Meschede. Seit mehr als einem Jahr baut die Deutsche Bahn am Elleringhauser Tunnel. Das hat Folgen für alle, die Richtung Meschede fahren wollen.

Wer in Meschede mit dem Zug Richtung Osten fahren wollte, konnte sich jahrelang auf eine gute Verbindung verlassen: Jede Stunde fuhr ein Zug über Warburg nach Kassel, alle zwei Stunden musste man dafür nicht mal umsteigen. Über Kassel ging es per ICE weiter in alle Richtungen der Republik. Wer aber heute beispielsweise nach Leipzig fahren will, reist über Hannover und Dortmund an. Anschlüsse zwischen Ost und West zu erreichen, ist aktuell völlig unvorhersehbar. Die Strecke Kassel - Sauerland ist quasi lahmgelegt. Mittlerweile ist das Ende wenigstens absehbar.

Ende ist abesehbar

Ein Grund sind die nicht enden wollenden Bauarbeiten am Elleringhauser Tunnel. Gerade aktuell hat die Bahn wieder erklärt, dass sich diese weiter verzögern werden. Ursprünglich sollte der Zugverkehr schon am 25. August wieder rollen. Jetzt müssen sich die Bahnkunden noch mindestens bis zum 20. November mit dem Schienenersatzverkehr (SEV) abfinden. Das teilte die Deutsche Bahn auf Anfrage mit.

Der Tunnel bei Elleringhausen soll saniert werden.
Der Tunnel bei Elleringhausen soll saniert werden. © Joachim Aue | Joachim Aue

Der Grund für die Verzögerung liege nicht in den eigentlichen Bauarbeiten, die laut Bahn abgeschlossen wurden, erklärt die Pressestelle. Auch Probefahrten seien erfolgreich durchgeführt worden. Das Problem sei, dass noch nicht alle Abnahmebescheinigungen der internen und externen Prüfer vorlägen. Diese seien notwendig, um die Inbetriebnahmegenehmigungen zu erhalten. „Unsere Experten arbeiten mit Hochdruck daran, dass schnellstmöglich alle Inbetriebnahmegenehmigungen eingeholt werden“, erklärte die Bahn.

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Bahn entschuldigt sich

Wann dies allerdings konkret der Fall sein wird, könne man derzeit noch nicht sagen. „Hierzu laufen entsprechende Abstimmungen und wir werden dann unverzüglich informieren.“ Die Deutsche Bahn entschuldigte sich bei ihren Kund ausdrücklich für die erneut aufgetretenen Verzögerungen. Sie versicherte, dass die Sicherheit und der Komfort der Reisenden oberste Priorität hätten.

Die Züge von Meschede Richtung Kassel stoppen weiterhin in Bestwig. Ab da läuft der Schienenersatzverkehr. 
Die Züge von Meschede Richtung Kassel stoppen weiterhin in Bestwig. Ab da läuft der Schienenersatzverkehr.  © WP | Ute Tolksdorf

Pendler von Kassel nach Meschede ziehen Konsequenzen

Das sehen die Betroffenen nicht. Ein Mescheder verfolgt die Bauarbeiten, seitdem seine Tochter begonnen hat, in Kassel zu studieren. In Hochzeiten musste sie pro Strecke dreimal von der Bahn in den Bus umsteigen, ärgert er sich. Eine Fahrtzeit von knapp 1 Stunde 45 Minute verlängerte sich auf vier Stunden. Gerade in der dunklen Jahreszeit gebe es keine Sicherheit, dass die junge Frau pünktlich am Zielbahnhof ankomme. Die Eltern haben jetzt die Konsequenzen gezogen. „Sie nimmt unser Auto“, sagt der Vater verärgert. „Aber das kann doch nicht das Ziel sein, wenn man den ÖPNV grundsätzlich fördern will.“

Er selbst musste für eine Tour mit Freunden nach Erfurt zusätzlich einen Mini-Bus mieten, um von Meschede nach Kassel und zurückzukommen. Die Zugfahrkarten waren lange vor der verlängerten Baustelle gebucht. „Das ist dann noch mal doppelt so teuer geworden.“

Fahrtstrecke Marburg - Meschede

Gebeutelt sind auch Studierende, die sich eigentlich für einen relativ wohnortnahen Studienplatz entschieden haben: 100 Kilometer entfernt liegt Marburg. Eine Stunde und 45 Minuten braucht man für die Strecke mit dem Auto über Land eh schon. Doch mit dem Zug endet die Tour ebenfalls häufig im Nichts - meist in Brilon-Wald. Eltern werden dann zu Taxifahrern.

