Siegen. . Trotz robuster Konjunktur und der guten regionalen Situation am Arbeitsmarkt scheint die Stimmung vieler Unternehmen in Siegen-Wittgenstein und Olpe verunsicherter zu sein als es den Anschein hatte.

„Zu widersprüchlich sind die Signale, die die regionale Wirtschaft derzeit von den Märkten empfängt. Die Stimmung scheint diffus, ein wenig unsicher“, sagte der Präsident der IHK Siegen, Felix G. Hensel, beim Jahresempfang der Kammeram Montagabend in der Siegerlandhalle.

Investitionszurückhaltung

Vor mehr als 1400 Gästen aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft, die gespannt auf den Gastredner Franz Müntefering warteten, sprach Hensel in seiner Vorrede von „großen Unsicherheiten“ in der heimischen Wirtschaft - der Auftragseingang zahlreicher Unternehmen schwächele, darüber hinaus gebe es eine deutliche Zurückhaltung bei den Inlandsinvestitionen. Damit beschrieb der IHK-Präsident Lage und Aussichten negativer als dies zuvor in Analysen anderer Experten in der Region zum Ausdruck gekommen war. Grund mag die starke Exportorientierung der im Maschinen- und Anlagenbau tätigen Betriebe im IHK-Bezirk sein - und damit die stärkere Abhängigkeit von weltpolitischen Verwerfungen. Die Krisen im Nahen Osten, Millionen Flüchtlinge, Spannungen zwischen Russland und dem Westen, die neuen politischen Verhältnisse in Griechenland - Hensel ließ nichts aus: „Hätten Sie vor einem Jahr gedacht, dass wir jetzt wieder Krieg in Europa haben?“

Wirtschaftliche Entwicklung hängt seiner Ansicht nach von politischer Stabilität ab – „gerade in unserer Region, die rund 44 Prozent ihrer industriellen Wirtschaftsleistung in Drittstaaten exportiert. Brennt es in diesen Ländern, kann uns dies folglich nicht kalt lassen.“ Ein dickes und auf Jahresempfängen der regionalen Industrie- und Handelskammern nicht oft gehörtes Lob für die Politik schob Hensel nach, allerdings nur für außenpolitische Weitsicht: „Ich finde, dass die Bundeskanzlerin und ihr Außenminister dort eine exzellente Figur abgeben.“

Das war es aber auch schon mit den Nettigkeiten. Innenpolitisch stellte Hensel den Verantwortlichen in Berlin und Düsseldorf geradezu ein verheerendes Zeugnis aus: Maut - Irrungen und Wirrungen, „ein Bürokratiemonster erster Kategorie“, das von der EU-Kommission hoffentlich schon im Ansatz gekippt werde. Für den Erfinder Mautvorschläge, Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), hatte der IHK-Präsident nur Spott übrig, ließ aber den großen Altmeister des Humors, Eugen Roth, sprechen: „Vom Ernst des Lebens halb verschont ist der schon, der in München wohnt.“

In in die Nothaushalte getrieben

Finanzausgleich innerhalb des Landes NRW - treibt auch die solidesten Kommunen in die Nothaushalte und zerstört jeden Sparwillen. So wolle Kirchhundem die Gewerbesteuer um 100 Punkte erhöhen, Netphen, Drolshagen, Wenden, Hilchenbach und andere hätten bereits erhöht. Das Rentenpaket - neue Privilegien für einzelne Jahrgänge und ansonsten unbezahlbar.

Der alte Fahrensmann Franz Müntefering, gerade 75 geworden und aktuell ohne politische Ämter, wollte sich nicht mehr in die aktuelle Tagespolitik einmischen: Gegen die drohende Überalterung Südwestfalens empfahl er, mehr Kinder in die Welt zu setzen. Und mahnte die Unternehmer: „Wir müssen den jungen Leuten mehr berufliche Sicherheit geben.“

Eines der Hauptprobleme, das die Verantwortlichen der IHK Siegen umtreibt, ist der demografische Wandel. Nach einer Studie verliert die Region Siegen-Wittgenstein und Olpe bis zum Jahr 2032 rund 25 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.

Das seien 3000 mehr als die Industrie im Kreis Olpe beschäftige, zählte IHK-Präsident Hensel auf. Oder so viel, wie in Wilnsdorf, Netphen, Neunkirchen und Burbach zusammen arbeiteten.