Oberhausen. Der aufgeweichte Oberhausener Ruhrdeich lässt auf der Landseite überschaubare Wassermengen durch, doch das ist noch normal. Der Deich ist stabil.

Nein, die Gefahr ist noch nicht vollständig vorüber. Allerdings atmen alle Helferinnen und Helfer, alle Verantwortlichen in diesen Stunden am ersten Weihnachtsfeiertag hörbar auf: Der so stark durchweichte Deich an der Ruhr im Süden Oberhausens hält. „Es besteht keine Gefährdungslage, der Deich ist stabil“, schildert Oberhausens Ordnungsdezernent Michael Jehn die aktuelle Situation in Alstaden nach einem Besuch des zuständigen Landesumwelt- und -verkehrsministers Oliver Krischer (Grüne).

Der Ruhrdeich lässt zwar auf der Landseite überschaubare Mengen durch, die dort am Ruhrpark große Pfützen bilden, wie bereits beim Jahrhunderthochwasser im Sommer 2021, aber diese Funktion eines Deiches ist nach Darstellung der Fachleute eingepreist. „Der Deich tut das, was er machen soll, das ist nicht schlimm, denn das Wasser enthält keine Sedimente des Deiches“, sagt Jehn. Die von Freitag bis in die Nacht zum Sonntag erledigten Befestigungsarbeiten am Deich wirken. Zeitweise waren über 480 Einsatzkräfte der Feuerwehr und des Technischen Hilfswerks THW gleichzeitig im Einsatz, insgesamt arbeiteten über 1000 Helfer von Freitag bis Sonntag am Oberhausener Ruhrdeich.

Ein kleines Weihnachtswunder an Heiligabend: Die Pegel bleiben unter 600 Zentimeter

Wie durch ein kleines Weihnachtswunder steigen die Hochwasser-Pegel am für Oberhausen entscheidenden Ruhr-Messstandort Hattingen seit Beginn des Heiligabends, also seit dem sehr frühen Sonntagmorgen nicht mehr, sondern verharren auf knapp unter 600 Zentimeter. Die Prognose des Ruhrverbandes, im Laufe des Heiligabends gegen Mittag oder Nachmittag, würde ein Pegel von 640 Zentimeter erreicht, ist trotz weiterer Regenfälle nicht eingetreten.

Auch am ersten Weihnachtsfeiertag wurde die Marke von 600 Zentimetern nicht überschritten. Der Ruhrverband blieb am Montag allerdings bei seiner Prognose, dass bei diesem Hochwasser über Weihnachten noch ein Pegel von 640 zu sehen sein wird, denn gerade in den ersten Stunden des ersten Weihnachtsfeiertages regnete es vor allem im Sauerland in Strömen. Nebenflüsse und die Ruhr selbst werden deshalb weiter anschwellen. Der Ruhrdeich in Oberhausen muss also noch höhere Pegel im Verlauf der nächsten Stunden und Tage verkraften, damit keine Straßen und Häuser in Alstaden überflutet werden. Zum Glück stieg allerdings der Hattinger Pegel auch am zweiten Weihnachtsfeiertag nicht weiter an, sank sogar leicht auf 590 Zentimeter.

Der aktuelle Wasserstand am Hattinger Ruhr-Pegel lässt sich hier exakt und aktuell ablesen:

„Wir haben auf der Flussseite des Ruhrdeichs drei Lagen Vliesmatten und Sandsäcke in einer Breite von sechs Metern und eine Länge von 500 Metern platziert, dieser zusätzliche Schutz ist ausreichend, um einen Pegel von 6,40 Metern gut abdecken zu können“, erläutert der städtische Beigeordnete Jehn. Bis zum Mittag am Heiligabend-Tag hatte die Stadt mit 17 Lastwagen zudem den Deich von der Landseite mit einem Kiesgemisch stabilisiert - auf einer Länge von 100 Metern wurden 800 Kubikmeter Kies aufgeschüttet.

Die Einsatzmannschaften wurden schon im Laufe der Nacht zum Sonntag stark reduziert. Am ersten Weihnachtstag sind nur noch 20 Leute im Einsatz, die vor allem den Deich ständig beobachten - und alle halbe Stunde der Einsatzführung Bericht erstatten. Die Stadt hat vorsorglich mithilfe der Wirtschaftsbetriebe Oberhausen (WBO) weiteres Schüttmaterial bereitliegen, sollte der Deich an irgendeiner Stelle noch zusätzliche Probleme machen.

