Meschede. Die Diagnose Endometriose erhält die Meschederin erst 2020. Davor hielt man ihre Perioden-Schmerzen für normal. Das ist ihre Geschichte.
Sarah* aus Meschede ist 31 Jahre alt und leidet unter Endometriose. Die Diagnose erhielt sie jedoch erst 2020 – also nach 15 Jahren. 15 Jahre, in denen Ärzte ihre massiven Beschwerden als „normale Regelschmerzen“ abgetan haben. Uns berichtet die Meschederin, wie die chronische Krankheit ihr Leben und ihren Kinderwunsch beeinflusst.
Hier erzählt sie ihre Geschichte: Ich merkte, wie mir im Lateinunterricht schwarz vor Augen wurde. Ich lief zur Toilette, da klappte ich dann zusammen. Ich hatte meine Tage, solche Ohnmachtsanfälle kamen häufiger vor. Mit 13 Jahren hatte ich meine Periode zum ersten Mal, sie war seitdem immer mit Schmerzen begleitet. Alle sagten damals, dass das normal sei. Regelschmerzen gehören eben dazu und bei manchen sind sie einfach stärker. Für mich war es also irgendwie normal.
Nächte voller Schmerzen
Die Nächte voller Schmerzen auf dem Badezimmerboden, Erbrechen und Durchfall, Schmerzen, die so stark waren, dass ich teilweise nicht laufen konnte. Die üblichen Tricks – Bewegung, Wärme, Pille – halfen nicht, und auch Schmerzmittel brachten nur eine kurze Erholung.
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Natürlich redete ich auch mit meinen Freundinnen darüber, bei ihnen waren die Beschwerden längst nicht so stark. Auch die Blutung nicht. Ich musste quasi jede Stunde zur Toilette. Ausflüge oder Klassenfahrten musste ich gut vorbereiten. Ich nahm dann die Pille länger, um die Periode zu verschieben.
Zweifel an Diagnosen
Ich würde mich selbst nicht als wehleidig oder schmerzempfindlich bezeichnen, das bin ich auch bei anderen Erkrankungen nie. Deshalb zweifelte ich schon irgendwann an den Diagnosen der Ärzte. Diese Schmerzen sind nicht normal. Mit 17 oder 18 googelte ich. Die Symptome passten zu Endometriose – eine Krankheit, bei der sich gebärmutterähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter befindet und während der Periode stark schmerzt. Es bilden sich Entzündungsherde im Bauch.
Die Krankheit war damals noch nicht so bekannt und erforscht, weshalb ich auch meinen Ärzten keinen Vorwurf mache.
15 Jahre später
Nach dem Studium wechselte ich zu meinem jetzigen Gynäkologen in Meschede. Er stellte die richtige Diagnose. 15 Jahre nachdem ich das erste Mal meine Tage bekommen hatte. Er riet mir auch zu einer Operation, um die Entzündungsherde in meinem Bauch entfernen zu lassen. Die Hoffnung war, dass dadurch die Schmerzen gelindert werden und es mit dem Schwangerwerden klappt. Beides ist leider bisher nicht der Fall. Leider ist es so, dass viele Frauen mit Endometriose auch Schwierigkeiten haben, schwanger zu werden.
Ich nehme also weiter Schmerzmittel und versuche, mir während meiner Periode viel Ruhe und Wärme zu gönnen. Auch über die Ernährung versuche ich, meinem Körper Gutes zu tun. Sport hilft mir – anders als bei anderen Betroffenen – leider nicht. Ich versuche einfach, besonders auf mich zu achten.
Angst gehabt
Nach der Bauch-OP begann ich also eine Hormontherapie, um das Wachstum der Eibläschen zu stimulieren. Leider hat das nicht geklappt. Der nächste Schritt wäre jetzt der Gang in die Kinderwunschklinik. Das schiebe ich allerdings vor mir her, weil ich große Angst davor habe, dass mir dort jemand sagt: ‘Sie können keine Kinder bekommen.’ Dann wäre es endgültig.
Ich bin jetzt 31. Mein Mann und ich versuchen seit 2017 ein Kind zu bekommen. Ich wollte immer Kinder. So war mein Plan. Und ich bin jetzt auch bereit für die nächste Lebensphase. Um mich herum bekommen gerade alle Kinder und bauen Häuser. Ich versuche, mich wirklich mit ihnen zu freuen.
Immer wieder Fragen
Und dann kommen natürlich auch immer wieder die Fragen: „Wann ist es bei euch so weit?“ Es sind so leichtfertig gestellte Fragen, aber sie können eben sehr verletzend sein. Die engsten Freunde wissen Bescheid. Da fragt auch keiner mehr. Und von denen gibt auch keiner Tipps wie ‘Tut euch die Ruhe an. Fahrt mal in den Urlaub. Versuch dich zu entspannen, dann klappt das schon.’
Vor meiner großen Bauch-OP wollte ich dann auch meiner Familie von meiner Endometriose-Erkrankung erzählen. Zwei Tage vorher besuchte mich meine jüngere Schwester. Sie hatte eine kleines Geschenk für mich in der Hand. Da schoss es mir sofort in den Kopf: Sie ist schwanger! In der Schachtel war eine kleine Windel. Ich hatte also Recht mit einer Vermutung. Ich habe mich natürlich sehr mit ihr gefreut, aber gleichzeitig war ich geschockt und traurig. Alles auf einmal. Nachdem sie weg war, habe ich einfach nur geweint. Ich habe mich geschämt, fühlte mich, wie die schlechteste Schwester der Welt.
Falls nicht - Adoption?
Das steht jetzt aber natürlich nicht zwischen uns. Wir halten weiter zusammen und meine Nichte ist mein ein und alles. Ich bin sehr gern ihre Tante. Und vielleicht klappt es ja auch bald bei uns. Falls nicht, schließen wir auch eine Adoption nicht aus.
Warum ich meine Geschichte erzähle? Weil ich möchte, dass junge Mädchen von Ärzten ernst genommen werden, wenn sie von starken Schmerzen während der Periode berichten. Es ist nicht normal, sich übergeben zu müssen. Es ist nicht normal, ohnmächtig vor Schmerzen zu werden. Es ist nicht normal, nachts zusammengekauert auf dem Badezimmerboden zu liegen, weil man es anders nicht aushält. Jede Frau, jedes Mädchen kennt ihren, seinen Körper am besten und spürt, wenn da etwas nicht stimmt. Glaubt ihnen, hört ihnen zu, helft ihnen.“
*Sarah heißt nicht in Wirklichkeit Sarah. Der richtige Name ist der Redaktion bekannt.
>>> Stichwort Endometriose
Die Schätzungen von Experten zum Auftreten der Endometriose schwanken zwischen 8 und 15 Prozent aller Frauen zwischen Pubertät und Wechseljahren. Das sind jährlich bis zu 40.000 Neuerkrankungen in Deutschland.
Damit ist Endometriose die zweithäufigste gynäkologische Erkrankung. Die häufigsten sind Myome, Wucherungen in der Muskelschicht der Gebärmutter (Myometrium).
Eine Heilung gibt es bislang nicht, auch über die Ursachen ist kaum etwas bekannt. Mit den Wechseljahren verschwinden die Beschwerden meist.