Eslohe/Schmallenberg. Es ist wie ein Medizinkrimi: So werden vor Gericht in Meschede die Rezepte einer Frau aus Schmallenberg als Betrügereien entlarvt.

Eine Frau aus Schmallenberg ist zu einer langen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Sie hatte unter anderem Rezepte einer Apotheke aus Eslohe gefälscht. Über 100.000 Euro hat sie sich erschlichen. Ihre Betrügereien fielen erst spät auf. Wie in einem medizinischen Krimi konnten sie nachgewiesen werden.

Krankenkasse um 104.000 Euro betrogen

Das Urteil des Schöffengerichtes Meschede überraschte: Zwei Jahre und zehn Monate muss eine 54 Jahre alte Frau aus Schmallenberg in Haft – ohne Bewährung. Die Staatsanwaltschaft hatte eine zweijährige Strafe zur Bewährung beantragt, die Verteidigung einen Freispruch. Außerdem muss die bislang nicht vorbestrafte Frau das gesamte Vermögen, das sie sich ergaunert hat, zurückzahlen – die so genannte Einziehung von Taterträgen. In ihrem Fall: 104.000 Euro, um die sie eine Krankenkasse betrogen hatte.

Für das Gericht um den Vorsitzenden Richter Dr. Sebastian Siepe war der Fall am Ende klar: Es war gewerbsmäßiger Betrug und Urkundenfälschung. Von 2017 bis 2020 hatte die Frau 112 Rezepte und Medikamentenaufstellungen gefälscht: Die vermeintlichen Kosten ließ sie sich als freiwillig versicherte Privatpatientin dann von ihrer Krankenkasse erstatten.

Wie die Betrügerin vorging

Die Frau schwieg während des gesamten Prozesses. So mussten ihr die Betrügereien nachgewiesen werden – und das gelang nach Überzeugung des Gerichtes auch überzeugend. Demnach hat sie die Rezepte ihres Hausarztes in Schmallenberg selbst erstellt: In allen Arbeitszimmern lagen Leerrezepte aus – die Unterschrift war nur ein typischer, unleserlicher ärztlicher Haken, leicht zu imitieren.

Und gleich 15 verschiedene Positionen auf einem Rezept? „Undenkbar“, sagte der Arzt: „Die Rezepte sind absolut nicht von uns.“ Maximal schreibe er drei auf. Die Rezepte werden üblicherweise auch eingescannt, tauchen dann in der Patientendokumentation auf – diese hier fehlen aber.

Stempel von Apotheke nachgeahmt

Den Stempel einer Esloher Apotheke hat die Frau nachgeahmt, aber eben nicht perfekt: Das Datum war schiefer als im Original, es war immer nur die scheinbar gleiche Unterschrift auf der Medikamentenaufstellung – völlig unwahrscheinlich in einer Apotheke, in der doch ständig verschiedene Mitarbeiterinnen sind.

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Die Apotheke ließ sogar ihre Finanzen von der Polizei überprüfen, weil die Frau behauptet hatte, vieles dort bar bezahlt zu haben: Die vermeintlichen Ausgaben der Frau und die tatsächlichen Einnahmen der Apotheke stimmten aber nicht überein, ergab die Polizei-Untersuchung – die Frau muss also gelogen haben. Letztlich war es aber medizinische Detektivarbeit, die die Frau überführten.

Gutachter staunt über Mengen an Arzneien

Die Frau hatte 1990 bei einem Arbeitsunfall Verbrennungen erlitten, später kam eine Autoimmunerkrankung hinzu. Als Sachverständiger untersuchte der Arzt Dr. Andreas Kleine (Geseke) die Rezepte und Aufstellungen, ob diese aus medizinischer Sicht überhaupt theoretisch Sinn bei Behandlungen ergeben hätten. Sein Urteil: Nein!

Er wunderte sich, wie lange die Krankenkasse als Kostenträger dies „geschluckt“ habe – bis die Betrügereien ans Tageslicht kamen. Denn: Es wurden nach seiner Einschätzung mehr Schmerzmittel aufgeschrieben, als man üblicherweise einnehme, es wurden Mengen an Salben verschrieben, die für eine kleine Brandwunde übertrieben wären. Es tauchten auch immer wieder Medikamente auf, die „hochnebenwirkungsreich“ seien, aber vermeintlich häufig verordnet wurden: „Das ist ganz ungewöhnlich. Das macht man einmal, aber nicht immer wieder.“

So viel Insulin? „Dann sind Sie tot!“

Und dann vor allem die Sache mit dem verschriebenen Insulin: Da wurden zum Beispiel für nur zwei Wochen 18.000 Einheiten Insulin angeblich verordnet – „wenn Sie sich das spritzen würden, sind Sie tot. Das kann ein Mensch nicht genommen haben.“ Zehn Tage später wieder jede Menge Insulin: „Das ist die zehnfache Menge von dem, was ein schwerkranker Diabetiker zu sich nehmen würde.“ Die Frau war aber gar nicht zuckerkrank.

Ja, es blieben auch „viele Ungereimtheiten“, sagte Richter Siepe. Denn der Sachverständige verwies auch darauf, dass die „Behandlung ganz ungewöhnlich“ war: Nur ein behandelnder Arzt in 30 Jahren, nur ein Besuch in einer Fachklinik – und dass bei scheinbar nicht heilenden Wunden über Jahre hinweg, „das man sich da keinen fachärztlichen Rat holt, ist ganz ungewöhnlich.“