Eslohe/Meschede. Als Alkoholiker war Franz Fischer ganz unten - hat sogar obdachlos in Meschede gelebt. Über seinen Weg aus der Sucht bis zur Selbstständigkeit.
Viel weiter unten im Leben, als Franz Fischer es damals war, geht es kaum. Über Jahre hatte ihn der Alkohol an den Abgrund getrieben - und für vier Monate sogar in die Obdachlosigkeit. „In Spitzenzeiten habe ich am Tag 22 Liter Bier in mich hineingeschüttet“, erinnert sich der heute 62-Jährige an seine unrühmliche Vergangenheit. Inzwischen kann er darüber offen sprechen. Denn irgendwann hat es im Kopf den entscheidenden Klick gemacht.
Bis Ende des Jahres ausgebucht
Heute ist Franz Fischer nicht nur seit Jahren trocken, er hat es von der Obdachlosigkeit sogar zur Selbstständigkeit geschafft - als erfolgreicher Dachdecker, der in ganz Deutschland und den Niederlanden unterwegs ist. Es läuft so gut, dass Fischer schon jetzt bis Ende des Jahres ausgebucht ist. „Wenn man will, dann kann man es auch schaffen“, sagt er. Nur wollen müsse man es eben.
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Es ist das Jahr 1989, als sich Franz Fischer eingestehen muss, dass er Alkoholiker ist. Für ein Schmallenberger Unternehmen stellt er zu diesem Zeitpunkt in Berlin Fertighäuser auf. Ohne Bier am Morgen geht das Zittern nicht mehr weg. Es dauert nicht lange und das Zittern bringt Franz Fischer bereits nachts um 3 Uhr um den Schlaf.
Also greift er schon um diese Zeit zum Dosenbier. Drei bis vier Liter hat er bereits intus, bevor er morgens beim Dienstantritt ohne Zittern aufs Dach steigen kann. „Das ging eigentlich gar nicht“, sagt er heute. Bemerkt habe das zu Beginn aber niemand. Aus Liebe zu seiner damaligen Frau wechselt er trotzdem den Job, um nicht ständig durch die Montage von ihr getrennt zu sein. Auch beim neuen Arbeitgeber gelingt es Fischer, seine Alkoholsucht zu verbergen.
So nimmt das Leben mit der Sucht seinen Lauf bis zum Jahr 1996. Da liegt Franz Fischer mit Wahnvorstellungen im Krankenhaus. „Weil ich gedacht habe, dass das Krankenhaus brennt, bin ich abgehauen“, sagt er. Kurz danach entscheidet er sich für seine erste Therapie. Die bricht er auf Drängen seiner damaligen Frau bereits nach drei Wochen wieder ab. Ähnlich wie zuvor auf der Montage habe sie nicht damit leben können, so lange Zeit allein zu sein.
Hiobsbotschaft im Therapie-Urlaub
Drei Jahre später startet er einen zweiten Versuch. In Marsberg. „Weil dort während der Therapie Urlaub möglich war“, sagt er. Den nutzt er, um Zeit mit seiner Frau zu verbringen. Doch als Dreiviertel der Therapie bewältigt sind, teilt sie ihm während des Urlaubs mit, dass er sich im Anschluss etwas Neues suchen möge.
Fischer bleibt stark. Greift trotz dieser Hiobsbotschaft nicht wieder zur Flasche. Er beendet seine Therapie, macht im Anschluss eine Wiedereingliederung und bekommt einen Job bei einer Dachdecker-Firma in Nassau. Dort findet er auch eine neue Liebe. Alles war gut. Bis zu jenem Zeitpunkt, als Franz Fischer erneut zur Flasche greift. Warum er das getan hat? „Das weiß ich selbst nicht“, sagt er. Vielleicht sei er sich vor lauter Glück zu sicher gewesen, dass er es schon irgendwie packen werde.
