Meschede. Die Meschederin Julia Lotz hat am Ufer des Hennesees einen seltsamen Stein entdeckt. Er verrät einiges über das Sauerland.
Es war ein normaler Spaziergang an einem Wintertag am Hennesee. Die Talsperre führt deutlich weniger Wasser. Sie sei mit ihrer Freundin direkt am Ufer entlang gegangen, berichtet Julia Lotz. „An einer Stelle mussten wir Büschen und Bäumen ausweichen und sind den Hang hinaufgestiegen. Wieder am Wasser, lag da dieser Stein.“
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Sieben Zentimeter groß, weiß-grau, mit einem eigentümlichen wirbelsäulenartigen Muster. Unauffällig. „Ich kann gar nicht genau sagen, warum ich auf ihn aufmerksam geworden bin“, erzählt die Meschederin. „Eigentlich kenne ich mich mit Fossilien gar nicht aus.“ Jedenfalls war sie fasziniert von der seltsamen Maserung im Stein. „Wir haben dann überlegt, dass er nicht mechanisch bearbeitet wurde. Auch einen solch‘ kleinen Bagger, der sich ins Gestein gräbt, gibt es nicht.“
Tiere lebten im Meer
Julia Lotz recherchierte im Netz und schickte Fotos zum Geopark Ruhrgebiet. Die Antwort kam prompt: Mitarbeiterin Nancy Schumacher, schrieb: Ein Kollege habe den Fund bestimmen können: „Nach seiner Aussage handelt es sich um den Abdruck eines sogenannten Trilobiten. Das sind ausgestorbene Dreilapper(er)krebse, die vom Kambrium bis zum Perm-Zeitalter im Meer lebten.“ Deutlich erkennbar sei die Spindel (Rhachis) und Teile des Pygidiums (Schwanzschild), der Kopf fehlt. „Aus welcher Zeit das Fossil konkret stammt, lässt sich leider nicht mehr sagen, da der Fund nicht mehr komplett ist.“
Für Julia Lotz ein echter Überraschungsfund. Eine Versteinerung aus dem Permzeitalter - das heißt mindestens 250 Millionen Jahre alt. Trilobiten haben an ihrer Oberseite eine harte Schale, die sie ähnlich wie Schlangen abstreifen, um zu wachsen. „Sie starben bereits aus, bevor die Dinosaurier die Erde eroberten, und sind heute Leitfossilien für das Paläozoikum oder Erdaltertum“, heißt dazu auf der Internet-Fachseite Mineralienatlas. Nähere Verwandte der Trilobiten sind lebendig nicht bekannt.
Der Experte vom Geologischen Dienst
Das bestätigt auch Dr. Sven Hartenfels vom Geologischer Dienst NRW: „Bei dem gefundenen Fossil handelt es sich um den Teilabdruck eines Trilobiten, der den Phacopiden zugesprochen werden kann.“ Trilobiten lebten überwiegend auf dem Meeresboden, erklärt er. „Sie waren an ein Leben im küstennahen, gut durchlüfteten sowie relativ flachen Meeresbereich angepasst. Der Nachteil ihres Panzers: Er wächst nicht mit. „Somit muss er während des Wachstums mehrfach abgeworfen und erneuert werden“, erklärt der Paläontologe. Dieser Vorgang werde als Häutung (= Ecdysis) bezeichnet, der abgeworfene Panzer als Exuvie bzw. Hemd. Exuvien werden fossil wesentlich häufiger gefunden als ,echte Leichen‘.“
NRW lag südlich des Äquators
Der Wissenschaftler bestimmt den Tribolit etwas genauer, was ihn noch mal älter macht: Im Bereich des Hennesees stehen laut Hartenfels Gesteine aus dem Mitteldevon (ca. 394,3 bis 378,9 Millionen Jahre vor heute) an. „Nordrhein-Westfalen befand sich damals noch südlich des Äquators in subtropischen bis tropischen Klimaten.“ Das nördliche Rheinische Schiefergebirge lag im Bereich eines Schelfgebiets, das einer großen nördlichen Landmasse, dem sogenannten Old-Red-Kontinent, vorgelagert war. Im Gegensatz zu anderen Fossilien des Mitteldevons, wie Brachiopoden (Armfüßer), werden Trilobiten laut Hartenfels vergleichsweise selten gefunden.
Für Julia Lotz ist klar, der Tribolit erhält einen Ehrenplatz in einer Vitrine. Und in Zukunft wird sie bei ihren Spaziergängen am Hennesee noch mal genauer hinsehen.
Hintergrund
Trilobiten bestehen aus neun anerkannten Ordnungen, über 150 Familien, mehr als 5000 Gattungen und mehr als 15.000 beschriebenen Arten oder Spezies. Jedes Jahr werden neue Arten gefunden und bestimmt. Dies macht die Trilobiten zur vielfältigsten Gruppe unter allen ausgestorbenen Lebewesen. Innerhalb des grundlegenden Bauplans der Trilobiten gibt es laut Mineralienatlas eine unglaubliche Vielfalt an Größe und Form.