Bestwig. Rückblick und Ausblick mit Bürgermeister Ralf Péus aus Bestwig. Worauf sich die Bestwiger trotz aller Probleme 2024 freuen können.

So viele Krisen im Jahr 2023. Wie hat Bestwigs Bürgermeister Ralf Péus sie wahrgenommen? Im Interview werfen wir mit ihm einen Blick zurück und sprechen mit ihm über 2024.

Welche Begegnung oder welcher Moment hat Sie 2023 besonders berührt?

Das ist die Wahrnehmung, dass sich nach zwei Jahren mit Kontaktbeschränkungen das öffentliche Leben wieder völlig normalisiert hat. Veranstaltungen finden in der gewohnten Form statt, man trifft sich, es gibt wieder Events, die man doch vermisst hat – unseren Gastgarten oder den Weihnachtsmarkt zum Beispiel. Das alles hat mich richtig gefreut.

Welcher Filmtitel passt zu 2023?

Ein Film dauert 90 Minuten – das Jahr hat aber 365 Tage, und die sind in den Orten der Gemeinde Bestwig sehr vielfältig gewesen. Deshalb kann man das Jahr nicht in einem Filmtitel zusammenfassen. Die Rahmenbedingungen werden seit einiger Zeit deutlich schwieriger. Aber hier bei uns haben wir es doch geschafft, durch den Einsatz vieler Menschen – oft in ehrenamtlichem Engagement – eine Menge zu bewegen.

Politik darf nicht abgehoben sein

Ihr persönliches Unwort des Jahres?

Ampel. Und damit meine ich nicht die vielen Lichtzeichenanlagen in unserer Ortsdurchfahrt.

Was hat Sie 2023 privat zum Lächeln gebracht?

Das waren sicher positive Veränderungen im familiären Umfeld. Es ist als Vater schön zu sehen, wenn die eigenen – mittlerweile erwachsenen – Kinder eigene Wege gehen, ihre Vorstellungen umsetzen können und selber Familien gründen.

Mich ärgert eine auf Bundesebene teilweise abgehobene Politik, von der man den Eindruck gewinnen muss, dass die Bedürfnisse und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger da keine große Rolle mehr spielen.
Ralf Péus - Bürgermeister

Was haben Sie aus dem Jahr 2023 gelernt?

Dass es richtig war, die – bereits weitgehend eingemotteten – Faxgeräte noch nicht wegzuwerfen. Sie haben uns während der Cyber-Attacke ganz gute Dienste geleistet. Man mag das zum Schmunzeln finden, aber wenn man einfach seine Arbeit erledigen möchte, können solche Dinge auf einmal eine wichtige Hilfestellung sein.

Worüber haben Sie sich 2023 besonders geärgert?

Mich ärgert eine auf Bundesebene teilweise abgehobene Politik, von der man den Eindruck gewinnen muss, dass die Bedürfnisse und Sorgen der Bürgerinnen und Bürger da keine große Rolle mehr spielen. Politik darf kein Eliten-Projekt sein, sondern es ist die Gestaltung eines Gemeinwesens, in dem sich alle wiederfinden müssen.

Cyber-Angriff: Machbare Lösungen gesucht

Worüber haben Sie sich besonders gefreut?

Die Flexibilität und Einsatzbereitschaft meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Insbesondere während des Cyber-Angriffs, als viele Systeme und die Kommunikation lahmgelegt waren, haben sie engagiert und in vielen Bereichen – wo es eben möglich war – machbare Lösungen in den Dienstleistungen für die Bürgerinnen und Bürger gesucht.

Mit welchem Thema befassen Sie sich als Erstes, wenn Sie am ersten Arbeitstag 2024 wieder am Schreibtisch im Rathaus sitzen?

Der Neujahrsempfang steht vor der Tür und muss vorbereitet werden. Ansonsten ändert sich die Jahreszahl, die eigentliche Arbeit aber kaum. Es ist eine Vielzahl von Aufgaben, die wir angehen werden.

Was erwarten Sie von 2024?

Ich rechne damit, dass viele Rahmenbedingungen für das Handeln von Politik und Verwaltung vor Ort schwieriger werden. Offen gesagt, gehe ich mit Skepsis in das Jahr 2024. Das ändert aber nichts daran, dass wir gemeinsam mit Rat, Verwaltung und vielen Menschen, die sich ins öffentliche Leben einbringen, wieder versuchen werden, das Beste für unsere Bürgerinnen und Bürger, aber auch für unsere Unternehmen vor Ort zu erreichen.

Politik ist keine Missionsarbeit, sondern sie sollte für machbare und pragmatische Lösungen da sein.
Ralf Péus - Bürgermeister

Wichtige Infrastrukturprojekte geplant

Was haben die Bestwiger von 2024 zu erwarten?

Erst einmal stabile Steuersätze bei unseren Realsteuern – das ist in Zeiten, wie wir sie momentan haben, schon sicher eine gute Nachricht. Dann werden wir 2,4 Millionen Euro in den Straßenbau investieren. 2,06 Millionen Euro werden in den Feuerwehrbereich fließen. Für den Grunderwerb zur Umsetzung des Wohnbaukonzeptes sind für 2024 erst einmal 650.000 Euro sowie in den Jahren 2025 und 2026 jeweils weitere 500.000 Euro veranschlagt. Das sind alles wichtige Infrastrukturprojekte, mit denen wir unsere Gemeinde ein Stück weit zukunftsfest machen.

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Viele Menschen sind in Sorge und sauer: Sie fühlen sich von der Bundespolitik im Stich gelassen. Wie sieht es bei ihnen aus?

Wir durchleben schwierige Zeiten – das ist keine Phrase, sondern Tatsache. Auch auf Bundesebene wird Regierungsarbeit alles andere als ein Zuckerschlecken sein. Was ich mir wünschen würde, ist, dass auf allen Ebenen die Bedürfnisse und Sorgen der Menschen wahr- und dann auch ernstgenommen werden. Denn gerade in Krisenzeiten sollten Verlässlichkeit, Vertrauen und Geradlinigkeit eine besondere Rolle spielen – das sind übrigens auch wichtige Wirkstoffe gegen Politikverdrossenheit. Politik ist keine Missionsarbeit, sondern sie sollte für machbare und pragmatische Lösungen da sein.

Welchen passenden Film- oder Songtitel wünschen Sie sich für 2024 und warum?

Ein Jahr ist kein Wunschkonzert. Meine Hoffnung aber wäre, dass die Menschen wieder mehr ins Gespräch kommen und Verständnis für die Positionen von anderen aufbringen. Das wäre eine gute Voraussetzung, um gesellschaftlichen Zusammenhalt zu stärken.