ins Elsass, nach Ostfriesland.
Wegen des Geldes ergreift niemand den Beruf. „Es gehört eine gehörige Portion Begeisterung und Idealismus, Liebe zum Instrument dazu“, sagt Mebold. Wenn er ein altes Instrument notdürftig am Leben hält, das eigentlich das Potenzial hätte, wieder richtig zu strahlen – „das tut schon weh.“ „Diese Instrumente bedeuten etwas.“ Eine Orgel ist eine Herausforderung, auf vielen Ebenen. Das reizt ihn. Die Werkstatt hat Mebolds Vater, gebürtiger Siegerländer, gebaut. Der hatte sich 1976 in Marburg selbstständig gemacht , seine erste Werkstatt dort war ein umgebauter Stall. 1979 siedelten sie zurück nach Siegen um und Mebold senior erbaute 1986 das Werkstattgebäude. Im Orgelbau herrscht übrigens, wie in vielen Handwerksbetrieben, Fachkräftemangel. „Ich würde gerne Gesellen einstellen“, sagt Mebold. „Die Arbeit ist da.“ Personal leider nicht.
Die Bestandteile einer Orgel
Zinn, Leder, Blei, Filz, Holz. „Natürliche Materialien“, sagt Mebold, für die Langlebigkeit. Seit hunderten Jahren bewährt. Es gibt Orgeln, aus der Nachkriegszeit, damals kamen Kunststoffe auf – heute sind bei diesen Exemplaren die Weichmacher raus, das Material wurde porös. Heutige Kunststoffe sind besser, aber Mebold will sich nicht darauf verlassen.
„Eine qualitativ hochwertige Orgel aus natürlichem Material kann bei guter Pflege problemlos so alt werden wie historische Instrumente heute sind.“ Orgelbauer denken ohnehin in längeren Zeiträumen. „Es gibt noch viele alte Platinen in Instrumenten“, sagt Mebold, Spezialzulieferer halten solche Teile immer noch bereit.
Der Bau einer Orgel
Weil der Orgelbau ein so vielseitiger Beruf, das Instrument ein so hochkomplexer technischer Apparat ist, hat jeder Hersteller seine Philosophie.
„Die unterscheiden sich extrem“, sagt Mebold. Zwischen sehr traditionell, historisch orientiert und sehr modern in Sachen Klang, Konzept und Material gibt es zahllose Schattierungen. Manche neu gebauten Instrumente werden mit dem Blasebalg gezogen, andere mit dem Smartphone gesteuert. Mit einem Knopfdruck an der elektronischen Registersteuerung lassen sich komplett einprogrammierte Konzerte aufrufen.
Jedes Instrument ist ein Unikat, räumlich und klanglich abgestimmt auf den Ort, an dem es aufgebaut wird. Das Gehäuse, die Optik, ist das eine. Der Klang entsteht immer in den Pfeifen.
Bevor eine Orgel aufgestellt wird, baut Mebold sie spielfertig in seiner Werkstatt auf. Die Balkendecke lässt sich herausnehmen, den Raum bis zu sieben Metern Höhe erweitern. Zum Stimmen und Intonieren ist das wichtig, „es gibt dann immer ein kleines internes Konzert“, sagt Mebold. Dann wird die Orgel wieder zerlegt und am Bestimmungsort aufgebaut. Man muss sich im Vorfeld mit dem Raum auseinandersetzen. Mebold nimmt dann verschiedene Pfeifen mit, zur Probe: Wie entwickelt sich der Klang im Raum, welche Frequenzen werden gut wiedergegeben, welche geschluckt? Beeinflussen kann er das über das Material und den Aufbau der Pfeifen.
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„Bis es am Ende ans Intonieren geht, sind unglaublich viele Arbeitsschritte nötig“, sagt Mebold. Die Intonation ist das, was den Charakter einer Orgel ausmacht, das „Feintuning“ des gewaltigen Instruments. Schon Mebolds Vater hatte das immer selbst getan. Seit einigen Jahren führt Mathias Mebold dieses Erbe fort.
Eine Orgel lebt, verändert sich. „Wenn sie den ersten Winter überstanden hat, ist sie gut eingespielt.“ Wärme, Kälte, Trockenheit, Feuchtigkeit verändern die Bestandteile des Instruments, mitunter jahrhundertelang. Selbst wenn eine historische Orgel minutiös nachgebaut wird – aus diesem Grund klingt sie nicht wie das Original. Jede Orgel hat ein Eigenleben.
Das Geschäft mit den Orgeln
Der Neubau geht zurück, dafür brummt der Gebrauchtmarkt. Irgendwie logisch, wenn Kirchen eher entwidmet als neu gebaut werden. Und für den Heimgebrauch sind Orgeln kaum mehr gefragt. „Klar kann man sie auch für ein normales Zimmer bauen und intonieren“, sagt Mebold. „Auch. wenn die Akustik meist zu trocken ist.“ Eine Orgel klingt eben am prächtigsten in einer Kirche.
Im Siegener Raum hat die Werkstatt Mebold zum Beispiel eine Orgel aus Gelsenkirchen in Deuz wieder aufgebaut, die in Stift Keppel restauriert, die in St. Josef Weidenau umgebaut, in das Originalgehäuse der Geisweider Talkirche ein neues Instrument gebaut.
Mebold arbeitet bislang meistens in einem Umkreis von rund 200 Kilometern. Nicht selten bauen Orgelbauer aber auch bundes- oder sogar weltweit. Mebold hat sich neben dem Neubau auch auf die Restaurierung und den Erhalt alter Instrumente spezialisiert. Gut laufen auch sogenannte Truhenorgeln, die in einen Kombi-Kofferraum passen. Sie werden häufig genutzt, um zum Beispiel Chöre zu begleiten.
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