Meschede. 400 Menschen müssen in Meschede ihre Wohnungen verlassen: Einsatz dauert acht Stunden. Alle Hintergründe dazu.
Diesen Abend werden 400 Menschen in Meschede nicht vergessen: Es war der Abend, an dem die Feuerwehr bei ihnen klingelte – und sie alle ihre Häuser verlassen mussten.
Gegen 22.45 Uhr war am Dienstag im Mescheder Stadtgebiet über die Warn-App Nina und per Cell Broadcast der Notfall ausgerufen worden. Erstmals musste großflächig ein Wohngebiet evakuiert werden. Gegen 17 Uhr war im Neubaugebiet Unterm Hasenfeld in Meschede, auf dem Gelände der ehemaligen Honsel-Villa, von einem Baggerfahrer eine Bombe entdeckt worden – sie löste diesen Großeinsatz aus, der letztlich rund acht Stunden dauerte.
Fliegerbombe mit Zeitzünder
Die Federführung übernahm die Stadtverwaltung mit ihrem Ordnungsamtsleiter Georg Voß: Die Stadt ist auch für Gefahrenabwehr zuständig. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst Hagen der Bezirksregierung Arnsberg wurde eingeschaltet. Hier war schnell klar: Es muss dringend gehandelt werden – schließlich kann sich alleine durch die Berührung der Bombe durch den Bagger etwas im Inneren des Sprengkörpers verändert haben.
Bei der Bombe handelte es sich um eine 250 Kilogramm schwere amerikanische Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg. Sie war noch funktionsfähig, hätte also jederzeit explodieren können.
Vermutlich ist sie von einem US-Tiefflieger bei den Luftangriffen auf die Bahnstrecke oder die Honsel-Werke abgeworfen worden, weil sie mit einem Zünder mit Zeitverzögerung versehen war – der hätte dem Piloten nach dem Bombenabwurf die nötige Zeit verschafft, um den Bereich für sich noch sicher zu verlassen.
Evakuierung innerhalb einer Zone von 250 Metern
Die Art der Bombe bestimmte dadurch auch, wie jetzt gehandelt werden musste. Der Kampfmittelräumdienst legte eine Zone von 250 Meter fest: Innerhalb dieses Radius musste für die Entschärfung alles geräumt werden.
Nun musste aber erst festgestellt werden, wer alles in dieser Zone an der Nördeltstraße, Unterm Hasenfeld, Hünenburgstraße, Freiligrathstraße, Hardtstraße, Maiknapp und Uhlandstraße wohnt, wie viele Menschen evakuiert werden müssten – und wie das praktisch umgesetzt werden sollte. „Da steckte ganz viel Koordination dahinter“, sagt Holger Peek vom Löschzug Meschede. Der Feuerwehr und dem DRK kamen dabei die zentralen Rollen zu.
„Blickpunkt“ liegt genau an der Grenze
Am Ende waren es 400 Betroffene – wer bei 251 Metern außerhalb wohnte, konnte in seiner Wohnung bleiben, wer noch knapp in der Zone war, musste sie verlassen.
So fiel ein Teil des Seniorenzentrums „Blickpunkt“ an der Nördeltstraße in die Evakuierungszone, der andere nicht: Betroffen war der Neubauteil mit den Appartements, die Bewohner konnten allerdings innerhalb des „Blickpunktes“ in Sicherheit gebracht werden. Nicht betroffen war das DRK-Seniorenzentrum Bernhard-Salzmann-Haus. Ganz am Rand lag auch ein kleines Stück der Bahnstrecke innerhalb der möglichen Gefahren-Zone: Auch sie musste deshalb gesperrt werden.
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Die Feuerwehr zog insgesamt 117 Helfer aus dem ganzen Stadtgebiet nach Meschede zusammen. Sie mussten die Sperrung und Evakuierung praktisch umsetzen. Die Anforderung, die Katastrophenfall-App auszulösen, wurde von der Feuerwehr an die Kreisleitstelle weitergegeben – in Enste wurde das dann umgesetzt. Insgesamt 14 Sperrpunkte an den Straßen wurden errichtet: Man konnte von dort aus nur noch die Zone verlassen, ab 23 Uhr durfte sie aber niemand mehr in Gegenrichtung betreten.
Zentrale Betreuungsstelle beim DRK
Die Feuerwehrleute kontrollierten anschließend die Häuser in der Zone und klingelten auch noch – das war nötig, denn der ein oder andere hatte nichts von dem Alarm gehört. Zwischenfälle sind nicht bekannt geworden. Die Stadt hatte auch ein Infotelefon eingerichtet, es gab etwa 30 Anrufe. Auch dort machte man die Erfahrung: „Es haben alle sehr diszipliniert mitgearbeitet“, lobt Stadtsprecher Jörg Fröhling.
Die Feuerwehr setzte in erster Linie auf Selbsthilfe: Für die Zeit der Entschärfung sollten die Betroffenen zu Bekannten oder Verwandten. Wer das nicht konnte, für den war im Gebäude des Deutschen Roten Kreuzes an der Kolpingstraße eine zentrale Betreuungsstelle eingerichtet worden. Für das betroffene Gebiet wurde ein Bus-Dienst organisiert, der alle zum DRK brachte, die nicht selbst fahren können. 39 Einsatzkräfte des DRK kümmerten sich im Zentrum um die Menschen. Holger Peek lobt für die Feuerwehr die „gute und strukturierte Zusammenarbeit“ aller Beteiligten.
Auch Kreisrotkreuzleiter Carsten Kersenbrock lobt die vorbildliche Zusammenarbeit mit der Feuerwehr.
75 Mescheder und Meschederinnen wurden in der Zeit der Evakuierung an der Kolpingstraße betreut und versorgt, neun von ihnen waren vom DRK auch zuhause abgeholt und nach Ende des Einsatzes zurückgebracht worden. Alles sei sehr diszipliniert verlaufen, niemand habe sich aufgeregt, jeder habe Verständnis gezeigt - „und nachher waren alle glücklich, wieder nach Hause zu können“.
Die eigentliche Entschärfung der Fliegerbombe dauerte etwa eine halbe Stunde. Um 0.37 Uhr kam die Entwarnung: Alles war gut verlaufen, die Sperrungen wurden aufgehoben. Ab 0.45 Uhr konnten alle Betroffenen in ihre Wohnungen zurückkehren. Für die Rettungskräfte endete der Einsatz gegen 2 Uhr.