Siegen. . Felix Hensel, der Sauerländer an der Spitze der IHK Siegen, über das Griechenland-Problem und den notwendigen Bürokratie-Abbau für die Unternehmen.

Das Gesicht der Industrie- und Handelskammer Siegen hat sich verändert - jedenfalls, was das Personal an der Spitze angeht: Dem Duo Klaus Vetter (Präsident) und Franz-Josef Mockenhaupt (Hauptgeschäftsführer) sind der Lennestädter Elektrounternehmer Felix Hensel (68) im Ehrenamt und Klaus Gräbener (55) in der Führung der Verwaltung gefolgt.

Der neue Präsident steht für Kontinuität, will aber beim Bürokratieabbau Akzente setzen. Wir sprachen mit ihm über alte und neue Herausforderungen.

Sie sind erst der zweite Präsident der IHK Siegen, der aus dem Kreis Olpe und damit aus dem Sauerland stammt. Haben Sie am Anfang gefremdelt?

Felix Hensel: Nein, eigentlich nicht. Das Siegerland und seine Mentalität ist mir seit meiner Banklehre 1964 bis 1966 und dem späteren Besuch der Universität in Siegen vertraut. 1979 hat unsere Unternehmensgruppe ja auch ein Werk in der Stadt übernommen.

Dem Sauerländer und dem Siegerländer werden unterschiedliche Mentalitäten nachgesagt.

Hensel: Das ist heute nicht mehr so extrem, da hat sich vieles angeglichen. Was mir aber auffällt, ist die etwas andere Führungskultur in Siegerländer Unternehmen - zuweilen habe ich den Eindruck, dass es in manchen Betrieben im Kreis Olpe etwas familiärer zugeht.

War Ihr Weg an die Unternehmensspitze vorgezeichnet?

Hensel: Ich bin da hineingewachsen. Es ging alles sehr schnell. Nach Absprache mit meinem Vater war ich 1974 bereit - eine große Herausforderung, mit 28 Jahren persönlich haftender Gesellschafter zu sein. Mein Vater war damals schon nicht mehr gesund, und es begann die erste richtige Rezession - nach Ölpreisschock und autofreien Sonntagen.

Wie sieht es mit der Zukunft aus. Setzen Sie als IHK-Präsident auf Kontinuität oder Wandel?

Hensel: Es ist nach der Präsidentschaft von Klaus Vetter schwer, völlig neue Akzente zu setzen - man kann die Welt nicht neu erfinden. Was wir jetzt vor allen Dingen wollen, ist, auf unnötige Bürokratie aufmerksam zu machen, die den Unternehmen das Wirtschaften erschwert - ich könnte da einige Gesetze der Berliner Regierungskoalition aus jüngerer Zeit aufzählen. Sonntags wird Bürokratieabbau gepredigt und montags das Gegenteil praktiziert.

Und wo führen Sie das Bohren dicker Bretter fort?

Hensel: Die Verbesserung der Verkehrs-Infrastruktur hat Priorität, der sechsspurige Aus- und Neubau der A45 auch für den Schwerlastverkehr aus unserer Region an erster Stelle, Das Thema ist für Walzenhersteller und Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus, die Lasten von mehreren hundert Tonnen zu ihren Kunden transportieren müssen, existenzbedrohend. Gleichrangig stehen die Erneuerung der Ruhr-Sieg-Strecke auf der Schiene und der Breitband-Ausbau auf dem Land.

Kann das eine IHK allein stemmen?

Hensel: Nein, die Infrastrukturprojekte bearbeiten wir in engem Schulterschluss mit unseren Nachbarkammern, auch wegen des finanziellen Engagements. Dies gilt im übrigen auch beim Schwerlastverkehr.

Wie sieht es mit dem demografischen Wandel und dem absehbaren Mangel an Facharbeitern aus? Dieses Thema betrifft Südwestfalen mehr als andere Regionen in NRW.

Hensel: Es beschäftigt uns stärker als in der Vergangenheit. Da müssen wir die Schlagzahl noch erhöhen. Da gilt es auf allen Kanälen aktiv zu sein. Der Anteil der Studierenden ist viel größer geworden - heute studiert fast die Hälfte der Abiturienten - und wir müssen die Abbrecher einfangen. Und sonst sollte die Karriere mit einer soliden Ausbildung beginnen. Studieren kann man dann immer noch. Um eine Zahl zu nennen: Prognosen zufolge verliert der IHK-Bezirk bis 2030 mehr als 23 000 von 150 000 Arbeitskräften. 23000 - das ist mehr als die komplette Industrie im Kreis Olpe Beschäftigte hat.

Die IHK Siegen spricht im Kampf gegen den Fachkräftemangel alle an: Frauen, ausländische Uni-Absolventen, Migranten. Fehlt jemand?

Hensel: Es gibt zur Zuwanderung keine Alternative. Flüchtlinge sind eine interessante Zielgruppe. Dieses Thema rückt näher, und wir kümmern uns ganz bewusst darum. Im April findet dazu ein Pilotprojekt statt. Die jungen Flüchtlinge, die willens und fähig sind, dürfen nicht in Heimen versauern, dieses Reservoir müssen wir ausschöpfen. Das gilt auch für junge Leute aus dem Ruhrgebiet - der Region mit der landesweit höchsten Arbeitslosenquote. Es wäre schade, wenn die im Extremfall den Rest ihres Lebens von Hartz IV leben müssten.

Sie sind als Unternehmer auf den Weltmärkten aktiv. Wie beurteilen Sie den Sinkflug des Euros?

Hensel: Der Euro steckt in Schwierigkeiten. Ich kann nur hoffen, dass die politischen Entscheidungsträger jetzt richtig handeln. Wenn EZB-Präsident Draghi jetzt Milliarden in die Märkte pumpt, ist das brandgefährlich und trägt nicht zur Stabilisierung des Euros bei. Und was Griechenland angeht: Ein Ausstieg der Griechen aus dem Euro wäre heute keine Katastrophe mehr. Er wäre jedenfalls ein kleineres Übel als noch vor Jahren. Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende.