Meschede. Es gab Tränen und viel Dankbarkeit: In Meschede war eine Sternsinger-Gruppe aus ukrainischen Kindern unterwegs. Ihre bewegende Geschichte.
Drei fröhliche Kinder laufen mit ihren goldenen Kronen und langen Umhängen über eine Straße. Als Caspar, Melchior und Balthasar verkleidet ziehen sie durch die Straßen des Mescheder Nordens. Eines der Kinder zeigt begeistert auf ein Haus: „Schaut mal, die haben schon 1, 2, 3, 4“, es überlegt kurz, „11 Aufkleber“. Ein Staunen geht über die Gesichter der anderen beiden Kinder: „Davai, Davai!“ Kommt, kommt! Spätestens hier wird deutlich, dass es sich bei der Gruppe um keine gewöhnlichen Sternsinger handelt.
Krieg miterlebt
Sie stammen aus der Ukraine und haben einen Krieg miterlebt. Und anders als für die anderen Kinder ist es für sie nicht selbstverständlich, dass sie an diesem Tag als Sternsinger verkleidet um die Häuser ziehen. Lorin (7), Jehor (8) und Milana (7) besuchen gemeinsam die zweite Klasse der Mariengrundschule. Dort sind sie auch auf das Sternsingerprojekt aufmerksam geworden.
Esther Schwefer organisiert gemeinsam mit Tanja Kleinschnittger die Aktion der Mariä-Himmelfahrt-Gemeinde und begleitet die Gruppe an diesem Tag. Dabei erzählt sie, was die ukrainischen Kinder dazu bewegt hat, an der Aktion teilzunehmen: „Wie jedes Jahr besuchen wir die Grundschulen und stellen den Kindern das Sternsingerprojekt vor. Dabei zeigen wir auch immer Filme, die die Armut der Kinder zeigen, für die wir spenden sammeln.“
Jung und Alt gemischt
Sie fügt hinzu: „Wenn wir dann fragen, wer diesen Kindern helfen möchte, gehen meist alle Arme nach oben. In diesem Jahr haben sich so auch Lorin, Jehor und Milana für die Aktion begeistern können.“ Für die Kinder ist das Sternsingen auch keinesfalls neu. Tanja Uskakovych, Milanas Mama, erzählt: „In der Ukraine gehen wir auch am 7. Januar auf die Straßen und singen unser Sternsingerlied. Anders als in Deutschland tun wir das aber in viel größeren Gruppen – Jung und Alt gemischt.“
Die Kinder gehen fröhlich weiter. Wo sie auch hingehen, begegnen ihnen Menschen voller Freude und Dankbarkeit. Viele Menschen sind sogar den Tränen nahe, als die drei kleinen Königinnen und Könige beginnen, auf Ukrainisch zu singen. Nach dem deutschen Sternsingerlied und dem Segensspruch singen die Kinder das ukrainische Volkslied „Schtschedryk“, dessen Melodie viele wahrscheinlich eher von dem englischen Weihnachtslied „Carol the Bells“ kennen. Man merkt, dass Lorin, Yehor und Milana stolz auf dieses Lied und ihre Muttersprache sind. Wenn sie das Lied anstimmen, werden sie nämlich lauter, mutiger und fröhlicher.
Sechs Stunden geübt
Das Bild dieser Kinder, die schon so viel durchmachen mussten und trotzdem begeistert für andere Kinder in Not spenden sammeln, bewegt die Menschen. Sie merken, dass sich die Kinder besonders große Mühe geben. Esther Schwefer betont: „Lorin hat extra sechs Stunden im Zug den Segensspruch auswendig gelernt.“ Und auch ihre Mütter engagieren sich tatkräftig. Tanja Uskakovych unterstützt die Kinder beim Singen - auch beim deutschen Sternsingerlied.
Die Ukrainerin besitzt aufgrund ihrer Vergangenheit gute Deutschkenntnisse: „Ich habe bereits einige Jahre in Deutschland gelebt und bei dem Verein Kinder von Tschernobyl mitgewirkt.“ Im März 2022 ist sie dann mit ihrer Tochter Milana und dem Rest ihrer Familie von Kiew nach Meschede gezogen. Keine leichte Entscheidung für die Mutter: „Es ist schön hier und wir sind froh in Sicherheit zu sein, aber die Ukraine ist eben unser Zuhause.“
Von Kharkiv nach Meschede
Milana und Lorin hatten Glück nicht viel vom Krieg miterlebt haben zu müssen. Lorin kam zusammen mit ihrer Mutter Luda Sahin im August 2022 nach Meschede. Vorher haben sie in Kharkiv gelebt. An das Leben in Meschede musste sich die Familie daher erst einmal gewöhnen: „Kharkiv ist eine große Stadt. Hier ist alles viel kleiner. Das war für uns schon sehr ungewohnt“, erzählt die Mutter. Es gibt hier aber auch Dinge, die ihr sehr gut gefallen: „In Meschede ist alles viel sauberer als bei uns Zuhause und es gibt viele schöne Häuser.“
Der kleine Jehor hatte es schwerer. Esther Schwefer berichtet von einer erschreckenden Situation auf dem Weg: „Plötzlich ging ein Alarm mit lauten Sirenen los. Wahrscheinlich nur ein Feuerwehrauto. Jehor hat aber sofort in den Himmel geblickt und sich geduckt.“ Der Junge und seine Familie haben lange in einem Schutzkeller in Kiew verbracht. Der Krieg hat deutliche Spuren bei dem Kind hinterlassen. „Als der Alarm vorbei war, hat seine Mutter ihn direkt zu sich genommen und auf ihn eingeredet. Der Kleine konnte sich dann zum Glück schnell wieder beruhigen“, erklärt die Organisatorin.
Freunde über „Shokolad!“
Der Rest des Tages verläuft ohne weitere Vorfälle und ist geprägt von Momenten der Herzlichkeit. Viele Menschen bitten die Kinder in ihr Haus, wollen, dass sie am geschmückten Weihnachtsbaum für sie singen und manche machen sogar stolz Bilder von den kleinen Königen. Das war so während der Corona-Pandemie nicht möglich.
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Lorin, Jehor und Milana freuen sich vor allem über eins: „Shokolad!“ Übersetzt: Schokolade. Und davon bekommen sie eine Menge. Ihre Mütter sind am Ende des Tages voll bepackt mit Tüten davon und können kaum glauben, wie viele Süßigkeiten ihre Schützlinge gesammelt haben. Selbstverständlich dürfen die Drei einiges davon behalten.
Teil an die Ukraine
Ein großer Teil der gesammelten Süßigkeiten wird jedoch an die Ukraine gespendet. Gerade das ist es, was die Gruppe so glücklich macht: „Es macht uns stolz und glücklich, den Menschen helfen zu können. Es tut gut, selbst mal etwas zurückgeben zu können und nicht immer nur Hilfe annehmen zu müssen“, erzählt Tanja Uskakovyh abschließend. Das gesammelte Geld wird an das Straßenkinderprojekt von Anne Arenhövel gespendet. Insgesamt konnten die Sternsinger von Mariä Himmelfahrt in diesem Jahr 9.841,52 Euro sammeln.
Am Ende des Tages sind die drei Sternsinger müde und platt von all den Eindrücken, die sie auf ihrem Weg gesammelt haben. Trotzdem gehen sie mit einem Lächeln nach Hause. An diesem Tag konnten sie Kinder sein, ganz unbeschwert. Es fällt fast kein Wort über den Krieg in ihrer Heimat. Einmal sagt eine begeisterte Frau: „Das hat mir so gut gefallen. Ich hoffe, ihr singt auch im nächsten Jahr für mich.“ Darauf antwortet Tanja Uskakovych: „Danke, aber ich hoffe, dass wir nächstes Jahr wieder zu Hause sein können.“