Freienohl. Wie ein Schwerstkranker doch noch dank Wünschewagen von seinem Bruder in Meschede Abschied nehmen konnte. Eine Geschichte, die zu Tränen rührt.
Der Wünschewagen Westfalen hat einem schwersterkrankten Mann* einen besonderen Wunsch erfüllt: Der Wagen fuhr ihn zur Beerdigung des kleinen Bruders nach Freienohl (Meschede). Der 58-Jährige ist an Krebs erkrankt, weshalb er sich ohne Hilfe des Wünschewagens nicht von seinem Bruder hätte verabschieden können.
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Die Diagnose Krebs
Die Diagnose Krebs bekam der gebürtige Sauerländer vor acht Jahren. Nach der Therapie sah es zunächst gut aus, bis vor ein paar Monaten Metastasen im Knie entdeckt wurden. Probleme nach der Operation sorgen dafür, dass der gebürtige Freienohler nun seit mehreren Monaten im Krankenhaus liegt und zurzeit auf den Rollstuhl angewiesen ist und nur liegend transportiert werden kann. Genau während dieser Zeit starb auch sein Vater – nur sechs Wochen vor dem Bruder.
Verlust des kleinen Bruders
„Er konnte nicht bei der Beerdigung des Vaters dabei sein, was ihn zutiefst traurig gemacht hat“, sagt Wunscherfüllerin Nicole Petter (42), die die Fahrt mit ihrem Kollegen Bastian aus Münster ins Sauerland übernommen hat. Leider kämpfte auch sein Bruder seit drei Jahren mit Krebs und verlor den Kampf kurz vor Weihnachten mit gerade einmal 51 Jahren. Die Brüder standen sich sehr nah und der Verlust des kleinen Bruders war und ist für den 58-Jährigen unerträglich.
Herzenswunsch: Abschied nehmen können
Sein Herzenswunsch war es, sich verabschieden zu können. Deshalb wendete sich die Familie an den Wünschewagen Westfalen, ein Angebot des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB). Die Organisation erfüllt mit Hilfe von ausgebildeten Ehrenamtlichen schwersterkranken Menschen Wünsche – schnell und kostenlos.
Zwölf Fahrten in den HSK
Seit 2014 hatten von 1393 Fahrten zwölf einen Bezug zum Hochsauerlandkreis, drei davon standen mit Meschede in Verbindung. So konnte beispielsweise 2017 eine an Multipler Sklerose erkrankte Frau das Haus der eigenen Tochter in Meschede-Grevenstein besuchen oder ein Mescheder 2021 ein letztes Mal ein Heimspiel des BVB im Stadion verfolgen.
Sehnsuchtsorte erreichen
Die Wünsche müssen nicht zwingend in die letzten Lebenstage des Fahrgasts fallen, die Wunschfahrten sind auch für die Menschen da, die aufgrund ihrer schweren Erkrankung ihren Sehnsuchtsort nur erreichen können, wenn sie liegend gefahren und/oder medizinisch-pflegerisch betreut werden - wie in dem Fall in Freienohl.
Abschied im Kreise der Familie
Am 28. Dezember 2022 holte der Wünschewagen Westfalen den Fahrgast zusammen mit seiner Frau aus dem Krankenhaus in Münster ab. „Auf der Fahrt nach Meschede zum Friedhof spürte man die Traurigkeit, aber auch die Dankbarkeit, dass er Abschied nehmen darf - im Kreise seiner Familie“, beschreibt Nicole Petter die Stimmung.
Viele traurige Schicksale
Mittags kam der Wagen auf dem Freienohler Waldfriedhof an, sodass der Fahrgast noch einen Moment für sich hatte, bevor er gemeinsam mit den wichtigsten Menschen Abschied von seinem Bruder nehmen konnte. Aufgrund dieser vielen traurigen Schicksale in der Familie kamen Angehörige von sehr weit her.
„Spürbar war die Freude des Wiedersehens, aber genauso war diese unendliche Traurigkeit da, zwei liebe Menschen hintereinander verloren zu haben“, schildert Nicole Petter.
Abschied am Beisetzungsbaum
Um 14 Uhr nahm die Familie mit vielen gemeinsamen Freunden Abschied vom jüngeren Bruder und geliebten Menschen. Am Beisetzungsbaum konnte der 58-Jährige auch den Abschied von seinem Vater nachholen, der neben seinem Bruder beigesetzt wurde.
Kraft schöpfen für das eigene Schicksal
Im Anschluss traf sich die Trauergemeinde zum Beerdigungskaffee – auch hier war das Wunscherfüller-Team willkommen. „Trotz dieses traurigen Anlasses konnte man fühlen, dass er dankbar war nach seinem langen Aufenthalt in der Klinik, Familie und Freunde wiederzusehen und Kraft zu schöpfen für sein eigenes, schweres Schicksal“, beschreibt Wunscherfüllerin Nicole Petter die intime Situation.
Ausgebildete Palliativfachkraft
Nicole Petter ist Krankenschwester und ausgebildete Palliativfachkraft. Sie arbeitet auf einer Überwachungsstation (IMC). „Die Themen Tod und Trauer gehören für mich zum beruflichen Alltag dazu. Ich habe mit den Jahren gelernt, damit umzugehen und solchen Situationen professionell zu begegnen. Das ist nicht immer leicht, denn es geht um Menschen und Emotionen. Aber wir haben die Möglichkeit, uns mit anderen Wünscherfüllern und -erfüllerinnen oder einer Supervisorin darüber auszutauschen.“
Auf dem Friedhof in Freienohl war es die Trauer des Fahrgastes, aber auch der Moment, in dem sie die Mutter des Verstorbenen sah, die in so kurzer Zeit zwei wichtige Menschen verloren hat.
Beste Freundinnen verloren
Nicole Petter selbst hat in ihrem Leben mehrere Schicksalsschläge erlebt. So starben ihre beiden besten Freundinnen nur kurz nacheinander. Sie begleitete die Frauen in ihren letzten Tagen. „Da habe ich mir vorgenommen, dass ich noch mehr machen möchte als im Krankenhaus. Vor allem möchte ich mir mehr Zeit nehmen für die Menschen.“ Deshalb heuerte sie vor zwei Jahren bei dem Wünschewagen-Team an und hat seitdem sieben Fahrten begleitet. „Die Menschen sind so unglaublich dankbar und mich macht es glücklich, ihnen diese besonderen Erlebnisse zu ermöglichen.“
Danke sagen
*Die Familie möchte den Namen nicht in der Zeitung lesen. Mit diesem Artikel möchte sich die Familie bei dem ehrenamtlichen Wünschewagen-Team bedanken und auf die wertvolle Arbeit hinweisen. „Für uns war es ein Segen, dass er bei der Beerdigung dabei sein konnte“, sagt eine nahe Angehörige.
- Das Spendenkonto Das Spendenkonto Arbeiter-Samariter-Bund RV Ruhr e.V., Bank für Sozialwirtschaft, Verwendungszweck: ASB-WüWa Rhein-Ruhr 06 IBAN: DE25 3702 0500 0007 2708 02
- (Für Fahrgäste aus Meschede und Umgebung ist der Wünschewagen Rhein/Ruhr zuständig.)
- Wunschanfragen können gestellt werden unter: wuenschewagen.de/wunschanfrage/nordrhein-westfalen