Meschede/Hochsauerlandkreis. In der Flüchtlingspolitik fordert HSK-Landrat Dr. Karl Schneider einen Kurswechsel. Abgelehnte Asylbewerber könnten kaum abgeschoben werden.
Landrat Dr. Karl Schneider verlangt mehr Ehrlichkeit: Über das Asylrecht und dessen Missbrauch müsse offen gesprochen werden, sagt er. Auch bei ihm kommen Hilferufe aus den Kommunen im Hochsauerlandkreis an, wo es an Unterkünften, Geld und Schulplätzen für Flüchtlinge fehlt. Der CDU-Politiker fordert im Interview einen Kurswechsel.
Zu hohe finanzielle Anreize
Wie sehen Sie die Situation im Hochsauerlandkreis?
Inzwischen hat auch der letzte verstanden, dass es mit der Migration so nicht weitergehen kann. Eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen scheint Konsens zu sein. Diese Begrenzung ist auch dringend nötig. Mir wird aus unseren Kommunen geschildert, dass es einen Überhang an Flüchtlingen gibt. Im Bereich der Ausländerbehörde des Hochsauerlandkreises haben wir allein 1243 Asylbewerber und abgelehnte Asylbewerber – dazu kommt noch Arnsberg mit seiner eigenen Ausländerbehörde.
Entscheidend sind aber die Zahlen der zugewiesenen Flüchtlinge jeweils bis zum 30. September. Waren es in 2021 noch 158, sprechen wir nun in 2023 von 773. Es ist kaum noch möglich, abgelehnte Asylbewerber abzuschieben: 2015 hatten wir noch 117 Abschiebungen, inzwischen nur noch 17 in diesem Jahr. Die Zahl der freiwilligen Ausreisen, für die es auch noch Leistungen gäbe, sind von 224 auf 20 gesunken – offenbar sind aber die finanziellen Anreize höher, hierzubleiben.
Im Schmallenberger Stadtgebiet entstehen zum Beispiel neue Unterkünfte für Flüchtlinge. Teilen Sie die Sorge von vielen Menschen darüber?
Integration verlangt auch Akzeptanz. Diese Akzeptanz schmilzt aber dahin. Die Integration klappt nicht so, wie sie sollte. Die Schulen sagen auch, sie sind überfordert: Dort wird gefragt, was an den Schulen noch alles geleistet werden soll. Auch Integrationskurse sind in der Masse nicht mehr zu leisten.
In den Dörfern geht die Akzeptanz zurück, Flüchtlinge unterzubringen: Fleckenberg zum Beispiel hat jetzt eine Unterkunft, nach Nordenau kommt eine. Die Menschen dort machen sich viele Gedanken darüber: Denn die Asylbewerber sind den ganzen Tag in den Dörfern und sind beschäftigungslos. Das macht den Menschen in den Orten Sorgen. Ich kann diese Sorgen verstehen.
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„Ist das gerecht? Diese Frage muss man stellen und beantworten!“
Sind die Leistungen für Flüchtlinge zu hoch?
Auch ein reiches Land wie Deutschland ist einmal überfordert. Europa müsste da solidarischer sein. Deutschland nimmt die meisten Flüchtlinge auf: Viele andere Länder drücken sich. Da muss sich etwas am Verteilungsmechanismus ändern. Es kann nicht alles auf Deutschland abgewälzt werden: Wir tragen eh schon die Hauptlast.
Dieser Staat, muss man sagen, ist auch selbst schuld daran, warum Flüchtlinge nach Deutschland wollen: Deutschland hat leider so hohe Standards gesetzt, die uns aber inzwischen überfordern – die Sozialleistungen, die wir zahlen, ziehen als „Pull-Faktor“ eben auch Flüchtlinge an. Ich höre inzwischen viele Leute sagen: „Ich arbeite seit vielen Jahren, ich zahle so viel in die Sozialsysteme ein, ich zahle so viele Steuern – und die Flüchtlinge kommen hierhin und bekommen so viele Leistungen.“ Ist das gerecht? Diese Frage muss man stellen und beantworten!