Der totale Absturz
Was dann folgt, bezeichnet der 62-Jährige rückblickend selbst als seinen „totalen Absturz“. Er verlässt Nassau, lässt sein dortiges Leben hinter sich und geht nach Meschede. Ohne Ziel. Ohne Geld. Ohne festen Wohnsitz. Es ist inzwischen das Jahr 2000. Fischer schläft als Obdachloser in einer alten Halle des damaligen Mescheder Bahnhofs und in Neubauten auf Baustellen in der Mescheder Innenstadt. Das Geld, das er sich Tag für Tag beim Sozialamt abholt, investiert er in Dosenbier. „Ich habe mir höchsten morgens mal ein halbes Brötchen runtergewürgt“, sagt er. „Feste Nahrung ging einfach nicht.“ Einmal in der Woche zwackt er vom Geld des Sozialamtes ein bisschen was für den Eintritt ins Mescheder Hallenbad ab, um dort zu duschen. Vier Monate lang ist Franz Fischer ganz unten. Dann sucht er sich erneut Hilfe - bei der Caritas in Lüdenscheid. Es folgt die nächste Therapie. Diesmal in Breckerfeld. Diesmal mit Erfolg! Sie wird zur Grundlage für sein neues Leben.
Das Glück in der Gemeinde Eslohe gefunden
Endgültig trocken und glücklich wird Franz Fischer schließlich ab 2002 in der Gemeinde Eslohe. Auch, wenn er dort nach seiner erfolgreichen Therapie in Breckerfeld einen einmaligen Rückfall erleidet und eine Woche durchsäuft, wie er es selbst formuliert. Doch diesmal macht es danach im Kopf den alles entscheidenden Klick! Fischer wendet sich direkt an die Selbsthilfegruppe in Bad Fredeburg, deren Vorsitzender ihn schließlich zur Entgiftung nach Marsberg bringt.
„Seit dem 15. Mai 2002 bin ich nun trocken“, sagt Franz Fischer und lächelt. Von Eslohe zieht er irgendwann nach Bremke. Über eine Annonce lernt er dort 2020 seine neue Lebensgefährtin kennen, mit der er bis heute glücklich ist. Zwölf Jahre lang arbeitet der gelernte Dachdecker, der sich auf Naturschiefer spezialisiert hat, für eine Dachdeckerfirma in den Niederlanden. Pendelt dafür lange Zeit mit Zug und Bus. „Weil sie mir ja damals die Pappe gelocht haben“, erklärt Franz Fischer. Auch dieses Kapitel ist nunmehr Geschichte. Alles in allem, so schätzt er, habe er in seinem Leben rund 23 Arbeitsstellen durchgejagt.
„Ich weiß, was ich kann“
Bereits seit 2016 ist der Naturschiefer-Experte inzwischen selbstständig - und mit seiner Arbeit schwer gefragt. Seine Aufträge führen ihn quer durch Deutschland und die Niederlande: Rotterdam, Amsterdam, Frankfurt, Mannheim, Heidelberg, überall dort hat Fischer schon auf den Dächern gestanden. Aktuell arbeitet er bis März einen Auftrag in Würzburg ab. Aber auch direkt vor der Haustür ist Fischer tätig - zuletzt waren seine Fähigkeiten an der Kapelle in Erflinghausen gefragt. „Ich weiß, was ich kann“, sagt er heute selbstbewusst. „Und ich weiß auch, was ich nicht mehr kann - und nicht darf und nicht will! Trinken!“, ergänzt er. Damals habe er bei Problemen gesoffen, heute gehe er sie einfach an.
Damit das Glück lange hält
Inzwischen lebt Franz Fischer in Brilon-Gudenhagen. In einer Wohnung in der Nähe seiner Lebensgefährtin. Warum sie nicht direkt zusammengezogen sind? Weil Franz Fischer nach seinem Absturz in Nassau gelernt hat, die Dinge lieber langsam anzugehen, damit das Glück auch lange hält.