Dreis-Tiefenbach. . Der Assistenzhund erleichtert den Alltag seiner Besitzerin aus Dreis-Tiefenbach und schafft Berührungspunkte mit Sehenden.
Verschlafen liegt Nellie in ihrem Körbchen im Wohnzimmer. Ihr Kopf ruht auf einem Kissen. Zuhause bedeutet Freizeit. Zuhause heißt kuscheln und entspannen mit Frauchen.
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Nellies Job ist für Halterin Natalie Geese extrem wichtig. Die zehn Jahre alte Hündin ist Blindenführhund und sorgt dafür, dass die Frau immer sicher unterwegs ist. Die 34-Jährige kann nur zwischen Hell und Dunkel unterscheiden und gilt seit ihrer Geburt als blind. Nellie ist ihr dritter Assistenzhund, lebt seit acht Jahren bei ihr und wurde am Bodensee ausgebildet. Nellie ist Familienmitglied.
Geradeaus laufen
Und macht kann das Tier besonders? „Sie kann geradeaus laufen. Das klingt für Sehende banal, ist aber sehr wichtig“, sagt Natalie Geese. Denn mit anderen Mobilitätshilfen wie dem Langstock muss sich die 34-Jährige immer an Rändern orientieren. „Und bei Schnee sind zum Beispiel keine Linien da. Ein Hund entlastet da sehr.“ Nellie lasse sich nicht durch andere Hunde oder spannende Gerüche ablenken.
Während ein Stock an jedem Hindernis anecke, könne Nellie nicht nur ausweichen, sondern auch eigenständig Wege zu bekannten Orten finden. „Als die große Baustelle am Weidenauer Bahnhof war, bin ich aus dem Bus ausgestiegen und habe gemerkt, dass etwas anders war“, erinnert sich Geese. Nellie habe sie dann souverän durch die Baustelle bis zum Stamm-Supermarkt geführt – ohne jede Hilfe. So etwas funktioniere besonders bei jenen Orten gut, die der Retriever gern besucht, so Geese. So habe sie der Vorgänger von Nellie früher auch manchmal am Siegener Bahnhof zu einer bekannten Fastfood-Kette gelotst – da roch es eben lecker. „Die haben auch eigene Ideen, wo es hingehen soll.“
Das Kommando „Such Zuhause“ funktioniere beispielsweise ab einer gewissen Entfernung gut. Aber auch Nahziele wie Ein- und Ausgänge oder Masten kann das Tier finden und anzeigen.
Widersetzen
Anders als bei anderen Hunden bekommt Nellie keine Befehle von Frauchen, sondern Hörzeichen. „Das heißt, sie darf sich auch widersetzen“, erklärt Natalie Geese. Das kann im Ernstfall schlimme Unfälle verhindern. Denn die 34-Jährige gibt den Weg vor und navigiert den Hund im Alltag ans Ziel. Doch bei unvorhergesehenen Hindernissen oder Abgründen, die Natalie Geese nicht sieht, muss das Tier einen starken Charakter beweisen und den vorgegebenen Weg verweigern – um eine Alternativlösung zu präsentieren. Das ist nicht einfach und einer der Gründe, weshalb viele Hunde an der intensiven Ausbildung scheitern.
Grenzen
„Ampelfarben kann sie aber definitiv nicht erkennen“, sagt Geese. „Das wäre auch zu viel Verantwortung.“ Deshalb muss die Frau bei Straßenübergängen oft Passanten um Hilfe bitten. Denn nicht alle Anlagen machten Geräusche oder vibrieren.
„Wir sind weit davon entfernt, den Inklusionsgedanken zu leben“, so Geese. Oft seien es die kleinen Dinge, die den Alltag erschweren: Mülleimer oder Autos auf den Gehwegen, sodass Geese mit Nellie auf die Straße ausweichen müsse.„Ich bin mal in den Bus gestiegen und habe nach der Linie gefragt“, so Geese. Der Fahrer habe geantwortet, dass die Linie doch auf dem Bus stehe.
Rechte
„Nellie sollte überall rein dürfen, wo Menschen auch hindürfen, außer in die Quarantäne natürlich.“ Denn das Tier hat laut Gesetz Sonderrechte und wird von der Krankenkasse bezahlt. Doch die Realität sieht manchmal anders aus: Einmal sei Geese mit dem Blindenführhund sogar aus einer Augenarztpraxis geflogen. Erschütternd.
Doch es gebe auch positive Beispiele wie das Weidenauer Krankenhaus, bei dem Natalie Geese telefonisch angefragt und sofort Zugang bekommen hat. Zudem sei der Hund immer ein Gesprächsthema – anders als der Langstock. „Die Leute trauen sich eher einen anzusprechen.“
Geese wünscht sich, dass der Assistenzhund einfach akzeptiert wird. „Immer die ganze Krankheitsgeschichte darlegen zu müssen, ist Quatsch.“
Regeln
Bei der Arbeit trägt der Hund ein spezielles Geschirr sowie eine Leine. „Es passiert oft, dass Menschen mich oder den Hund einfach anfassen und irgendwo hinziehen.“ Wenn Nellie im Dienst ist, sollten Passanten sie weder ansprechen noch anfassen. Denn das Tier muss sehr konzentriert arbeiten. Auch auf das Füttern sollte verzichtet werden, denn Nellie hat eine Futtermittelallergie.
Auf ein Zeichen steht die Hunde-oma auf. Bald wird sie in Rente gehen, doch nun braucht ihr Frauchen Unterstützung. Langsam streift Geese der Hündin das Geschirr über. Dann geht es hinaus in die weite Welt.
Auf ein Zeichen steht die Hunde-Oma auf. Bald wird sie in Rente gehen, doch nun braucht ihr Frauchen Unterstützung. Langsam streift Geese der Hündin das Geschirr über. Dann geht es hinaus in die weite Welt.
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