Bestwig. Multiple Sklerose ist eine Krankheit mit tausend Gesichtern. Betroffene und Angehörige treffen sich regelmäßig in Bestwig. Warum das wichtig ist.

Weil sie so unterschiedlich verläuft, gilt die Multiple Sklerose (MS) als die Krankheit mit 1000 Gesichtern. In Bestwig treffen sich Betroffene und Angehörige immer wieder zum Austausch. Warum das wichtig ist und mit welchen Schwierigkeiten MS-Patienten im Alltag zu kämpfen haben, darüber haben wir mit Dagmar Krause gesprochen. Die Bestwigerin ist eine der treibenden Kräfte im zehnköpfigen Orga-Team der Gruppe „MS’ler im Sauerland“.

Frau Krause, seit wann gibt es die MS-Gruppe ?

Die Gruppe „MS’ler im Sauerland“ gibt es in der bestehenden Form seit 2021. Wir haben uns nach Corona quasi noch einmal neu gegründet.

Wie kommt es, dass Sie sich in der Fischerhütte in Bestwig treffen?

Während und nach Corona stand uns der Bürgertreff Bestwig nicht mehr zu den Bedingungen, wie wir sie kannten, zur Verfügung. Größere Auflagen konnten wir finanziell nicht mehr stemmen. Also haben wir intensiv versucht, eine neue Location zu finden. Bei einer der Krankenfahrten mit dem Taxi-Unternehmen Hegener & Hoffmann, bin ich dann mit Christian Hegener ins Gespräch gekommen. Wir sprachen darüber, dass wir für unseren Verein „MS’ler im Sauerland“ dringend einen neuen Treffpunkt suchen. Christian Hegener erzählte mir dabei von der Fischerhütte. Nach kurzer Zeit konnten wir dann mit dem MS-Orgateam die Hütte besichtigen. Wir waren freudig überrascht vom Verein der Fischerhütte in Bestwig, der uns vorschlug, in Absprache mit uns Verbesserungen für den Umgang mit Schwerbehinderten einzurichten. Im Juni 2022 hatten wir dann nach längerer Pause endlich wieder ein richtiges Treffen. Und das fand regen Zuspruch. Wir waren froh, uns nach so langer Zeit alle wieder live begrüßen zu können.

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Woher kommen denn die Teilnehmer?

Aus dem gesamten Sauerland - unter anderem aus Marsberg und aus Sunden.

Und warum treffen Sie sich dann ausgerechnet in Bestwig?

Dagmar Krause von der Gruppe „MS'ler im Sauerland“.
Dagmar Krause von der Gruppe „MS'ler im Sauerland“. © Mustafa Amet

Zum einen, weil wir eben das Glück hatten, mit der Fischerhütte in Bestwig überhaupt endlich eine Bleibe gefunden zu haben. Denn das war ja, wie gesagt, gar nicht so einfach. Zum anderen ist Bestwig dank der Autobahnanbindung für alle gut und schnell zu erreichen. Bestwig liegt in etwa in der Mitte des Bereichs aus dem unsere Teilnehmerinnen und Teilnehmer kommen.

Gab es die Gefahr, dass sich die Gruppe durch die Probleme, die Corona mit sich gebracht hat, auflöst?

Während Corona konnten wir uns nicht mehr physisch treffen. Dadurch war es eine Zeit lang sehr still um die Gruppe. Ein kleiner Kreis des Orga-Teams aus zehn Personen ist durch Online-Meetings aber immer in Kontakt geblieben.

Wie wichtig ist der Kontakt untereinander und worum geht es bei den Treffen?

Wir haben auch eine WhatsApp-Gruppe, in der wir uns immer wieder austauschen. Da geht es um Fragen, welche Therapien wir haben oder was man tun kann, wenn es einem schlecht geht. Es geht auch darum, welches Medikament jeder nimmt. So ist niemand mit der Krankheit Multiple Sklerose allein. Wir sind wie eine große Familie. MS ist die Krankheit mit tausend Gesichtern und jeder Tag ist anders. Viele Bekannte verstehen das nicht. Zeitweise, auch über längere Phasen, kann man zum Beispiel nicht richtig laufen oder sich nicht auf Dinge konzentrieren. Und genau hier kommt die Gruppe ins Spiel. Die Treffen sind für Angehörige genauso wie für die Betroffenen zum Austausch da. Man hört immer etwas Neues und kann es für sich selber mitnehmen. Außerdem ist es immer auch eine super Bereicherung, wenn Ärzte Vorträge halten.

„Da ist alles mit dabei“

Wie alt sind denn die Teilnehmer, die zu den Treffen kommen?

Das ist bunt gemischt. Unsere Teilnehmer haben ein Alter von 25 Jahren bis hin ins Rentenalter. Da ist alles mit dabei.

Inwieweit unterscheiden sich die Krankheitsbilder und Probleme der Teilnehmerinnen und Teilnehmer?

Einige Betroffene sitzen im Rollstuhl oder haben Einschränkungen in den Beinen und Armen. Nerven sind angegriffen und geschädigt. Es ist schon blöd, wenn der eigene Körper sich selbst attackiert. MS ist ja eine Autoimmunkrankheit. Ich erkläre es immer gern an einem Beispiel: Es ist wie ein Stück Kabel, das durchtrennt ist und durch das kein Strom mehr fließt. So sind bei uns im Kopf einige der Nervenbahnen auch kaputt. Auch Konzentrationsschwierigkeiten haben viele von uns. Die Schwierigkeit für viele Betroffene ist es zum Beispiel, dass sie das Gefühl haben, sich erklären oder rechtfertigen müssen. Manch ein Außenstehender versteht es nicht, warum man im Rollstuhl sitzt, aber trotzdem ein paar Schritte laufen kann. Man verliert durch die Krankheit auch viele Freunde. In der schweren Zeit erkennt man die wahren Freunde und die kann man am Ende oft an fünf Fingern abzählen.

„Traut euch und kommt zu uns“

Haben Sie eine Botschaft an MS-Erkrankte oder Menschen, die mit MS-Patienten zu tun haben?

Ja, die habe ich: Traut euch und kommt zu uns. Ihr seid herzlich willkommen! Manchmal braucht es Zeit, sich zu der Krankheit zu bekennen und damit zu leben. Auch dafür ist unsere Gruppe „MS’ler im Sauerland“ da.

Wie kann man Sie denn erreichen, wenn man Interesse hat, an den Treffen teilzunehmen?

Am besten und am einfachsten geht das immer über unsere Mail-Adresse MS-ler-im-Sauerland@gmx.de. Unsere Treffen finden etwa alle drei bis vier Monate statt. Und wie gesagt: Wir freuen uns über jeden, der dabei sein möchte - auch über Angehörige oder alle anderen Menschen, die mehr über MS erfahren möchten. Zunächst waren wir nach Corona 18 Leute und durch Aufenthalte in der Sauerlandklinik Hachen kommen immer neue hinzu.

  • Multiple Sklerose ist eine Krankheit, die das zentrale Nervensystem betrifft und weltweit rund 2,5 Millionen Betroffene hat. Dabei liegt das typische Erkrankungsalter zwischen 20 und 40 Jahren.
  • Die Symptome, wie auch der Krankheitsverlauf, sind vielfältig, weshalb von der „Krankheit der 1000 Gesichter“ die Rede ist. Statistisch sind die Symptome am häufigsten in Form von Empfindungsstörungen an Armen und Beinen sowie Sehstörungen.
  • Die Krankheit ist mittlerweile gut behandelbar und die Lebenserwartung kaum noch verkürzt.