Siegen. . Brücke übernimmt mit Training zur Vermeidung häuslicher Gewalt und psychosozialer Prozessbegleitung neue Aufgabenbereiche.

  • Neue Projekte: Training zur Vermeidung häuslicher Gewalt und psychosoziale Prozessbegleitung
  • Ziel des Trainings ist, dass Teilnehmer Verhalten ändern, Gewalt beenden und neue Übergriffe vermeiden
  • Prozessbegleitung, um Opfer schwerer Straftaten zum Beispiel zu Gerichtsverhandlungen zu begleiten

Gerade erst ist der Verein „Brücke Siegen“ mit veränderten betriebswirtschaftlichen Strukturen und verkleinertem Team erfolgreich aus dem Insolvenzverfahren heraus – und übernimmt im neuen Jahr mit einem Training zur Vermeidung häuslicher Gewalt und der psychosozialen Prozessbegleitung zwei neue Aufgabenbereiche.

Gewalt gegen Frauen

Er ist gerade erst zur Tür reingekommen. Seine Frau wartet schon auf ihn. Sie ist sauer. Er hat wiedermal vergessen, die Kinder von der Schule abzuholen, sich stattdessen mit seinen Freunden getroffen. Er fühlt sich provoziert, wird wütend, schlägt zu – wie so oft.


An Männer, die ihre Partnerin physisch oder psychisch schädigen richtet sich das Training zur Vermeidung häuslicher Gewalt. „Nach den viel diskutierten Ereignissen der Kölner Silvesternacht hat das Justizministerium seine Zuschüsse für Täterarbeit ausgeweitet – vor allem zur Vermeidung häuslicher Gewalt“, sagt Silke Menn-Quast, Geschäftsführerin des Vereins. Sie habe daraufhin einen Antrag auf die Zuwendung des Ministeriums gestellt, im Oktober 2016 startete das neue Trainingsprogramm. Mittlerweile arbeitet der Verein bereits mit vier Männern.

Teilnehmer

„Entweder werden uns die Teilnehmer von der Justiz mit Auflagen zugewiesen, oder aber Beratungsstellen, soziale Dienste, Jugendamt, Polizei und Familienrichter sprechen Empfehlungen aus“, so Menn-Quast. Auch Selbstmelder können an dem Training teilnehmen. Tateingeständnis, der Wille den Gewaltkreislauf zu durchbrechen, ausreichende Sprachkenntnisse und die regelmäßige Teilnahme sind unter anderem Zugangsvoraussetzungen.

Team

Nicole Sigmund ist Sozialpädagogin und hauptamtlich für die Brücke tätig, derzeit macht sie die Ausbildung zur Trainerin gegen häusliche Gewalt. Gemeinsam mit zwei männlichen Honorarkräften von außerhalb betreut sie das Programm – „weil das Team gemischt sein muss“, erklärt Menn-Quast. „Das ist wichtig, weil den Teilnehmern so ein anderes Geschlechterrollenbild vermittelt werden kann als das, was sie gewohnt sind“, ergänzt Rainer Klein. Er ist Sozialarbeiter mit Zusatzausbildung zum Gewalttrainer und führt seit zehn Jahren Maßnahmen gegen häusliche Gewalt durch – als Honorarkraft unterstützt er das Training des Siegener Vereins.

Training

„Erstmal gibt es vier bis fünf Einzelgespräche mit den Männern“, so Menn-Quast. Gewaltverzichtsvereinbarung oder in manchen Fällen auch Schweigepflichtsentbindungen müssten unterschrieben werden. „Die Stelle, die das Training durchführt, hält auch immer engen Kontakt zu involvierten Beratungsstellen, zur Justiz oder zum Jugendamt“, erklärt Rainer Klein. Auch mit den Partnerinnen der Teilnehmer arbeitet das Team zusammen. „Sie können sich jederzeit Informationen holen, ob der Partner abbricht und teilnimmt“, so Klein. Auch um die Frauen warnen zu können, sei der Kontakt wichtig, „wenn der Mann plant, der Frau etwas anzutun“.

In der an die Einzelgespräche anknüpfenden Gruppenphase arbeiten die Teilnehmer in mindestens 25 Sitzungen à zwei Stunden mit Rollenspielen, Diskussionsrunden oder Filmsequenzen ihr Gewaltverhalten auf. „In den Sitzungen geht es beispielsweise um den Gewaltbegriff, die Schilderung des eigenen Gewaltverhaltens, Verantwortung, Schuld oder das Männer- und Frauenbild“, erläutert Menn-Quast. Bei dem Training gehe es auch darum, Alternativen und gewaltfreie Handlungsstrategien zu entwickeln – Notfallpläne, an denen sich die Teilnehmer in Konfliktsituationen orientieren können. Kommunikation und ein kontrollierter Dialog seien in diesem Zusammenhang wichtig, so Menn-Quast. Ziel des Trainings ist, dass die Teilnehmer ihr Verhalten ändern, die Gewalt beenden und neue Übergriffe vermeiden.


Er fühlt sich provoziert, wird wütend, schnappt sich seine Jacke – und geht für eineinhalb Stunden spazieren. Er hat sich beruhigt, kehrt zurück zu seiner Frau und sucht das Gespräch mit ihr.

Begleitung

„Seit dem 1. Januar 2017 gibt es ein Gesetz, das vorsieht, dass jedes Opfer einer schweren Straftat das Recht hat, einen Antrag auf psychosoziale Prozessbegleitung zu stellen“, sagt Menn-Quast. Dabei gehe es darum, Opfer zum Beispiel zu Gerichtsverhandlungen zu begleiten, für sie Organisatorisches zu regeln oder auch Kontakt zu Beratungsstellen herzustellen. „Die Begleitung hat weder etwas mit Rechtsberatung noch mit einer therapeutischen Beratung zu tun“, betont Menn-Quast. Sie dürfe mit dem Opfer nicht über die Tat sprechen. Menn-Quast absolviert derzeit die Zusatzausbildung zur psychosozialen Prozessbegleiterin.

Finanzierung und Eigenanteil

  • Der Verein „Brücke Siegen“ bringt für seine Projekte jährlich einen E igenanteil von 40 000 bis 50 000 Euro auf.
  • Die Ausbildungen, die Silke Menn-Quast und Nicole Sigmund derzeit absolvieren, finanziert der Verein selbst.Die Lokalredaktion Siegen ist auch auf Facebook.