Vellinghausen. Wie viel Potenzial die Gülle seiner Kühe hat, weiß der Mescheder Milchviehbetrieb Kotthoff seit seiner Biogasanlage – gerade in der Energiekrise.

Ungefähr eine Kuh brauchen Sie, um einen Dreipersonenhaushalt mit Strom zu versorgen. Besser gesagt ihre Gülle. In der Theorie natürlich. In der Praxis käme die Biogasanlage mit Blockheizkraftwerk dazu – für Einzelpersonen rechnet sich die Investition nicht.

Für den Milchviehbetrieb Kotthoff in Meschede-Vellinghausen dagegen lohnt sich so eine Biogasanlage. 150 Milchkühe und 125 Rinder und Kälber beschenken den Bauern ohnehin mit ihren Hinterlassenschaften. „Jetzt holen wir alles aus der Gülle raus, was möglich ist“, sagt Karl-Ludwig Kotthoff, Betriebsleiter.

Familie Kotthoffs Hof in Meschede-Vellinghausen mit Biogasanlage

Ihren Hof hat Familie Kotthoff mitten im Nichts der sauerländischen Idylle. Sieben Einwohner hat Vellinghausen. „Hier gibt es viele Hanglagen“, erklärt der Landwirt. „Schwierig zu bearbeitende Flächen mit steinigen Böden.“

Das Bewirtschaften von Dauergrünland bringt hier den meisten Ertrag. „Mit der Kuh und ihrer Milch sind wir also in der Lage, hochwertige Nahrungsmittel für den Menschen herzustellen.“ Aus diesem Grund ist Kotthoff auf die Produktion von Milch spezialisiert.

>>> Lesen Sie auch: Biogasanlage: So werden 200 Haushalte in Meschede versorgt <<<

75 Kilowatt elektrische Energie

Eine große Herausforderung in dieser Branche: die vielen Tausend Liter Gülle und Mist, die im Jahr entstehen. Karl-Ludwig Kotthoff sah vor einiger Zeit das Potenzial im Kuhmist. „Seit etwa fünf Jahren steht die Biogasanlage jetzt.“ Kotthoff investierte, und zwar nicht wenig. Er ist sicher, er würde es wieder machen.

Aus den vorhandenen Rohstoffen der Tiere (nur Mist und Gülle) wird Biogas gewonnen. Gelangt dieses aus dem Fermenter in den Verbrennungsmotor des Blockheizkraftwerks, entstehen hier etwa 75 Kilowatt elektrische Energie pro Stunde.

Keine Verhandlungen trotz Krise

Dazu kommen 85 Kilowatt thermische Energie. „Für uns ist auch Letzteres von großem Vorteil“, betont Kotthoff. Die Wärme nutzt der Hof selber: für warmes Wasser, das Heizen im Wohnhaus, den Kuhstall, das Büro. „Jetzt ist es schön, eigene Wärme zu produzieren und direkt nutzen zu können“, sagt er. Damit spielt er auf die Energiekrise an.

Im Sommer sei der Bedarf an Wärmeenergie natürlich nicht so groß. „Doch sie zu speichern, ist schwierig.“ Obwohl sowohl thermische als auch elektrische Energie auf dem Markt knapp sind, steigt der Ertrag für Kotthoff derzeit nicht. Das liegt daran, dass die Energiemenge zu gering ist, als dass sich Verhandlungen bezahlt machten.

200 Haushalte

Etwa 1.800 Kilowattstunden elektrische Energie produziert der Betrieb durch Kuhmist mit der Biogasanlage pro Tag, über 600.000 im Jahr. Fünf Prozent davon nutzen Kotthoffs selbst, es bleiben etwa 570.000 Kilowatt, die ins Netz eingespeist werden.

„Bis zu 200 Haushalte mit drei Personen können damit versorgt werden“, sagt der Landwirt. Für die Verteilung ist der Betreiber Westnetz zuständig, damit hat der Betrieb nichts zutun.

27 Millionen Menschen

Ein Konzept, das nicht nur dank zusätzlicher Einnahmen attraktiv für viele landwirtschaftliche Betriebe sein könnte. Die Voraussetzung: Mindestens 150 Kühe sollten in der Haltung sein.

„Wenn jeder Landwirt seine Gülle und seinen Mist so nutzen würde, könnte man 27 Millionen Personen mit dem Strom versorgen“, überschlägt Kotthoff. Kleinere Betriebe könnten sich zusammentun. Und auch Kompostwerke können eine Biogasanlage installieren.

Gülle stinkt weniger

Ein Manko hat das Ganze aber. „Es dauert zwei, drei Jahre, bis alle Anträge durch sind und der Bau abgeschlossen ist. Und wir waren mit zig Ämtern in Kontakt“, erinnert sich Kotthoff an den langen Weg zur fertigen Anlage. Dazu komme, dass die Zinsen derzeit viel höher sind, als noch 2018.

Bis sich die Investition rentiert, dauert es etwa 15 Jahre. Doch schon vor Ablauf dieser Zeit profitieren die Vellinghausener von dem neuen Konzept. „Die Gülle hat jetzt nur noch eine Geruchsintensität von zehn Prozent vom Normalzustand“, erklärt Kotthoff. Das freut auch seinen Nachbarn.

Klimafreundlich

Schließlich kommt sie nach wie vor als Dünger auf die Felder, nachdem das Biogas extrahiert ist. „Sie ist auch flüssiger als davor. Die Nährstoffe darin verändern sich beim Prozess minimal, was besser für die Pflanzen ist“, schildert der Landwirt. High-Quality-Dünger entsteht also auch noch.

Auch die Emissionen, die in die Luft gelangen, sind weniger geworden. „Das ist natürlich klimafreundlicher. Allgemein sind solche Prozesse in der Landwirtschaft sehr langwierig, aber die Technik wird immer besser“, so Kotthoff.

Für die Tiere und uns selbst

Seit dem 16. Jahrhundert gibt es den Hof. Heute, im Jahr 2023, hat er auch Photovoltaik auf dem Dach. Das sind noch einmal über 200.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr, die ins Netz eingespeist werden.

„So verbessern wir unsere Wirtschaftlichkeit“, sagt Karl-Ludwig Kotthoff. „Für die Tiere. Je besser es ihnen geht, desto gesünder und damit leistungsfähiger sind sie. Wenn wir also ihr Leben besser machen, machen wir unseres besser.“ Die Biogasanlage trägt dazu bei.