Meschede. Der Cyberangriff auf die Südwestfalen-IT hat auch die Kfz-Zulassungsstelle des HSK lahmgelegt. Was bedeutet das für die Autohäuser in Meschede?

Seit Ende Oktober liegen im Hochsauerlandkreis alle Prozesse lahm: Nach der Cyberattacke auf die Südwestfalen-IT (SIT) ist die Kreisverwaltung von der Außenwelt abgeschnitten. „Wir sind von allen Fachanwendungen abgeschnitten“, erklärt Pressesprecher Martin Reuther im Gespräch mit dieser Zeitung. „Es ist eine Katastrophe.“ Man könnte auch nicht auf andere Kreise ausweichen: Die Nachbarkreise, mit denen eh eng zusammengearbeitet wird, seien ebenfalls betroffen, und aktuell könne man sich nirgendwo einmieten, weil sonst die Gefahr bestehe, auch andere Anbieter mit der Ransomware zu infizieren.

Die größten Auswirkungen auf Bürgerinnen und Bürger hat die Lahmlegung des Kreises wohl in der Kfz-Zulassungsstelle. Aktuell können im HSK keine Autos an-, um- oder abgemeldet werden; denn auch die Spezialanwendungen für Kennzeichenreservierung und allem drumherum liegen auf den Servern, die aktuell von der Außenwelt abgeschottet und auf den Virus kontrolliert werden, so erklärt es Martin Reuther. Das hat aber nicht nur Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger - sondern auch auf die Autohäuser in der Region. Was bedeutet das im Speziellen für die Autohäuser in Meschede, wie gehen sie damit um?

Bis zum Jahresende muss es wieder gehen, sonst wird es kompliziert

Noch ist die Situation beim Mazda Autohaus Schmidt in Freienohl relativ entspannt: „Wir haben im November erst vier Fahrzeuge mit Zulassung im HSK-Kreis verkauft – die anderen gingen außerhalb unseres Kreises, zum Beispiel nach Paderborn“, erklärt Dirk Freisen. Er ist Verkäufer im Autohaus. Das ist jedoch nicht alles: Noch 20 weitere Neufahrzeuge sind auf dem Transportweg zum Autohaus, die alle für Kunden im HSK angemeldet werden müssen.

Autoverkäufer Dirk Freisen vom Autohaus Schmidt in Freienohl.
Autoverkäufer Dirk Freisen vom Autohaus Schmidt in Freienohl. © WP | Katharina Kalejs

Gundula Schmidt, Inhaberin des Autohaus Schmidt, ergänzt: „Wir treten in Vorkasse und bezahlen die Kundenfahrzeuge bei Mazda. Der Kunde wird uns jedoch das Fahrzeug erst abnehmen und bezahlen, sofern er es nutzen kann und das bedarf der Zulassung des Fahrzeugs.“ Die Liquidität der Händler werde extrem belastet werden, da die Neuwagen und Gebrauchtwagen nicht umgeschlagen werden können. Zusätzlich müssen die Handelsbetriebe Verkaufsziele erreichen, die über erfolgte Zulassungen gezählt werden. Verfehlt der Händler die Vorgabe seines Herstellers, kostet ihn das bares Geld.

Allerdings müssen bis Ende des Jahres noch 20 Neufahrzeuge für Kunden im HSK zugelassen werden. Die Neuwagen befinden sich derzeit noch auf dem Transportweg zu uns.
Dirk Freisen, Verkäufer beim Mazda-Autohaus Schmidt in Freienohl

Dirk Freisen: „Zusätzlich könnte es zu einer Kaufzurückhaltung kommen, da der Kunde sich bewusst ist, dass er das Fahrzeug nicht zulassen und damit nutzen kann.“ Hier versucht das Autohaus, die Kundinnen und den Kunden aufzuklären und auch unbürokratisch zu helfen, indem kostenlos Leihwagen zur Überbrückung zur Verfügung gestellt werden. „Allerdings ist die Anzahl der Leihfahrzeuge begrenzt und irgendwann ist auch der Platz auf dem Gelände ausgeschöpft, wenn die Autos nicht ausgeliefert werden können“, so Dirk Freisen.

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Trotz alledem hofft Freisen auf eine schnelle, unkomplizierte Lösung noch in diesem Jahr. „Super wäre eine Zulassung über einen nicht vom Hackerangriff betroffenen Landkreis. Wenn es bis zum Jahresende nicht geht, wird es nicht nur für uns Händler kompliziert, da keine Verkaufseinnahmen generiert werden können, sondern auch Privatleute könnten betroffen sein.“ Denn nur noch bis zum 31. Dezember gibt es für neu zugelassene Elektrofahrzeuge einen höhere Prämie - ab dem 1. Januar 2024 wird die Förderung sinken.

„Es muss schnell eine hemdsärmelige Lösung gefunden werden“

Weniger entspannt ist Silke Nowag, Geschäftsführerin des Volvo-Autohauses Berglar und Leib. „Das größte Problem aktuell ist das Platzproblem: Wir bekommen viele neue Wagen angeliefert und können nicht ausliefern - viel Platz auf dem Hof haben wir nicht mehr.“ Und auch die Vorgaben durch die Automarken können nicht erreicht werden, und die Einnahmen bleiben aus.

