Meschede. Mathe war für sie eine Qual und eine einfache Schülerin war sie auch nicht: Heute ist Nadine Kesper selbst Lehrerin in Meschede. Ihre Geschichte.
Auf dem Pult stehen Wörterbücher in vielen Sprachen, an den Fenstern bilden bunte Buchstaben das Wort: Vorbereitungsklasse und die Kisten im Regal stecken voller Vokabelkärtchen. In dieser Klasse ist alles etwas anders. Nadine Kesper (35) unterrichtet an der Walburga-Hauptschule in Meschede Kinder und Jugendliche, die noch kein Deutsch sprechen. Sie bereitet die Kinder für den Regelunterricht vor.
Gab es für Sie eine Alternative zum Lehrerberuf?
Während der Schulzeit habe ich mir nie Gedanken gemacht, was ich später einmal werden möchte. Mein Vater war Bergmann, meine Mutter Verkäuferin, mein Weg an die Uni war nicht vorgegeben. Das Studium hatte sich nach dem Abitur in Hamm eher ergeben. Erst während des Studiums und die dazugehörigen Praktika, besonders an einer Hauptschule in Hamm, bin ich richtig in den Beruf hineingewachsen. Heute kann ich mir nichts anderes mehr vorstellen. Ich warte noch auf den Moment, wenn ich zu meinen alten Lehrern sagen kann: „Hallo Kollegen“ – das werden die nie glauben.
Woran erinnern Sie sich gern, wenn Sie an Ihre Schulzeit denken? Woran nicht so gern?
Ich mochte das Schulleben an sich und bin immer gern hingegangen. Mathe war eine absolute Qual für mich und mein Vater erzählt heute noch von den Elternsprechtagen bei der Lehrerin. Ich war keine einfache Schülerin. Im Unterricht sehr still und in den Pausen nur Flausen im Kopf. Ein Beispiel aus der 11. Klasse: Der Sohn meines Chemielehrers kommt in die Klasse, alle Mädchen himmelten ihn an. Als er wieder draußen war, sagte der Lehrer zu mir: „Nadine, lass die Finger von meinem Sohn.“ - Ich: „Top, die Wette gilt.“ Eine Woche später saß ich bei ihm zu Hause im Wohnzimmer. Die Beziehung hielt immerhin eineinhalb Jahre.
Sie wohnen in Willingen. Warum unterrichten Sie in Meschede?
Mein Referendariat absolvierte ich in Bad Berleburg, dort hatte ich im Anschluss eine Vertretungsstelle. Im Zuge er Flüchtlingswelle 2015/16 gab es dann ein Beamtenstellenangebot in Meschede. Dort hatte ich die Gelegenheit eine Deutsch-als-Zweitsprache-Klasse (DaZ) zu konzeptionieren und aufzubauen. Ich habe hier eine Aufgabe, die von allen wertgeschätzt wird. Ich liebe die Atmosphäre, den Unterricht und die Schülerinnen und Schüler. Deshalb bekomme ich auch keine Kinder, ich könnte mir nicht vorstellen, nicht zur Schule zu gehen.
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Was ist Ihre Aufgabe an der Schule?
Ich bin zuständig für unsere Vorbereitungsklasse mit aktuell 38 Schülerinnen und Schüler aus Syrien, Afghanistan, Ukraine, Portugal, Kroatien, Serbien und weiteren Ländern. Ich habe die Klasse aufgebaut, konzeptioniert und komme ständig mit neuen Ideen in den Unterricht. Ansonsten unterrichte ich noch Erdkunde, Geschichte, praktische Philosophie und Schwimmen.
Wie bereitet Ihre Schule auf das Berufsleben vor?
Das fängt bei uns schon in der 5. Klasse an, wo die Schülerinnen und Schüler im Lernstudio schauen, wo ihre Stärken liegen. Alle erhalten eine Ich-bin-ich-Mappe, in der alles zur Berufswahl gesammelt wird. Die Mappe wird bis zur 10. Klasse weitergeführt und die Jugendlichen nehmen sie mit, wen sie die Schule verlassen. Die Jugendlichen werden eng betreut und erhalten hier eine wirkliche Chance, weil sie gesehen werden und ihnen zugehört wird. Manche Kinder kommen aus einem schwierigen Elternhaus, auch das haben wir im Blick. Zusammen üben wir auch Strategien, wie man Konflikte lösen kann. Jeder Lehrer kennt die Namen der Schüler und die Kinder behalten ihre Klassenlehrer von der Fünf bis zur Zehn. Die Potenziale und Stärken der Kinder werden gefördert, wir vermitteln Praktika und arbeiten eng mit Unternehmen zusammen. Deshalb können wir mit Stolz sagen, dass keine Schülerin und kein Schüler die Schule ohne Perspektive verlässt.
>>> Umbau ab dem Sommer
Die Hauptschule wird ab Sommer umgebaut. Nach diesen Plänen haben die Schülerinnen und Schüler der Klasse 8a im Kunstunterricht die neuen Räume nachgebaut – aus Verpackungsmaterial.
Aus Schuhkartons entstehen Klassen- und Fachräume, aus Milchtüten Tische und Stühle, die Pappe der Kartons wird für Wände, Türen, Schränke, Treppen usw. verwendet.
Das Material haben die Schüler größtenteils selbst organisiert, so dass mit Hilfe der Baupläne und der Liebe zum Detail ein großes 3D-Projekt „Die neue St. Walburga-Hauptschule“ entstanden ist.