Siegen. . Als Komiker im Siegener Kulturhaus Lÿz hat Guido Müller keine Angst vor der großen Bühne – er will für die FDP in den Düsseldorfer Landtag.

Der Kandidat Guido Müller empfängt mich in seinem Büro in dem Haus, in dem er auch wohnt. Mit Frau und Kind lebt er im Erdgeschoss, die obere Etage teilt er sich mit zwei Studenten. Vom Schreibtisch kann Müller auf den Rosterberg schauen, die Siegerlandhalle.

Im Besprechungszimmer seines Büros lehnen Wahlplakate; Müller hat wie Parteichef Christian Lindner Szenenfotos als Motiv gewählt, nicht nur sein Portrait. „Einfach mal zuhören“, steht da, Müller im Gespräch, schwarz-weiß.

Die Kandidatur

Dann erzählen Sie mal, Herr Müller.

Wer mit Jens Kamieth oder Tanja Wagener zufrieden sei, der solle sie wählen, hatte Müller in seiner Wahlkampfrede gesagt. Und wenn nicht – „ich würde mich über Erststimmen freuen“, sagt er, grinst und betont, dass der Einzug in den Landtag für ihn ja gar nicht so sehr an erster Stelle stehe. „Im Juni werden wir zum zweiten Mal Eltern, die Familie ist wichtiger.“

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Warum er dann Kandidat geworden sei? „Weil ich eine der lauteren Stimmen bei den Liberalen bin.“ Weil er den Wiederaufstieg der FDP will, weil es an der Zeit ist, dass die Berufspolitiker, die sonst keine Arbeitserfahrung hätten, mal abgelöst gehörten.

Die FDP

Wofür steht die FDP eigentlich; jetzt, da sie umworben und für mögliche Koalitions-Farbenspiele ins Rennen gebracht wird? „Ich hoffe, wir sind nicht sozialliberaler geworden“, sagt Müller, „ich stehe dafür jedenfalls nicht.“ Das Grundsatzprogramm der Partei habe sich jedenfalls nicht geändert, „das ist noch das gleiche wie unter Rösler.“ Jedenfalls habe man sich in Siegen-Wittgenstein nicht gedreht und gewendet, wie es der FDP häufig vorgeworfen wird.

Aber Schwamm drüber, ein Problem der Außenwirkung der Partei, findet Müller, der selbstständige Kommunikationsprofi, man habe aus Fehlern gelernt. Die FDP hat sich jünger, hipper aufgestellt, Müller versteht es, diese Schiene zu bedienen. Wahrscheinlich auch seinen Kabarett-Auftritten als Guido Fliege geschuldet, er weiß halt, wie man Pointen platziert.

Da steht er zwar nur noch selten auf der Bühne, in der Weihnachtsshow im Lyz Mix Varieté, aber gelernt ist gelernt, der Kreistag kann auch eine Bühne bieten. „Je weniger Text ich habe, desto weniger kann ich vergessen“, sagt Müller, der von sich sagt, Reden meist frei zu halten. Und er sei ja auch weniger Kabarettist, eher Komiker.

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In der dritten Klasse stand er das erste Mal auf einer Bühne, als dritter Hirte im Krippenspiel. Den Satz kann Müller noch: „Wir wollen folgen jenem Stern und loben Gott den Herrn.“

Bei der Kommunalwahl holten die hiesigen Freidemokraten das beste Ergebnis in Westfalen, „weil wir glaubwürdig waren“, sagt Müller, weil er nicht von der Politik lebe, sondern weil die Wähler den Guido kennen, vom Kabarett, durch seine Arbeit, aus dem Turnverein. „Die haben mich gewählt, obwohl ich FDP bin.“

Heute ist die Partei wieder gefragt. „Im Monatsschnitt haben wir sechs bis sieben neue Mitglieder“, sagt Müller, die Partei sei jünger geworden, eine gute Mischung mit den älteren, erfahreneren. Man unternimmt auch privat was unter Parteifreunden, geht auf Weinproben, macht Kochkurse, trifft sich regelmäßig.

