Meschede. Einer der stärksten Männer der Welt besucht Meschede. Er rät: Es ist nie zu spät, mit Sport anzufangen. Ernährung sollte man nicht überschätzen.

Er hat nicht weniger als den Anspruch, „die Menschheit unfassbar stark zu machen“. Alexander Pürzel sagt das aber mit einem Augenzwinkern. Selbst ist der Österreicher einer der stärksten Männer der Welt – lange Jahre als Wettkampfsportler, unter anderem Goldmedaillengewinner bei den Europameisterschaften im Kraftdreikampf.

Heute betrachtet er den Sport wissenschaftlich. In der „Sportwerkstatt“ von Stephan Entian in Enste bei Meschede schulte der 39-Jährige jetzt Trainer aus ganz Deutschland. Im Interview verrät er, warum Muskeln so wichtig sind, Sport auch im Alter möglich ist – und man die Ernährung nicht überschätzen sollte.

Die Strukturen des Körpers stärken

Hat der Fachmann einen Tipp: Wie kommen Couch-Potatoes in Bewegung?

Man muss Bewegung positiv sehen: Ich darf mir nicht immer einreden, dass der innere Schweinehund überwunden werden muss, dass es anstrengend wird, dass mich Bewegung Opfer kostet. Ganz ehrlich: Ich will auch keine Tätigkeit machen, die ständig Opfer von mir verlangt! Ich will stattdessen Dinge machen, die mich positiv bestärken.

Und Krafttraining bestärkt positiv: Denn mit jeder einzelnen Wiederholung wird meine Struktur stärker. Ich verstärke mich dadurch. Wenn man es schafft, Fitness unter dem Aspekt der persönlichen Weiterentwicklung seiner vorhandenen Fähigkeiten zu sehen, dann hat das einen viel besseren Lerneffekt.

Nicht zu viel über Fehler nachdenken

Welche Fehler begehen Anfänger beim Sport?

Anfänger machen sich beim Sport zu viele Gedanken darum, was sie für Fehler machen könnten. Es gibt natürlich kleine Dinge, die muss man richtig machen - mit wenigen Coaching-Stunden sind die aber erledigt. Im Krafttraining setzt man sich an die Maschinen, die sind selbsterklärend, da kann man nicht viel falsch machen. Kniebeugen oder Kreuzheben, das kann man schnell erlernen.

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Braucht es Anleitung – oder nicht?

Je besser der Trainer oder die Trainerin sind, desto schneller schafft man, was man schaffen will. Es gibt natürlich Fitnessstudios, die sind nicht auf Trainerstunden spezialisiert, sondern bieten nur Geräte an. Dafür zahlt man aber wenig. Das hat auch Vorteile: Dadurch kommen Leute zum Training, die sich das sonst nicht leisten könnten. Wenn ich aber als Kunde mehr verlange, sollte ich eben mehr in eine kompetente Beratung und effektivere Geräte investieren.

„Man kann sich immer verbessern“ - auch im Alter

Ist es im Alter zu spät, mit dem Sport anzufangen?

Es ist niemals zu spät! Die Belastung durch den Sport und die daraus erfolgende Reaktion im Körper verbessert in jedem Alter den passiven und den aktiven Bewegungsapparat. Wenn man noch nicht damit begonnen hat, dann muss man als Senior mit Sport anfangen.

Es ist auch ein großer Irrglaube, dass man keine Verbesserungen erzielen würde: Man kann sich immer verbessern! Und es ist unfassbar, was man auch im Alter erreichen kann, wie die Lebensqualität steigt und wie die Kosten für die medizinische Versorgung sinken – etwa für die Osteoporose-Prophylaxe. Die Fähigkeit, gehen zu können, nimmt im Alter massiv ab. Aber diese Grundfähigkeit, die in jedem steckt, wird massiv unterstützt durch mehr Muskelmasse.

Das ist ein klares Bekenntnis zum Aufbau von Muskulatur?

Ganz klar. Für den Bewegungsapparat gibt es nichts Sinnvolleres, als für mehr Muskeln zu trainieren - durch unterschiedliche Übungen und in unterschiedlichen Wiederholungszahlen. Muskelmasse ist ein Resultat davon. Durch das Training dafür entsteht aber auch eine erhöhte Knochendichte und eine erhöhte Mobilität – und letztlich mehr Lebensqualität. Natürlich braucht man zusätzlich auch Ausdauertraining.

Was tun bei: „Ich habe Rücken“

Man hört häufig die Klage, „Ich habe Rücken…“. Was raten Sie da?

Generell helfen Reize durch Krafttraining und Bewegung. Bei akuten Schmerzen braucht man professionelle Hilfe. Der Körper braucht aber grundsätzlich starke Strukturen. Langfristig gesehen helfen Kraftanreize. Bei allem Muskelaufbau aber sollte man auch nicht vergessen, viel spazieren zu gehen: Diese leichte Rotation, die dadurch in der Wirbelsäule erzeugt wird, hat eine regenerierende Wirkung und wirkt sich positiv auf Nerven- und Knorpelstrukturen aus. Rückenpatienten sollten auf jeden Fall Schritte machen.

Muss man seine Essgewohnheiten verändern?

Man kann Optimierungen treffen: Genügend trinken, genügend Gemüse essen – was eh jedem klar ist, aber was kaum jemand macht. Und man sollte anfangen, selbst zu kochen und nicht immer essen zu gehen oder Fertigprodukte zu essen. Dann bekommt man einen anderen Bezug zur Ernährung. Aber ob eine Mahlzeit so und so viel Eiweiß hat, so und so viel Kohlenhydrate, so und so viele Fette: Ja, im Extremfall ist das problematisch. Aber wenn ich mein Essen vielfältig gestalte, ist das gar nicht so wichtig, wie man glaubt. Stattdessen: Frisch kochen, regional kochen, genügend Wasser trinken, genügend Gemüse essen – fertig!

Die Sache mit den Faszien

Faszientraining ist gerade angesagt. Jeder Discounter bietet inzwischen dafür Rollen an. Macht das Sinn?

Fasziales Training ist im Endeffekt ein Training mit extrem schwerer Last. Man sollte nicht auf einer Rolle herumrollen! Faszien reagieren nur auf höchste Reize. Die erreiche ich nur durch massive Spannungen und ein Krafttraining. Dadurch werden meine passiven Strukturen, die Sehnen und Bänder zug- und druckfester.

Kräftig zu sein bedeutet nicht, Berge von Muskeln zu entwickeln?

Absolut nicht. Muskelmasse ist nur ein Begleitprodukt davon, kräftig zu sein. Wenn ich sage, mir reicht meine Muskulatur – dann ist das doch völlig in Ordnung. Muskulatur ist nichts anderes als eine Ressource, die ich aufbaue und von der ich im Alter zehre – oder wenn ich krank werde. Wenn das zufällig auch in ein optisches Ideal hineinpasst: Okay, schön und gut!

>>> ZUR PERSON <<<

Alexander Pürzel hat Sport, Geschichte und Sozialkunde studiert. Er promoviert in Wien an der Universität in Sportwissenschaften, in der Abteilung für Bewegungswissenschaften.

Er beschäftigt sich mit Biomechanik im Sport: Sie misst und errechnet die Kräfte, die auf einen Körper wirken.

Sein Buch „Kniebeuge, Bankdrücken, Kreuzheben – Mit funktioneller Bewegungsanalyse zur Peak Performance“ ist ein Bestseller in der Fitness-Szene.