Feuerwehren und THW aus unterschiedlichen Städten arbeiteten in der Nacht von Freitag auf Samstag und in der Nacht von Samstag auf Sonntag durch, um den Deich zu sichern. Am Samstag wurden 50 Bäume gefällt, die zu nah am Deich standen.
Feuerwehren und THW aus unterschiedlichen Städten arbeiteten in der Nacht von Freitag auf Samstag und in der Nacht von Samstag auf Sonntag durch, um den Deich zu sichern. Am Samstag wurden 50 Bäume gefällt, die zu nah am Deich standen. © Oberhausen | Michael Dahlke

NRW-Verkehrsminister Oliver Krischer hat sich vor Ort am Montagmittag vor allem über die aktuelle Hochwasser-Gefahr informiert und sich bei allen Einsatzkräften für ihre Leistung bedankt. Passenderweise regnete es beim Besuch des Ministers, der von Oberbürgermeister Daniel Schranz und Michael Jehn empfangen wurde, in ziemlicher Stärke stetig durch, sodass dieser durchnässt Interviews geben musste. „Dank des beherzten Eingreifens der Feuerwehren und der verschiedenen Hilfsorganisationen ist die Lage hier am Deich stabil, eine Gefahr für die Bürgerinnen und Bürger besteht zurzeit nicht. Es ist sehr beeindruckend, wie gut das alles organisiert wurde und dann auch funktioniert hat“, lobte Krischer die Zusammenarbeit der Stadt Oberhausen mit der Bezirksregierung Düsseldorf.

In Essen, hier in Werden, ist die Ruhr über die Ufer getreten. Die Aufnahme wurde am ersten Weihnachtstag, am Montagmorgen, gemacht.
In Essen, hier in Werden, ist die Ruhr über die Ufer getreten. Die Aufnahme wurde am ersten Weihnachtstag, am Montagmorgen, gemacht. © FUNKE Foto Services | Kerstin Kokoska

Die für den Hochwasser-Schutz zuständige Bezirksregierung Düsseldorf geht weiterhin davon aus, dass die auf den Ruhrwiesen häufig anzutreffende Kuhherde aus Mülheim dafür verantwortlich ist, dass die den Deich stabilisierende Grasnarbe weggetreten war. „Bei einem Abschnitt des Deiches wurde auf 500 Metern Breite die schützende Grasnarbe durch das Überqueren einer Kuhherde erheblich beschädigt, was zu möglichen Erosionsschäden und Deichversagen führen könnte“, heißt es in der Mitteilung der Aufsichtsbehörde in der Nacht zu Heiligabend. Die Kuhherde wurde an Heiligabend über die Mülheimer Raffelbergbrücke zur anderen Ruhrseite geleitet, das Hochwasser hatte den Kühen den Weg zu ihren Heimatställen verwehrt, zu lesen ist der Bericht hier: Hochwasser Mülheim: Große Kuhherde vom Ruhrbogen evakuiert.

Die Kuhherde ist offenbar sehr eigenständig im Ruhrbogen unterwegs und wird nicht rund um die Uhr von Aufsichtspersonal begleitet. Wie die Kühe überhaupt auf den Deich gelangen konnten, der auf der Flussseite in großen Teilen von einem Maschendrahtzaun geschützt ist, ist bisher noch unklar. Die Kühe wurden nach Darstellung der Stadt allerdings von Augenzeugen auf dem Deich gesehen, sie müssen durch Lücken des Maschendrahtzaunes in den Deichbereich eingedrungen sein.

Die Kühe bewegen sich in normalen Zeiten recht eigenständig im Ruhrbogen und überqueren an flachen Stellen immer wieder auch die Ruhr, um die Flussseite zu wechseln. Dies war nach dem plötzlich eingesetzten Hochwasser nicht mehr möglich.
Die Kühe bewegen sich in normalen Zeiten recht eigenständig im Ruhrbogen und überqueren an flachen Stellen immer wieder auch die Ruhr, um die Flussseite zu wechseln. Dies war nach dem plötzlich eingesetzten Hochwasser nicht mehr möglich. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Welche Straßen und Areale in Alstaden betroffen wären, sollte der Deich nicht halten, geht aus den offiziellen Hochwasserkarten des NRW-Umweltamtes hervor. Diese Karten zeigen drei Szenarien: Modelliert worden sind die Auswirkungen von relativ häufigen Hochwassern (im Mittel alle 10 bis 20 Jahre), von mittel-wahrscheinlichen Hochwassern (im Mittel nur alle hundert Jahre), und Extremhochwasser, sogenannte Jahrtausendhochwasser. Eine Karte aus diesen Informationen haben wir anfertigen lassen:

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Diese Straßen würden im Extremfall in Oberhausen überflutet

Danach stellen sich die Auswirkungen so dar: Natürlich werden so oder so, wie bei Hochwasser gewünscht, die Ruhrwiesen, der Ruhrpark und das Feuchtbiotop an der Stadtgrenze zu Mülheim vom Wasser überschwemmt - wie derzeit zum Teil zu sehen ist. Im Extremfall würden aber auch verschiedene Wohngebiete in Alstaden überflutet: Breite Gebiete hinter dem Ruhrpark, also die Kewerstraße, die Solbadstraße sowie die kleinen Straßen Kalle und Stelte bis zur Stadtgrenze nach Mülheim. In der Mitte von Alstaden wären die Häuser „Am Ruhrufer“, an der „Kuhle“, zum Teil auf der Straße „Heiderhöfen“ und an der Amboßstraße sowie an der Blockstraße und Richardstraße von Wasser bedroht. An der Stadtgrenze zu Duisburg sind bei einem Extrem-Hochwasser die Wohnquartiere „Neuer Weg“, Flügelstraße, Sorpestraße und Blettgensweg gefährdet.

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