Meschede. Frechheiten von Jugendlichen in Meschede, Radfahrer in Fußgängerzone, Autoposer, Elterntaxis: Die Erfahrungen von Ludger Siepe bei der Polizei.

Ludger Siepe kennt Meschede ganz genau. Er ist einer von zwei Bezirksdienstbeamten der Polizei. Unter anderem gehört der Hennesee zu seinem Revier. Im Seegespräch spricht er über die Sache mit dem Respekt, über Radfahrer in der Fußgängerzone, über unsinnige Autofahrten in der Innenstadt – und übervorsichtige Eltern an Schulen.

„Frechheiten von Jugendlichen haben zugenommen“

Mit Blick auf den See hier: Ist der Hennesee polizeilich betrachtet eher ein ruhiges Gewässer?

Polizeilich hält sich das hier schon alles sehr in Grenzen. Baden im See birgt natürlich immer Gefahren und da kann es schon mal zu gefährlichen Situationen kommen. Daher bitten wir alle Besucher, hier sehr vorsichtig zu sein und die Baderegeln zu beachten. Es gibt schon mal Verkehrsprobleme, wenn Autos auf dem Randstreifen stehen.

Gibt es in Meschede Entwicklungen, die Sie besorgt beobachten?

Es gibt zunehmend einen mangelnden Respekt auch der Polizei gegenüber. Die Frechheiten von Jugendlichen haben zugenommen, etwa seit zwei Jahren fällt mir das auf. Die sagen: „Pack mich nicht an!“ „Lass mich los!“ „Das darfst du nicht. Ich kenne meine Rechte.“ Man wird geduzt, polizeiliche Maßnahmen werden stellenweise in Frage gestellt. Oder es gibt stellenweise eine übertriebene Freundlichkeit: „Hallo, wie geht es Ihnen? Haben Sie einen schönen Tag!“ Ich merke ganz genau, wenn das nicht ernst gemeint ist. Das ist eine Provokation auf eine andere Art.

Wasserbomben bis in die Geschäfte hinein

Geht der Respekt vor dem Schutzmann verloren?

Den gibt es noch: Im Kindergarten bei der Verkehrserziehung sind noch alle ganz begeistert von der Polizei, in der Grundschule auch noch. Aber auf den weiterführenden Schulen ist es teilweise anders. Neulich habe ich zwei Mädchen angesprochen, die an der Ruhr saßen und ihre Füße auf einer Bank hatten – „da möchten sich andere noch hinsetzen“, sagte ich. Die lachten sich kaputt darüber. Schließlich konnte ich sie aber überzeugen.

Was beobachten Sie noch?

Im Treppenhaus vom Henne-Ruhr-Markt hängen Jugendliche ab, wir hören Beschwerden, dass Wasserbomben bis in die Geschäfte hineingeworfen werden oder zwischen den Regalen Fangen gespielt wird. Wenn die Angestellten sie darauf ansprechen, werden sie teils verbal angegangen. Das ist ein neues Phänomen hier. In den späten Nachmittagsstunden gehen neuerdings wahrscheinlich eben diese Jugendlichen durch die Stadt und fallen auf. Wir haben im Blick, wie sich das entwickelt: Werden da vielleicht Grenzen ausgetestet? Straftaten oder andere Störungen werden wir nicht dulden und gehen konsequent dagegen vor.

Bahnhofsumfeld: Wartehäuschen wieder von Szene frei

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Nein. Ich könnte mir zumindest vorstellen, dass Jugendliche über sozialen Medien zum Beispiel Treffen verabreden. Kinder und Jugendliche nutzten das ja typischerweise intensiver.

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Wie nehmen Sie den Bereich rund um den Bahnhof wahr?

Der Bereich rund am Bahnhof und am Zentralen Omnibusbahnhof ist auch ein Treffpunkt der Trinker- und Drogenszene. Wir haben es in Zusammenarbeit mit der Stadt geschafft, die Wartehäuschen von der Szene freizubekommen, damit man sie wieder nutzen kann. Wie der Name schon sagt: Wartehäuschen sind nicht dafür da, um sich dort regelmäßig zu treffen und Bier zu konsumieren. Die Szene trifft sich momentan unter der Ruhrbrücke. In Meschede ist das aber sehr überschaubar.

Radfahrer in Fußgängerzone nicht gleichberechtigt

Worauf werden Sie bei Ihren Streifengängen angesprochen?

