Enste. Aktuell gibt es wieder Grabungen in Meschede-Enste. Was dort passiert und warum das Klima bei den Überlegungen zu den Arbeiten eine Rolle spielt.
Direkt neben dem Ensthof in Meschede setzt aktuell ein großer Bagger an und trägt in breiten Spuren die oberste Erdschicht ab. Dabei geht es nicht vorrangig um den Bau eines neuen Firmengeländes, auch wenn das der Anlass ist.
Erweiterung der Firma Briloner
Immer wenn Neubauten im Ruhrtal geplant sind, rückt die archäologische Denkmalpflege des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) an. Sie untersucht den Boden auf Spuren früher Besiedlung, bevor die Bagger diese unwiederbringlich zerstören. Auch jetzt ist das wieder der Fall.
Momentan allerdings läuft erst das Verfahren zur Änderung des Bebauungsplans – in dessen Rahmen finden auch die Bodenuntersuchungen statt. „Ziel ist es, auszuschließen, dass sich an dieser Stelle noch Bodendenkmale befinden. Erst nach einem Abschluss des Änderungsverfahrens würde – oder wird – es in die Vermarktung und dann in die Beplanung des Areals gehen. Das Grundstück befindet sich aktuell im Eigentum der Wirtschaftsförderung des HSK“, erklärt Jörg Fröhling Pressesprecher der Stadt. Oberhalb hatte zuletzt die Firma Briloner erweitert. Entstehen wird dort noch ein Hochregallager. Was im Süden, angrenzend an die L743, passiert, ist noch nicht offiziell bekannt. Der LWL hatte zur Auflage gemacht, dass bevor dort gebaut wird, eine so genannte Sachverhaltserkundung gemacht wird.
Geoprofil und Sondage-Schnitte
Denn das Amt für Archäologie in Olpe geht davon aus, dass es dort - wie schon auf den benachbarten Grundstücken - fündig wird. Aktuell zieht daher die archäologische Fachfirma Archaeonet aus Bonn dort so genannte Sondage-Schnitte und erstellt ein Geoprofil. „Es geht darum zu schauen, ob dort früher Menschen gesiedelt und welche Spuren sich erhalten haben“, erklärt Dr. Eva Cichy, wissenschaftliche Referentin des LWL.
Funde werden dokumentiert
Gibt es Auffälligkeiten, werden die weiteren Erdschichten vorsichtig abgenommen, die Funde dokumentiert und anschießend alles wieder zugeschüttet. „Wenn dann der Bagger für den Neubau kommt, sind diese zwar unwiederbringlich verloren, aber wir haben die Dokumentation.“ Sie rechnet damit, dass der erste Arbeitsschritt schon Mitte nächster Woche abgeschlossen sein wird. Dann sei klar, ob es sich lohne, weiterzuforschen.
Die bisherigen Grabungen hatten gezeigt, dass man dort durchaus etwas erwarten kann. „Wir wissen, dass weiter Richtung Meschede, entlang des Grigelbaches, schon in den Jahren vor Christi Geburt gesiedelt wurde“, erklärt die Archäologin. Laut LWL war dort 2020 „die älteste bisher bekannte bäuerliche Siedlung der Region“gefunden worden.
Frühmittelalterliche Spuren
Weiter gab es dort frühmittelalterliche Spuren aus dem 7. bis 8. Jahrhundert. Mit ebenfalls spannenden Erkenntnissen: „Wir haben dort zum Beispiel importierte Keramik aus dem Rheinland gefunden, was zeigt, dass es Austausch zwischen den Regionen gab.“ Für Westfalens Mittelgebirge sei das eine kleine Sensation gewesen. „Möglicherweise wurde die Ruhr mit kleinen Booten beschifft oder Schiffe dort entlang gezogen.“ Außerdem fanden die Archäologen so genannte Rutenberge, auf denen die Bauern im frühen Mittelalter Heu lagerten „Deshalb gehen wir davon aus, dass dort Viehhaltung betrieben wurde.“
Klimawandel als Grund für die Besiedlung
Doch warum gaben die Menschen irgendwann diesen Siedlungsplatz auf „Das ist eine ungeklärte Frage, die uns sehr beschäftigt“, sagt Eva Cichy. „Wir vermuten, dass die Besiedlung - hochaktuell - mit dem Klima zusammenhing. In beiden Perioden war es in Westfalen deutlich kühler als in den Zeiten davor und danach.“ Das sei eventuell der Grund gewesen, warum Menschen an den Hang über der Ruhr zogen, ein guter Ort mit viel Sonne, „anscheinend ein idealer Wohnort“.