Die DB App zeigt an, dass man von Marburg über Kassel-Wilhelmshöhe nach Meschede fahren kann. „Meistens bekommt man dann eine Stunde vor Fahrtbeginn die Benachrichtigung, dass der Halt in Kassel-Wilhelmshöhe ausfällt“, ärgert sich eine Studentin. „Die nächste Option ist dann, mit dem Schienenersatzverkehr, also per Bus, von Willingen nach Brilon-Wald und von dort nach Bestwig zu fahren, wo man wieder in den Zug einsteigen kann.“ Auch auf dieser Tour, alle Anschlüsse zu bekommen, ist reines Glücksspiel. Statt drei Stunden - was im Vergleich zum Auto schon lang, aber noch erträglich ist - braucht sie nun bis zu fünfeinhalb Stunden. „Einmal hat mich meine Mutter in Willingen und einmal in Brilon-Wald abgeholt.“

Die Bahn informiert dazu: Die Züge der Regionalexpress-Linien RE 17 und RE 57 verkehren daher laut Auskunft der Bahn wie folgt: Die Regionalexpress-Linie RE 57 von bzw. nach Winterberg verkehrt regulär. Fahrten von bzw. nach Brilon Stadt fallen zwischen Bestwig und Brilon Stadt aus. Die Regionalexpress-Linie RE 17 fällt zwischen Bestwig und Kassel-Wilhelmshöhe aus. Das bereits bestehende SEV-Konzept Bestwig – Bigge – Brilon Wald – Brilon Stadt wird fortgeführt. Zwischen Brilon-Wald und Warburg wird ein separater SEV eingerichtet. Zwischen Warburg und Kassel-Wilhelmshöhe können Reisende die Züge der Linie RE 11 nutzen.

Hintergrund

Der Elleringerhauser Tunnel ist 1400 Meter lang und gehört zu den ältesten Eisenbahntunneln in Deutschland. Er wurde zuletzt in den 1980er Jahren saniert, aber er entspricht nicht mehr den heutigen Anforderungen an den Brandschutz und die Fluchtwege. Deshalb hat die Deutsche Bahn beschlossen, den Tunnel mit einer innovativen Methode zu erneuern, die bisher in NRW noch nicht angewendet wurde. Die Methode heißt “Tunnel-in-Tunnel” und besteht darin, im Haupttunnel einen separaten Tunnel zu errichten, durch den die Züge größtenteils während der Bauzeit fahren können. Dies soll die Beeinträchtigungen für die Fahrgäste minimieren und die Bauzeit verkürzen.

Deutschlandweit handelt sich um den ersten Tunnel in Deutschland mit einer Länge von über einem Kilometer, dessen Innenschale komplett mit Fertigteilen modernisiert wird. Der neue Tunnel wird auch weiterhin eingleisig befahrbar sein, aber die Leistungsfähigkeit der Strecke wird durch zusätzliche Signale in Olsberg erhöht. Außerdem wird der Tunnel einen 1,2 Meter breiten Fluchtweg mit durchgehendem Handlauf und entsprechende Sicherheitsausstattung erhalten. Zusätzlich ist ein mit Kraftfahrzeugen befahrbarer Rettungsstollen einschließlich eines Wendehammers geplant. Beim Spatenstich im September 2022 ging Bereichsleiter der Baufirma Max Bögl, Mathias Mondel, auf einige Details dieses Pilotprojekts ein und bezifferte die Kosten zu diesem Zeitpunkt mit 110 Millionen Euro.