Reiste. Erster Prozess gegen einen der Schläger vom Reister Markt bei Eslohe. Erstmals werden Details bekannt, wie massiv Polizisten angegriffen wurden.

Nach der Schlägerei beim Reister Markt im August 2022 ist ein erster Beteiligter verurteilt worden. In dem Prozess wird deutlich: Die Lage war zeitweilig außer Kontrolle, Polizisten wurden massiv angegriffen und in ihrer Arbeit behindert.

20-jähriger Meschede kann sich nicht erinnern

Angeklagt ist ein 20 Jahre alter Mann aus Meschede wegen des tätlichen Angriffs auf Polizisten, Widerstandes, Körperverletzung und Beleidigung – er wird am Ende auch deswegen verurteilt. Viel dazu sagen kann er nicht: Vor der Schlägerei hatte der Deutsche nachmittags mit Bier und Wodka „vorgeglüht“ – danach fehle ihm vom Abend jede Erinnerung, sagt der Student im Amtsgericht in Meschede aus. Er wachte dann erst am nächsten Morgen in der Ausnüchterungszelle auf.

Polizist spürt Folgen von Einsatz bis heute

Aber die Erinnerungslücken können gefüllt werden. Denn was tatsächlich passiert ist, berichten die eingesetzten Polizisten. Opfer des Angeklagten ist ein 43 Jahre alter Polizeibeamter gewesen: „Persönlich habe ich so was noch nie erlebt“, berichtet er – und er ist schon seit 22 Jahren im Dienst. Diesen Einsatz auf der Kirmes beim Reister Markt wird er nicht vergessen. Es wäre sein letzter Diensttag vor seinem Jahresurlaub gewesen. Den konnte er nach diesem Einsatz nicht antreten. Stattdessen war er sechs Wochen arbeitsunfähig. Und die Folgen spürt er gesundheitlich bis heute.

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„Es ist total aus dem Ruder gelaufen“, so der Beamte. Er ist mit Kollegen zur Verstärkung zum Reister Markt gerufen worden. Denn andere Beamte haben dort die Personalien von Männern feststellen wollen: Die werden verdächtigt, zuvor bei der Kirmes schon geprügelt zu haben und waren dann wiedererkannt worden. Ganz normale Routinearbeit für die Polizei – scheinbar. Von wegen. Überall im Bereich des Autoscooters stehen und liegen Bierkrüge herum. Die Stimmung wird höchstaggressiv gegenüber der Polizei. Unterstützt wird die Polizei von der Security beim Reister Markt: „Ohne die Security weiß ich nicht, was noch passiert wäre.“ Am Ende muss die Polizei in Meschede noch Verstärkung aus Schmallenberg, Arnsberg, Olpe und dem Märkischen Kreis anfordern, um für Ruhe zu sorgen.

„Wir wurden durchbeleidigt“

Einer aus der Gruppe tritt gegen einen der Beamten – das ist ein anderer Fall, der hier nicht verhandelt wird. „Es war eine richtig aufgeheizte Stimmung“, so der 43-Jährige. Und wie aus dem Nichts rennt dann der Angeklagte auf den 43-Jährigen zu und greift ihn an – obwohl der Student mit der ganzen Personalien-Feststellung eigentlich überhaupt nichts zu tun hat. Beide gehen zu Boden, Kollegen des 43-Jährigen überwältigen den jungen Mann.

Noch am Boden liegend tritt er um sich. Und er gibt und gibt keine Ruhe: Selbst gefesselt versucht er noch, sich auf dem Weg zum Streifenwagen loszureißen. Und brüllt ständig: „Hurensöhne!“ Das tun viele aus der Gruppe: „Wir wurden durchbeleidigt“, sagt der 43-jährige Polizist. Er steht unter Adrenalin: Erst später merkt er, wie verletzt er eigentlich ist, unter anderem am Knie.

Angreifer mit Schaum vor dem Mund

Ein 27 Jahre alter Polizist hilft beim Bändigen des wild gewordenen Mannes, den er „mit Schaum vor dem Mund“ erlebt – als sie ihn zum Streifenwagen gebracht hätten, seien auch dabei wieder Unbeteiligte auf sie zugekommen, um zu stören: „Die ganze Situation war schnell, hektisch und aggressiv.“

Oberstaatsanwalt Thomas Poggel spricht von einem „Ausraster aus dem Nichts“. Er fordert sechs Monate Haft auf Bewährung und 2000 Euro Geldstrafe. Tatsächlich lautet das Urteil dann, ohne Freiheitsstrafe, aber auf insgesamt 3000 Euro Strafe. Zur „Einwirkung“ auf den Mann sei eine Freiheitsstrafe nicht nötig, so die Richterin: Denn der 20-Jährige ist nicht vorbestraft, man wisse nicht, ob wegen des Alkohols eine verminderte Schuldfähigkeit vorlag – der junge Mann hatte eine Blutprobe verweigert. Der Angeklagte versichert: „Das war eine einmalige Tat. Das kommt nie wieder vor.“ Er entschuldigt sich bei beiden Polizisten: „Mir sind die Sicherungen durchgebrannt.“ Er nehme die Entschuldigung zur Kenntnis, sagt der 43-Jährige. Er stellt aber klar: Die Polizei tat nur ihre Arbeit, „wir wollen keinem was Böses.“

Angeklagter jetzt vorbestraft

Folgen hat die Tat für den jungen Mann: Die 3000 Euro Strafe sind aufgeteilt auf 120 Tagessätze zu 25 Euro – damit ist er vorbestraft und müsste dies künftig zum Beispiel Arbeitgebern mitteilen. Denn ab 90 Tagessätzen tauchen Vorstrafen im polizeilichen Führungszeugnis auf. Und: Zivilrechtlich kommen auf den Studenten Schadensersatzansprüche des Polizisten zu.