Die politischen Gegner

Dann holt er aus, gegen den politischen Gegner. Dass alle Busstrecken 15 Mal am Tag fahren, könne man fordern – man müsse es halt nur irgendwie bezahlen.

„Der Machtwechsel nach einer bestimmten Zeit macht Sinn“, findet Müller und Rot-Grün in NRW habe die Zeit erreicht. Die Grünen im freien Fall, die FDP im Aufwind – aber „sozialliberal nur, wenn die Inhalte stimmen.“

Die Ziele im Wahlkreis

Und die Region? Die Energiewende ist sein Thema. Noch so ein grünes Thema, das die grüne Partei längst nicht mehr allein gepachtet hat; den Sinn von Windrädern in Mittelgebirgen bezweifelt Guido Müller – „Naherholung ist besser als um ein Windrad zu spazieren“ –, aber Wasser- und Gasspeicher, Trassenbau: „Die Energiewende ist ein Volksprojekt“, sagt er. Es brauche eine Reserve, die man bei Bedarf schnell hochfahren könne, auch für die Industrie.

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G9, auch ein Thema, bei dem die Emotionen schnell hochkochen. „Kinder sollen ab 16 Uhr die Chance haben, in den Verein zu gehen, man muss nicht in acht Jahren durch die Schule geprügelt werden“, sagt der Vorsitzende des TV Jahn Siegen.

Achja, Schulpolitik: „Inklusion ist ein hehres Ziel, aber dann muss man auch wirklich den Geldtopf aufmachen. So kann man nur alle zwei Jahre an einer Schule einen Fahrstuhl bauen.“ Wo wir grade beim Geld sind: „Die Generationen nach uns sollten auch Gelegenheit haben, Politik zu gestalten“, sagt der Familienvater. Er habe immer versucht so zu leben: Erst erwirtschaften, dann ausgeben.

Familie im Fokus

Als Student in den 90ern waren die Jungen Liberalen nicht so Müllers Ding, als dann aber beim Uni-Streik der AStA „sehr linke Reden“ hielt, ging Müller nach vorne und hielt dagegen. „Ich hab’ damals schon Kabarett gemacht, ich hatte keine Angst, vor den Leuten zu stehen.“ Und er merkte, dass er keine Einzelmeinung vertrat.

Er stieg auf bei der Liberalen Hochschulgruppe LHG, wurde Bundespressesprecher, 1999 sachkundiger Bürger im Verkehrsausschuss des Kreises. „In meiner ersten Sitzung bekam ich hämische Reaktionen, weil ich gesagt hatte, dass ich die Vorlage nicht verstehe“, erzählt er.

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Sein erstes eigenes Auto hatte sich Müller mit der Arbeit neben der Schule verdient. An der Uni war er Mitglied einer Studentenverbindung, wohnte zuhause und jobbte jeden Vormittag beim Arbeitsamt. Zusätzlich PR-Studium in Köln, dann Agentur-Job — „anstrengend“, sagt Müller, der irgendwann merkte, dass er so seine Tochter nicht um 18 Uhr baden kann und dass er auch sein eigenes Ding machen kann. „Wenn ich das heute will, mache ich das und setze mich danach wieder an den Text.“ Er will seine Kinder aufwachsen sehen.

Das ändert Perspektiven, auch politische. „Man versteht grüne und christliche Politik“, auch deswegen ist die Energiewende ein Lieblingsthema. So wie die Frotzelein über Wittgenstein ein Lieblingsthema seiner Kabarettauftritte sind. Müller beschäftigt sich gerade mit seinem Stammbaum und stellte dabei fest, dass ein Großteil seiner Familie seit Jahrhunderten in Feudingen ansässig war. Müller grinst. „Dat schickt nicht.“

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