Meschede. Darf man sich trotz Krieg und Krisen freuen können? Ja, meint Abt Cosmas in der Abtei Königsmünster - und sagt, wie das gelingen kann.
Er hatte gerade vor dem Gespräch einen kleinen Moment der Freude: Er durfte unverhofft von der neuen Schokolade kosten. Im August ist Pater Dr. Cosmas Hoffmann zum neuen Abt von Königsmünster in Meschede gewählt worden. Im Interview spricht der 58-Jährige über Freude, aber auch über Ängste und Herausforderungen.
Zukunftsängste - und schöne Momente
Empfinden Sie gerade Freude?
Ich war eben in der Konditorei, da wurden Geschenke vorbereitet. Ich durfte von der Schokolade probieren! Freude ist wie ein Überraschungsei: Für mich ist es die Erfahrung von etwas Unerwartetem. Freude hat viel damit zu tun, dass etwas nicht verfügbar ist: Es fällt mir zufällig etwas zu, es zeigt sich mir plötzlich etwas, oder ich nehme auf einmal etwas wahr, was mich überrascht. Das kann auch so ein kleiner Moment in diesen grauen Tagen sein, wenn die Wolken aufreißen, Licht da ist, die Bäume einen Ton bekommen. Das finde ich großartig.
Darf man angesichts von Kriegen, Preiserhöhungen, Sparmaßnahmen überhaupt Freude empfinden?
Gerade jetzt ist es umso wichtiger! Diese Momente dienen doch dazu, sich zu stärken. Für mich ist das ein Teil von Resilienz - die Fähigkeit, aus dem, was mich bedrückt, wieder herauszukommen. Die Druckstellen müssen im übertragenen Sinn nachlassen: Wenn man tief durchatmen kann, dann dehnt sich auch die Delle wieder aus.
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Die Schokolade vorhin half dabei?
Ja, das war ein unerwarteter Moment. Eigentlich wollte ich mit unserem Chocolatier eine praktische Frage klären, doch dann wurde daraus eine kleine Verkostung von Schokolade daraus. Es macht doch den Zauber des Advents aus, dass er so abwechslungsreich für die Sinne ist: Es riecht anders, man schmeckt etwas Besonderes, man sieht eine Kerze in der dunklen Zeit leuchten. Der Advent ist eine Chance, empfindsamer für die Wahrnehmung zu werden. Genießen heißt, die Sinnesempfindung auf Dauer zu spüren, sie in die Länge zu ziehen. Um bei der Schokolade zu bleiben: Wenn sie langsam auf der Zunge schmilzt, und man die verschiedenen Aromen schmeckt, ist das doch eine wunderbare Sache.
Nehmen Sie auch wahr, dass die Menschen viele Zukunftsängste haben?
Ich merke das überall, sowohl außerhalb des Klosters als auch hier bei uns. Auch beim Adventsmarkt haben wir das gemerkt: Der Besuch war zwar wieder stärker nach der Corona-Zeit, aber diese Zeitenwende wirkt immer noch nach. Man spürt Sorgen. Und doch auch die schönen Momente, etwa bei dem Adventsmarkt abends an der Feuerschale – man trifft sich, der Schnee fällt, man kann die Wärme genießen und die Kälte spüren. Das sind gute Momente, die helfen einem.
Herausforderungen gibt es auch im Kloster
Haben Mönche auch Zukunftsängste?
Natürlich. Wir sind doch Teil der Gesellschaft. Wir leben in Gebäuden, die renovierungsbedürftig sind und energetisch ertüchtigt werden müssen. Oder das Thema Altern: Unser Durchschnittsalter im Konvent liegt bei etwa 60 Jahren – was heißt das für uns? Und die kirchlichen Themen: Es ist eine spannende Auseinandersetzung, wie Kirche heute aussehen kann und soll.
Haben Sie unmittelbar Freude empfunden, als Sie gewählt wurden? Deutete sich Ihre Wahl an?
Bis zum entscheidenden Wahlgang war mir das tatsächlich nicht ganz klar. Ich habe zwar im Vorfeld, als Brüder mich danach fragten, schon signalisiert, dass meine Bereitschaft da wäre. Das ist erwachsen aus den Erfahrungen der letzten Jahre, als ich schon Mitverantwortung hatte. Ich wollte weiter mitgestalten. Denn ich bin ja überzeugt, dies ist ein toller Ort, der eine Menge Potenzial hat. Ich möchte helfen, dieses Potenzial weiterzuentwickeln. Aber beim entscheidenden Wahlgang merkte ich dann, wie mein Herzklopfen immer stärker wurde. Mir macht die starke Unterstützung hier viel Mut, gemeinsam mit den anderen anzupacken: Es kann nur gemeinsam gehen!
