Meschede/Schmallenberg/Hamm. Untersuchungshäftling rennt bei Vorführung zum Richter plötzlich vorm Amtsgericht Meschede weg. Was den Fall besonders kurios macht.
Bei der Vorführung eines Untersuchungshäftlings am Amtsgericht in Meschede ist es im Februar dieses Jahres zu einem Fluchtversuch gekommen. Dies bestätigten die Justizbehörden in dieser Woche auf Nachfrage. Das Kuriose dabei: Der Rechtsanwalt des Beschuldigten hatte einen Haftprüfungstermin bei Gericht beantragt, bei dem geklärt werden sollte, ob als Grund für die Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt in Hamm wirklich „Fluchtgefahr“ bestehe. Eine weitere Merkwürdigkeit: Die Behörden berichteten bislang nicht über den Vorfall.
„Besondere Vorkommnisse“
Erst jetzt, etwa zehn Monate später, wurde das Geschehen zufällig durch eine Nachfrage im Anschluss des Jahrespressegesprächs des Landgerichts im Dezember in Arnsberg öffentlich. Dabei ging es unter anderem um „besondere Vorkommnisse“ wie Fluchtversuche im Gerichtsbezirk, zu dem auch Meschede gehört. Dr. Alexander Brüggemeier als Pressesprecher des Landgerichts Arnsberg berichtete dieser Zeitung daraufhin exklusiv über den kuriosen Fall aus dem Februar.
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Ergänzt wurden seine Angaben – nach weiteren Recherchen unserer Redaktion – durch Informationen von Andreas Jellentrup, dem Leiter der Justizvollzugsanstalt in Hamm.
Verstoß gegen Betäubungsmittelgesetz
Demnach stellt sich die Geschichte wie folgt dar: Der Untersuchungshäftling, ein 25-jähriger Mann aus Schmallenberg mit guineischer Staatsbürgerschaft, befand sich seit dem 21. Januar 2023 auf Antrag der Staatsanwaltschaft Arnsberg in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt in Hamm. Der Vorwurf gegen den Beschuldigten seitens der Ermittlungsbehörden lautete: Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. Außerdem wurde bei dem Beschuldigten seitens der Staatsanwaltschaft auch Fluchtgefahr vermutet, daher die U-Haft.
Der Rechtsanwalt des Beschuldigten legte jedoch Beschwerde dagegen ein und daher sollte am 27. Februar um 12 Uhr ein Haftprüfungstermin vor dem zuständigen Amtsgericht in Meschede stattfinden. Zwei Justizvollzugsbeamte der JVA in Hamm chauffierten den Untersuchungshäftling deshalb an dem entsprechenden Tag in einem Gefangenentransportwagen ins Sauerland.
Fesseln beim Transport
„Als Sicherungsmaßnahme beim Transport war das Anlegen einer Fessel angeordnet“, erklärte der heutige JVA-Leiter Andreas Jellentrup, der erst seit dem 23. März in diesem Amt ist und den Vorgang nur aus den Akten beziehungsweise vom Hörensagen kennt. Außerdem hätten der Fahrer und sein Begleiter zur Bewachung des Gefangenen auch Schusswaffen, Pfefferspray und Handys mitgeführt.
Während der Fahrt zum Amtsgericht in Meschede habe sich der Häftling völlig „unauffällig“ verhalten. Nach dem Eintreffen des Transports gegen 11.10 Uhr am Hintereingang des Gerichts habe der 25-jährige Mann dann aber „nach dem Aussteigen aus dem Gefangenentransportwagen das Überraschungsmoment für eine Flucht auszunutzen versucht“, so Jellentrup.
Auf dem Parkplatz geschnappt
Die zwei Justizvollzugsbeamten aus Hamm und Wachtmeister des Mescheder Amtsgerichts seien dem zu Fuß fliehenden Mann sofort hinterhergeeilt und hätten ihn kurze Zeit später auf einem nahe gelegenen Parkplatz wieder eingefangen. Deshalb habe man auch die örtliche Polizei nicht informiert, um beispielsweise externe Einsatzkräfte hinzuzuziehen. Das Justizpersonal habe die Situation ja schnell selbst in den Griff bekommen.
Jellentrup betonte, dass der flüchtende Häftling „sich nicht entscheidend aus dem Interventionsbereich“, sprich: dem Einflussbereich, des Justizpersonals bewegt habe, „sodass eine Fahndung oder Beteiligung externer Kräfte nicht angezeigt war“.
Kein Widerstand geleistet
Der Mann habe bei seiner erneuten Festnahme auch keinen aktiven Widerstand geleistet, sondern nur versucht wegzulaufen. Es sei durch den Vorfall auch „niemand verletzt“ worden, erklärte der Hammer JVA-Chef. Und weiter: „Wichtig scheint mir, dass der Fluchtversuch im Ansatz unterbunden wurde.“
Der Untersuchungshäftling sei letztlich „zwangsweise“ zu dem Haftprüfungstermin vor Gericht vorgeführt worden. Allerdings hätte der Verteidiger dabei seine ursprünglich eingereichte Beschwerde zur Prüfung, ob bei dem Beschuldigten wirklich „Fluchtgefahr“ als Grund für die Untersuchungshaft bestehe, zurückgezogen, berichtete Dr. Alexander Brüggemeier als Gerichtssprecher.
Am 8. März 2023 wurde der Beschuldigte übrigens aus der Justizvollzugsanstalt in Hamm nach Bielefeld-Brackwede verlegt.