Meschede. In Deutschland soll die doppelte Staatsangehörigkeit grundsätzlich möglich werden. Ist die Reform reizvoll für Türken und Kurden in Meschede?
Die Bundesregierung plant die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Mit dem Gesetzentwurf soll unter anderem die so genannte „Mehrstaatigkeit“ in Deutschland zugelassen werden: Wer eingebürgert werden wollte, musste bisher seine alte Staatsbürgerschaft abgeben. Künftig soll die doppelte Staatsbürgerschaft grundsätzlich ermöglicht werden.
Bislang sind zwei Pässe nur Menschen aus der Europäischen Union, der Schweiz sowie aus Ländern, die ihre Bürger nicht aus der Staatsangehörigkeit entlassen, erlaubt. Für die rund 1,5 Millionen Türkinnen und Türken in Deutschland als größte ausländische Bevölkerungsgruppe gibt es diese Möglichkeit nicht: Sie haben in der Regel ihren türkischen Pass behalten.
„Wenn das durchkommt, mache ich das sofort“
In den Gemeinschaften vor Ort wird die geplante Neuregelung begrüßt. Menderes Polattimur gehört zum Vorstand der türkischen Gemeinde in Meschede, ihre Moschee ist an der Jahnstraße.
Der 46-Jährige hat selbst noch den türkischen Pass: „Wenn das durchkommt, mache ich das sofort. Mit zwei Pässen ist es optimal.“ Die Kinder der Gemeinde, alle hier geboren, hätten längst den deutschen Pass. Jede Familie aber habe noch jemanden, der den türkischen Pass besitze, sagt er: Das hat nicht nur emotionale Gründe, sondern auch eine ganz praktische Bedeutung - bei Grundstückskäufen in der Türkei zum Beispiel.
Ahmet Güner ist Vorsitzender der kurdischen Gemeinde in Meschede mit Sitz in der Lagerstraße. Auch der 53-Jährige hat den türkischen Pass. Wenn aber Arbeitskollegen ihn fragen, wie er sich bezeichne, dann antwortet er: „Ich bin ein deutscher Kurde“ - er lebt seit 40 Jahren hier. Auch die jungen Kurden, hier geboren, hätten zu 98 Prozent schon einen deutschen Pass - anders als die Älteren.
Türkischer Pass mit praktischer Bedeutung
Auch Güner glaubt, das neue deutsche Recht würde dann von vielen älteren Kurden in Anspruch genommen. „Das ist eine gute Politik“, sagt er zu den deutschen Plänen. Was er jungen Kurden stets sage: „Ihr müsst arbeiten, nicht von der Sozialhilfe leben.“
Damit folge er dem Arbeitsethos, das ihm schon sein Vater mitgegeben habe: „Du musst arbeiten, schwitzen und gewinnen.“ Güner bestätigt: Der türkische Pass sei bisher erforderlich, etwa bei Investitionen wie Grundstücksgeschäften in der Türkei.
Nach dem Beschluss im Kabinett wird der Gesetzentwurf an den Bundestag zur Beratung und Beschlussfassung weitergeleitet. Innenministerin Nancy Faeser hofft, dass die Reform Anfang 2024 in Kraft treten kann. Im Gesetzentwurf sind Regeln für den Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft formuliert. Dazu gehört, dass unter anderem eine gelungene Integration, gute Deutschkenntnisse und die eigenständige Sicherung des Lebensunterhaltes nachgewiesen werden müssen. Ein eindeutiges Bekenntnis zu den Werten einer freiheitlichen Gesellschaft soll Voraussetzung für die Einbürgerung sein.
Versuch, mehr Fachkräfte zu gewinnen
Angehörige der Gastarbeitergeneration sollen keinen Einbürgerungstest machen müssen. Als Sprachnachweis soll genügen, wenn sie sich im Alltag auf Deutsch problemlos verständigen können. In Deutschland geborene Kinder ausländischer Eltern sollen künftig vorbehaltlos die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten und die Staatsangehörigkeit ihrer Eltern behalten können: Dies gilt, wenn mindestens ein Elternteil seit mehr als fünf (statt bisher acht) Jahren rechtmäßig in Deutschland lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt.
>>> Lesen Sie hier: Nach Unglück bei Bestwig: So sieht der Neuanfang für die Familie aus <<<
Die erleichterte Einbürgerung ist Teil der Versuche, mehr Fachkräfte für Deutschland zu gewinnen. Bisher haben 14 Prozent der Bevölkerung in Deutschland keinen deutschen Pass, mehr als zwölf Millionen Menschen: 5,3 Millionen von ihnen leben seit mindestens zehn Jahren hier - wählen aber dürfen sie zum Beispiel nicht.