Was sind die Herausforderungen für die Abtei?
Hier muss investiert werden: Was jeder Hausbesitzer kennt, was jeder kennt, der mit Gastronomie und Gastfreundschaft zu tun hat. Es ist ein knappes Geschäft mit unseren Gästehäusern. Wie bekommen wir es hin, echte Gastfreundschaft zu leben, die großzügig ist, sich aber auch finanziell trägt? Natürlich ist es auch auf der Ebene der Kirche stark herausfordernd. Positiv finde ich, dass auch bei säkularen Menschen Religion nicht einfach abgelehnt wird, sondern ein Interesse an Dialog besteht: Es gibt eine Gesprächsbereitschaft dazu, wie Menschsein gelingen kann. Das sind zentrale Themen, die schon Jesus wichtig waren, der sich den Menschen zugewandt hat.
Keine Unterstützung aus der Kirchensteuer
Was muss am Klosterberg investiert werden?
Die Oase, unser Jugendgästehaus, muss saniert werden. Der Kirchbau bedarf fortwährend der Überarbeitung, sehr akut war es vor allem am Sakramentsturm, denn hier drang bei starkem Regen Feuchtigkeit ein. Den Schaden konnten wir dank Spenden beheben. Doch für die weiteren Renovierungen am Kirchbau benötigen wir noch Unterstützung. Dann kommen durch die Rückkehr zu G9 Investitionen an unserem Gymnasium dazu, denn hier braucht es künftig wieder mehr Unterrichtsräume, das heißt einen Anbau.
Es ist eine schwierige Zeit für Kirche. Wie schwer macht es das, finanziell Unterstützung zu bekommen?
Mir hat die positive Resonanz auf unseren Aufruf für die Sanierung des Sakramentsturms sehr viel Mut gemacht. Ich merke, viele Menschen schätzen die Abteikirche – auch viele, die der Kirche eher fernstehen. Kirchbesucher spüren diese besondere Atmosphäre durch die Höhe, das Zusammen von Licht und Schatten: Man ahnt mehr, als man weiß – dieses Gefühl transportiert unsere Kirche.
Um unsere finanzielle Situation zu verstehen, ist es wichtig zu wissen, dass Klöster und Orden keinen unmittelbaren Zugang zur Kirchensteuer haben. Vielmehr erhalten Sie durch die Diözesen Kirchensteuermittel, wenn sie in deren Auftrag entsprechende Aufgaben erfüllen – wie wir zum Beispiel mit unserer Jugendarbeit und Seelsorgetätigkeit. Es kommen zum Glück Schenkungen und Spenden – die sind aber meist projektbezogen: Die Menschen möchten wissen, wofür sie spenden. Schwer ist zu vermitteln, dass wir auch für unseren normalen Lebensunterhalt Unterstützung benötigen. Vieles von dem, was wir erarbeiten oder verkaufen, geht entweder als Investition zurück in die Werkstätten oder dient der Finanzierung des Eigenbeitrags für die Schule, den wir als freier Träger der Schule zu leisten haben – da bleibt wenig für den Lebensunterhalt. Das haben viele nicht im Blick.
„Friede auf Erden“ möge sich erfüllen!
Macht Ihnen die Auseinandersetzung mit diesen Fragen denn Freude?
Wenn ich darüber nachdenke: Ja! Ich sehe es als Herausforderung an – und ich erlebe, dass es gelingt, Spenden und Unterstützung zu bekommen. Das ist auch eine wertvolle Erfahrung. Es macht Freude, zu merken: Unsere Arbeit wird geschätzt, Menschen finden unseren Beitrag für Bildung, Jugend, Seelsorge und Kultur wichtig.
Haben Sie einen Weihnachtswunsch?
Dass sich der Engelsgesang erfüllen möge: Friede auf Erden! Die Friedenssehnsucht ist angesichts von Krieg und Gewalt sehr stark in diesem Jahr. Aber es fängt eben bei mir an. Von mir muss Frieden ausgehen, von daher die Frage: Was kann ich beitragen zum Frieden in meinem Herzen - und dann zum Frieden mit den Menschen, mit denen ich lebe?