Sachleistungen würden Migration erschweren, sagt Landrat
In Baden-Württemberg fordern Landräte, dass Flüchtlinge schnell arbeiten sollten. Würden Sie sich der Forderung anschließen?
Ja, es wäre gut, wenn wir das auch hinbekommen würden. Wir wissen, dass vielen Flüchtlingen die Qualifikation fehlt, die wir auf dem Arbeitsmarkt eigentlich brauchen. Es ist leider nicht unser Arbeitssystem, das Flüchtlinge anzieht, sondern unser Sozialsystem. Ich höre in Betrieben, der Elektriker etwa in Afghanistan ist eben anders ausgebildet als bei uns. Man muss also unterscheiden: Flüchtlinge einerseits und andererseits Arbeitssuchende, die wir dringend brauchen. Wir brauchen eine Behörde, die Flüchtlinge betreut und eine andere für diese Arbeitssuchenden.
Teilen Sie die Forderung, Sachleistungen einzuführen, anstatt Geld zu zahlen?
Ja! Ich weiß zwar, wie schwer es ist, Sachleistungen umzusetzen. Aber wenn wir eine Begrenzung der Migration wollen, dann muss man auch darüber nachdenken, sie zu erschweren: Durch Sachleistungen würde sie bestimmt erschwert. Es hat sich bei Schleusern herumgesprochen: Die machen unter Flüchtlingen Werbung für Deutschland. Das kann es nicht sein.
„Man muss aufpassen, dass man die AfD durch solche Dinge nicht aufwertet“
Was sagen Sie zu der Zahnarzt-Äußerung von Friedrich Merz?
Ich will Friedrich Merz nicht über die Zeitung sagen, was ich davon halte. Das sage ich ihm persönlich. Auf der anderen Seite: Wir brauchen Zuspitzungen. Wenn die Innenministerin Nancy Faeser beispielsweise jetzt sagt, wir hätten Handlungsdruck beim Thema Flüchtlinge, dann muss man auch sagen: Wir haben schon lange Handlungsdruck - aber diese Bundesregierung hat ihn völlig vernachlässigt. Man muss aufpassen, dass man die AfD durch solche Dinge nicht aufwertet. Wenn wir keine befriedigenden Antworten in der Migrationspolitik geben können, tragen wir zu einer Stärkung dieser AfD bei – was wir nicht wollen.
Gegen Finanzierung von Seenotrettern
Was müsste sich Ihrer Meinung nach ändern in der Migrationspolitik?
Viele der Vorschläge teile ich: Kontrollen an den Außengrenzen, Abschiebungen wieder zu ermöglichen, auf Sachleistungen umzustellen. Wenn es die Qualifikation erlaubt, sollten Flüchtlinge auch sofort eine Arbeitserlaubnis bekommen. Und die europäische Solidarität ist gefordert: Es kann nicht sein, dass Italien Asylbewerber nach Deutschland schickt. Nach dem Dublin-Abkommen ist ein Land wie Italien für Asylbewerber zuständig, wenn diese dort als erstes in die EU kommen. Wir können doch nicht Verträge in der EU abschließen, wenn sie dann in einzelnen Ländern wieder aufgeweicht werden.
Was halten Sie davon, dass Deutschland Seenotretter im Mittelmeer mitfinanziert?
Auch der Bundeskanzler hat sich mittlerweile gegen eine solche Finanzierung ausgesprochen. Ich kann gut verstehen, dass die italienische Regierung nicht begeistert ist, wenn die von Deutschland finanzierten Organisationen wohl auch mit Schleppern zusammenarbeiten. Umso weniger ist zu verstehen, dass nun doch bis 2026 weiter Gelder fließen sollen.