Siegen. . 1000 hören Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht auf dem Kornmarkt. Eine Dreiviertelstunde über Arbeit und Rente, armes und reiches Leben

Zwei Frauen haben die größten Auftritte in diesem Bundestagswahlkampf in Siegen. Am 14. August die Kanzlerin. Angela Merkel, die ziemlich sicher ist, dass sie Kanzlerin bleibt. Gut einen Monat später die Oppositionsführerin. Sahra Wagenknecht, Fraktionsvorsitzende und Spitzenkandidatin der Linken, der gerade in den Umfragen vor allem die AfD den Rang streitig macht. 2500 bis 3000 waren bei Angela Merkel auf dem Scheiner-Platz. 1000, schätzt Linken-Kreisgeschäftsführer Martin Gräbener, sind an diesem Montag auf dem Kornmarkt. Das sind viele.

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Es ist kühl geworden, um die 13 Grad kälter als bei dem Merkel-Besuch vor einem Monat. Die Spitzenfrau der Linken ist nicht zum Wohlfühlen da. Sahra Wagenknecht, 48, kommt auch zu ihrem dritten Auftritt an diesem Tag pünktlich, mit dem Auto und mit kleinerer Eskorte als die 15 Jahre ältere Frau aus dem Kanzleramt, die sie gleich in den politischen Ruhestand wünschen wird. Genug der Vergleiche.

Die Spitzenkandidatin im schwarzen Sommermantel braucht keine Zeit zum Eingewöhnen, keine lange Begrüßung durch örtliche Parteifreunde. Sie legt sofort los, gut 45 Minuten lang ohne Manuskript. Lächeln wird sie auf der Bühne nur einmal. Zum Schluss, als sie gemeinsam mit Sylvia Gabelmann, der Wahlkreiskandidatin, mit einem Blumenstrauß verabschiedet wird.

Erinnerung an Willy Brandt

Es gibt keinen Grund zum Wohlfühlen. Das hat vorher Sabine Reuter klar gemacht. Seit 2013 ist die Krankenschwester für die Initiative „Pflege am Boden“ aktiv. Kein Grund zum Wohlfühlen: Das vermittelt Anita Beyer vom Aktionsbündnis Friedensbewegung Südwestfalen. Und Peter Döbbener mit Liedern über den kleinen Mann, der immer die Zeche zahlt.

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Plakate und Transparente. Sahra Wagenknecht schaut auf dem Kornmarkt auf die Slogans der eigenen Parteifreunde, der verbündeten Initiativen. Auf den stummen Protest der Gehörlosen, für die Linken keinen Dolmetscher bestellt haben, auf die unernsten Leute von der „Partei“, auf das „FCKAfD“. Die ersten Angriffe gelten den Slogans, die hier nicht zu sehen sind: Die von der CDU, die für die propagierten guten Löhne doch „bisher keinen Finger gerührt“ habe. Die von der SPD, die sich den Rentnern zuwende, obwohl sie doch „viele alte Menschen unglücklich gemacht“ habe.

Den Vorwurf des Zynismus, das „Skandal“-Etikett – sie gibt es mehrfach. Wenn es um Leiharbeit und Mindestlohn geht, um Vermögenssteuer und „Riester-Schwachsinn“, um Waffenexporte und Parteispenden. Nicht, dass bei diesen Feststellungen über eine kalt gewordene Welt die Stimmung unterkühlt wäre.

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Lebhaften Beifall gibt es für Sahra Wagenknechts Reverenz an die Leistungsträger, die für sie die Menschen sind, die unterrichten, betreuen, pflegen. Jubel für den Gruß an die „lieben Millionäre“, die nach Möglichkeiten der Geldanlage suchen: „Die Linke nimmt Ihnen diese Sorge.“ Und bei der Erinnerung an Willy Brandt und seine SPD, aus deren Reihen mancher zu den Linken gefunden hat: „Wie habt ihr euch verändert.“

Zügig ist Wagenknecht wieder weg

Zügig ist Sahra Wagenknecht nach dem Verabschiedungsfoto wieder weg. Martin Gräbener bittet die Ordner um ihre Warnwesten und die Parteifreunde um Hilfe beim Abbau der Bühne. Nicht nur 26 bis 30 Prozentpunkte in den Umfragen trennen die Parteien von Merkel und Wagenknecht.

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