Hauptthema ist immer das Radfahren in der Fußgängerzone. Manche stört das, es laufen schließlich auch Kinder dort herum. Wenn da ein Radfahrer richtig durchheizt, ist das nicht ungefährlich. Ich spreche auch Radfahrer an, die es übertreiben. Aber die meisten fahren schon vernünftig. Meschede hat eine der wenigen Fußgängerzonen, in denen man auch Rad fahren darf. Wie der Name schon sagt: Es ist eine Fußgängerzone. Da bin ich als Radfahrer nicht gleichberechtigt, sondern bin untergeordnet und muss noch mehr Rücksicht nehmen.

Was fällt Ihnen bei Autofahrern in der Innenstadt auf?

Manche kennen nicht den Unterschied zwischen Halte- und Parkverbot. Wenn ich sie darauf anspreche, höre ich oft: „Ich stehe ja noch nicht lange hier. Ich fahre doch gleich weg.“ Manchmal muss man da schon energischer werden: Manche Autofahrer sind nicht so einsichtig, was die Verkehrsregeln angeht.

Der Winziger Platz ist abends teils gut besucht: Der wird zur Flaniermeile, wo dann teurere große Autos herumfahren, in denen häufig nur einer sitzt – um gesehen zu werden. Es gibt auch Autofahrer, die mit ihren Autos auffallen wollen und die auf der Fritz-Honsel-Straße unnötig umherfahren. Ich habe schon einige Anzeigen geschrieben wegen diesem unnötigen Lärm – das kostet rund 70 Euro an Bußgeld. Gesetzesverstöße werden wir weiterhin nicht tolerieren.

„Die Leute reagieren schon pikiert, weil sie sich erwischt fühlen“

Worüber schütteln Sie den Kopf?

Ich kann es persönlich nicht verstehen, warum Leute ihren Müll wegwerfen oder wenn irgendwas beschmiert wird. Es gibt doch überall Mülleimer! Sehe ich, dass jemand etwas wegwirft, und sei es noch nur seine Zigarettenkippe, dann spreche ich den natürlich an und lasse das aufheben. Die Leute reagieren schon pikiert, weil sie sich erwischt fühlen und in aller Öffentlichkeit darauf angesprochen werden.

Welche Erfahrungen machen Sie in den Schulen?

Die Radfahrausbildung machen unsere Verkehrssicherheitsberater. Ich war aber früher häufig dabei. Man merkt schon, dass immer weniger Kinder Rad fahren können. Die Motorik ist nicht mehr da: Einen Arm rauszuhalten und sich umzuschauen, fällt vielen schon schwer. Das ist beunruhigend. Die Polizei kann Kindern aber nicht auch noch das Radfahren beibringen, das müssen schon die Eltern leisten.

Elterntaxis: „Man muss auch nicht genau vor der Schule parken“

Jetzt geht die Schule wieder los: Sie werfen dann auch einen kritischen Blick auf die Elterntaxis?

Vor Schulbeginn finden immer die Elternabende an den Schulen statt. Wir sprechen dabei über den sicheren Schulweg, wie Kinder im Auto gesichert werden, wir weisen die Eltern darauf hin, dass Kinder bitte nicht zur Fahrerseite aussteigen sollen. Das nicken auch alle ab. Später wird das teilweise wieder vergessen: Dann steigen die Kinder wieder gefährlicher Weise zur Fahrbahn hin aus.

Betrifft das alle Schulen?

Eigentlich ist das Problem flächenübergreifend. Die Lehrer und Lehrerinnen sagen, wenn die Polizei dasteht, dann klappt es auch meistens - aber sobald wir nicht da sind, wird wieder entgegengesetzt der Fahrtrichtung gehalten, die Eltern-Autos stehen auch länger da, als sie dürfen. Viele fahren nicht eher los, bis das Kind in der Schule verschwindet. An manchen Schulen gibt es zeitversetzte Anfangszeiten, dadurch entspannt sich das. Man kann sich darauf einstellen, dass wir dort kontrollieren werden.

Ihr Rat lautet?

Kinder dürfen sehr gerne auch zu Fuß gehen, das ist gut für die Gesundheit – und für den Austausch unter Mitschülern. Man muss auch nicht genau vor der Schule parken, man kann auch ein paar Meter weiter entfernt halten und die Kinder dann laufen lassen. Es ist doch eigentlich ganz einfach.

>>> Zur Person <<<

Ludger Siepe ist 60 Jahre alt, er ist seit 1979 bei der Polizei. Der Polizeihauptkommissar kommt aus Wehrstapel.

Er war von 2000 bis 2012 Bezirksdienstbeamter in Meschede, danach bis 2019 in Eslohe, seit Dezember 2019 versieht er wieder in der Kreisstadt seinen Dienst.