Arnsberg. . Sabine Rehberg und Vera Guntermann verwandeln in der Maske der Freilichtbühne Herdringen brave Bürger in schillernde Gestalten. Am 24. Mai ist die Premiere von „Alice im Wunderland“.
Vor Bärten hat er Respekt. „Da hat man immer Angst, dass sie beim Schwitzen abgehen“, verrät Georg Plümpe. Im Hauptberuf ist der 56-Jährige Informatiker. Im Nebenberuf kommt er als Fred in der Broadway-Komödie „Kiss me, Kate!“ bei der Freilichtbühne Herdringen ordentlich auf Betriebstemperatur. Dass der Bart in allen Lagen dranbleibt, dafür sorgen Sabine Rehberg und Vera Guntermann. Mit ihrem Team sind die beiden in Herdringen für die Maske zuständig. In Rekordzeit müssen sie brave Bürger in Grinsekatzen oder Theaterdirektoren verwandeln.
Über 100 Akteure bei "Alice im Wunderland"
Bei „Alice im Wunderland“ geht das nur im Akkord. Denn über 100 Akteure spielen bei dem Klassiker von Lewis Carroll mit, den die Freilichtbühne in einer Musical-Fassung zeigt. Rund 60 davon sind Kinder. „Für die Maske beim Kinderstück brauchen wir zwei Stunden, da haben wir einen sehr engen Zeitrahmen“, konstatiert Vera Guntermann.
Pinsel, Schwämme, falsche Wimpern, Lidschatten, Lippenstifte, Rouge, Grundierung und Puder, alles in Profi-Qualität, dazu Perücken über Perücken: Das ist der Stoff, mit dem die Maskenbildnerinnen den grauen Alltag in Theatermagie verwandeln. „Alles ist möglich, wir toben uns aus“, beschreibt Sabine Rehberg das Credo der Truppe, die aus 14 Damen und fünf Mädchen besteht.
Die Chefinnen sind für die optischen Konzepte der Charaktere verantwortlich. Mit der kreativen Arbeit für die neuen Stücke beginnen sie schon im November: „Da spinnen wir rum, schminken uns selber in verschiedenen Masken, alles ist möglich.“ Mit Regisseurin Patricia Hoffmann werden die Entwürfe dann abgestimmt.
Freilichtbühne Herdringen gibt es seit 66 Jahren
Die Freilichtbühne Herdringen ist seit 66 Jahren sozusagen ein Familienbetrieb. Knapp 300 Mitglieder sind hier aktiv, die meisten schon in der zweiten und dritten Generation. Georg Plümpe feiert jetzt seine 40. Saison und ist dennoch nicht der Dienstälteste. Diesen Titel verteidigt Vera Guntermann, 46 Jahre alt: „Ich bin schon in der 46. Spielzeit dabei, denn ich bin ja auf der Freilichtbühne geboren.“ Doppelfunktionen sind üblich. So hat Sabine Rehberg nicht nur in der Maske die Übersicht, sondern tritt auch als Herzkönigin in „Alice“ auf.
Weiße Fettschminke macht den Hutmacher unheimlich
Wenn die Kinder auf den überdachten Rängen begeistert schreien, wissen Sabine Rehberg und Vera Guntermann, dass ihre Arbeit funktioniert. Bei Ingo Tillmann dauert es 20 Minuten, bis das soweit ist. Der Lagerist und Logistiker wird unter kundigen Händen zum verrückten Hutmacher. „Bei mir wurde der erste Masken-Entwurf komplett verworfen“, schildert der 41-Jährige. Denn Tillmanns Gesicht sollte kupferfarben geschminkt werden.
Bunte Federn in den Augenbrauen
„Doch wenn Du in Aktion bist, bist Du eh knallrot, das wirkt dann nicht mehr“, musste Sabine Rehberg einsehen. Vera Guntermann: „Dann hatten wir keine 24 Stunden Zeit, uns was Neues auszudenken.“ Weiße Fettschminke macht den Hutmacher jetzt unheimlich. Außerdem kriegt er bunte Federn in die Augenbrauen und extra lange Wimpern.
Früher ist es durchaus vorgekommen, dass einem Schauspieler bei der Verbeugung die Haare vom Kopf fielen. „Das war vor Hagen. Jetzt passiert das nicht mehr“, erläutert Sabine Rehberg. Sie durfte Ronald Bomius, dem Chefmaskenbildner am Theater Hagen, einige Tage lang über die Schulter schauen. „Da habe ich viel mitgebracht, auch wie man Perücken umformt.“
Hauptdarstellerin in "Kiss me, Kate" schminkt sich selbst
Nicole Becker schminkt sich selbst. Die 40-Jährige ist die Hauptdarstellerin im Erwachsenenstück „Kiss me, Kate!“. Da darf voll in die Farbkiste gegriffen werden, denn die Inszenierung feiert die 80er Jahre. Premiere ist am Samstag, 6. Juni 2015, 20 Uhr. Nicole gibt als Kate das Biest vom Dienst. Selbst Joan Collins als Denver-Zicke Alexis fände nichts zu meckern, wenn sie diese Kriegsbemalung sähe. Die Textilgestalterin ist ein Freilichtbühnen-Neuling. „Mein Sohn war hier der Moritz, da habe ich angefangen mitzuhelfen, und dann hat’s mich gepackt.“
20 000 Besucher werden bis September in Herdringen erwartet
20 000 Zuschauer werden vom 24. Mai bis zum 5. September „Alice im Wunderland“ und „Kiss me, Kate!“ sehen. Während sich die ehrenamtlichen Aktiven durch Fortbildungen immer mehr professionalisieren, wird es gleichzeitig immer schwieriger, das Publikum anzulocken, weiß Sprecher Christian Albrecht.
„Wir können uns nicht beklagen, toi, toi, toi. Aber es gibt viel weniger Kinder als früher, der demographische Wandel trifft uns auch. Und die Busse sind extrem teuer geworden, so dass es für Kindergärten und Schulen nicht mehr so einfach ist, zu uns zu kommen", sagt Albrecht.
Als Herzkönigin trägt Sabine Rehberg einen sensationellen Kopfschmuck aus roten Christbaum-Kugeln. Hat sie keine Angst, mit dem kunstvollen Gebilde aus Versehen gegen eine Tür zu laufen? „Wir lieben die Gefahr“, entgegnet Vera Guntermann lachend.
Schmier muss hinterher wieder runter
Und was ist für Männer die größte Herausforderung in der Maske - abgesehen von Bärten, die sich selbstständig machen? Ingo Tillmann: „Den ganzen Schmier hinterher wieder runter zu bringen.“
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