Autohaus Berglar und Leib in Meschede-Enste.
Autohaus Berglar und Leib in Meschede-Enste. © WP | Katharina Kalejs

Ihre Hoffnung? „Es muss schnell eine hemdsärmelige Lösung gefunden werden.“ Schon in den Coronajahren sei trotz all der Einschränkungen die Zusammenarbeit mit der Kfz-Stelle des Kreises immer sehr gut gewesen, nah an den Bürgerinnen und Bürgern und auch den Autohäusern. Auch jetzt erhofft sie sich eine gute Zusammenarbeit und eine praktikable Lösungsfindung. „Zumindest die Anmeldung von gekauften Autos muss wieder möglich werden.“

Das ist eine Vollkatastrophe!
Silke Nowag, Geschäftsführerin des Volvo-Autohaus Berglar und Leib

Was Nowag nicht versteht, ist, dass durch „so einen Angriff eine ganze Wirtschaftsspalte lahmgelegt werden“ könne in einer digitalen Zeit wie heute. „Das ist eine Vollkatastrophe!“ Nicht nur für das Autohaus, sondern auch für die Kundinnen und Kunden: Leasingverträge müssen jetzt verlängert werden anstatt erneuert, Menschen müssen weiter mit ihren alten Autos fahren - oder haben aktuell keins, weil der alte Gebrauchtwagen schon in Zahlung gegeben und weiterverkauft war, und das neue Auto kann nun nicht angemeldet werden. Auf Dauer werde das dafür sorgen, dass die Nachfrage einbrechen wird - eine Situation, die sie als höchst kritisch ansieht.

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„Was passiert denn, wenn bei einem Unfall ein Kennzeichen beschädigt wurde oder wenn es verloren geht? Gibt es überhaupt noch neue Siegel, um das Kennzeichen ersetzen zu können?“, fragt Nowag sich. Ja, antwortet der Kreis auf Anfrage dieser Zeitung: Bei Beschädigung der Kennzeichen könne man sich selbstverständlich in der Zulassungsstelle neue Siegel und auch neue Tüv-Plaketten holen. Dazu müssen lediglich die alten Kennzeichen und die Fahrzeugpapiere mitgebracht werden.

Auch, wie es wieder weiter geht, wenn die Programme irgendwann wieder laufen, bereitet ihr Sorge: „Jetzt stapeln sich hier die Autos - und dann kommt der riesige Andrang auf die Kfz-Stelle. Das ist ja logisch, das wird ja gar nicht zu stemmen sein.“

Irgendwann schlägt die Unzufriedenheit auch auf die Autohäuser um

Das Autohaus Hoffmann verkauft an fünf Standorten Autos aller VW-Marken, von VW und Audi über Skoda, Seat und Cupra. Vier dieser Standorte liegen im HSK: Sundern, Arnsberg, Meschede und Winterberg, dazu kommt eine Niederlassung in Burgwald-Bottendorf in Hessen. Während also in Hessen der Verkauf weitergehen kann und die Mitarbeitenden in Ausnahmefällen dorthin ausweichen können, steht in den HSK-Niederlassungen das Geschäft nahezu still.

Peter Hecht, Verkaufsleiter im Autohaus Hoffmann am Standort Meschede.
Peter Hecht, Verkaufsleiter im Autohaus Hoffmann am Standort Meschede. © Privat | Autohaus Hoffmann

„Wir sind äußerst unzufrieden“, sagt Peter Hecht, Verkaufsleiter des Autohauses in Meschede. „Aktuell gibt es noch Verständnis dafür, dass das Problem bei der Behörde liegt. Aber die Kunden sind unzufrieden, und irgendwann schlägt das auch auf uns um.“ Die bereits bestellten Autos werden ausgeliefert, der Platz wird langsam eng.

In Sundern konnten wir jetzt noch einen Pflegedienst mit neuen Autos ausstatten. Aber jetzt steht die alte Fahrzeugflotte hier, und wir können sie nicht abmelden.
Peter Hecht, Verkaufsleiter im Autohaus Hoffmann in Meschede

Das viel größere Problem: Das Autohaus Hoffmann hat viele Geschäftskunden, die auch Großbestellungen tätigen. „In Sundern konnten wir jetzt noch einen Pflegedienst mit neuen Autos ausstatten“, erzählt Hecht. „Aber jetzt steht die alte Fahrzeugflotte hier, und wir können sie nicht abmelden.“ Und solange die nicht abgemeldet seien, müsse der Pflegedienst auch weiter die Versicherung für die Fahrzeuge bezahlen.

Autohaus Hoffmann in Meschede.
Autohaus Hoffmann in Meschede. © WP | Katharina Kalejs

„Wir haben große Hoffnungen, in diesem Jahr noch einiges auf die Straße bringen zu können“, erklärt Hecht weiter. Schließlich seien die Autos bezahlt, die in den Autohäusern stehen, und vorm Jahresabschluss hätte man gern weniger totes Kapital herumstehen.