Meschede. In der Mescheder Tanzetage läuft ein ungewöhnliches Projekt. Es geht ums Tanzen ohne Anleitung – reine Improvisation. Und jeder kann mitmachen.

Im Bühnenlicht: Besuch bei einem besonderen Projekt in der Tanzetage in Meschede. Ein Tanzkurs, bei dem nichts vorgeschrieben ist – es geht um die reine Improvisation. Wie läuft so etwas ab?

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Im Studio beginnen Andreas Schunk (33) und Aliya Metelica (16), zwei der fünf Teilnehmer, damit einen roten Wollfaden durch den Raum zu spannen. Sie kleben den Faden auf den Boden und an die Wände. Nach und nach entsteht so ein großes Spinnennetz, das die Tänzerinnen und der Tänzer später in ihre Bewegungen einbauen werden.

Derweil sitzen Mathilda Risse (13), Clara Schütte (23) und Jule Herlitschka (17) auf dem Boden und besprechen den groben Ablauf ihrer Performance. Heute soll nämlich ein Video gedreht werden, das auf einem Tanzfestival gezeigt wird.

Der rote Faden, Er hat in diesem Projekt eine symbolische Bedeutung. „Der Faden steht auch für die vielen Rollen und Eigenschaften, die einen Menschen ausmachen. Man sieht es gleich ganz deutlich, wie unterschiedlich die Bewegungen sind, wenn die Teilnehmer im Faden tanzen – oder später vor dem Faden“, erklärt Tanzlehrerin Dandan He, sie leitet die Gruppe.

Im Faden Tanzen

Und in der Tat: „Im Faden“ tanzen die Teilnehmerinnen und der Teilnehmer auf einem begrenzten Raum, der Faden bildet eine Barriere, die die Tänzer in ihre Bewegungen einbauen und die sie gleichzeitig hindert. Mal tauchen sie unter dem Faden durch, steigen darüber, schlängeln die Arme um den Faden oder zupfen an ihm.

Jeder tanzt für sich, wirkt dabei konzentriert auf jede Bewegung und wie in eine eigene Welt versunken. Auf ein Zeichen der Tanzlehrerin kommen dann alle vor die Faden-Installation. Die Bewegungen werden größer, dynamischer – die Tänzer treten auch in Interaktion, nutzen den Körper als Sprache. „Befreie deinen Körper“, sagt Dandan He. Eine besondere Atmosphäre breitet sich im Studio aus.

Selbstwahrnehmung verbessern

„Erlerntes sowie die verbesserte Selbstwahrnehmung bereichern anschließend den Alltag der Teilnehmer“, heißt es in der Beschreibung des Projektes, das im August startete. Das deckt sich auch mit den Aussagen der Teilnehmer: „Mich macht es glücklich“, sagt Jule Herlitschka über den Kurs. Aliya Metelica fügt hinzu: „Mich entspannt das sehr. Ich kann richtig abschalten.“ All der Stress aus der Schule sei sofort vergessen.

„Es ist ganz anders als sonst, weil es keinen Ablauf gibt. Ich schätze die Möglichkeiten und lerne meinen Körper noch besser kennen“, sagt Clara Schütte (23), die bereits viel Erfahrung als Tänzerin hat und schon seit ihrer Kindheit in der Tanzetage übt.

„Mich hat es ehrlich gesagt Überwindung gekostet“, gesteht Andreas Schunk. Er ist mit 33 Jahren der selbst ernannte „Opa“ der Truppe und verfügt über keine Tanzerfahrung. Seine Frau leitet den Kurs und er wollte sich einfach mal darauf einlassen. „Mir macht es wirklich großen Spaß, auch weil die Gruppe so chillig ist“, fügt er hinzu.

Techniken lernen

„Bei den ersten Treffen haben wir die Techniken für die einzelnen Körperteile kennengelernt: Wie bewege ich die Füße? Wie die Hände? Wie meinen Kopf?“, erklärt Dandan He. Dann kam der Faden dazu. Ein Mal im Monat trifft sich die Gruppe, und neue Tänzerinnen und Tänzer sind jederzeit willkommen – mit und ohne Tanzerfahrung.

Alle können mitmachen

Zurück in die Improvisation. Die Musik wechselt. Mal sind es ruhige Klänge, die an eine Meditation erinnern, mal werden die Töne schneller, fordernder. Entsprechend passen die Tänzerinnen und der Tänzer ihre Bewegungen an. Ganz natürlich. Dandan He gibt manchmal Hinweise: „Kontaktiert den Faden.“ Aber es sind keine Kommandos, denn hier geht es um Freiheit. Und um die große Frage „Wer bist Du?“

Das Projekt wird vom Kultursekretariat NRW Gütersloh gefördert. Die Teilnahme kostet pro Termin fünf Euro, Mitglieder der Tanzetage tanzen kostenlos. Anmeldung möglich unter dukannsttanzen@gmail.com.

Dandan He tanzt seit ihrem achten Lebensjahr. Sie studierte fünf Jahre Tanz und Choreographie in ihrem Heimatland China (Schwerpunkte: Chinesischer Tanz, Ballett, Moderntanz, Jazz). Im Jahr 2016 kam sie nach Deutschland, „um in einer freien Umgebung noch kreativer zu sein und mich weiterzuentwickeln“, so Dandan He. In ihrer Zeit in Köln lernte die den zeitgenössischen Tanz kennen und lieben und bekam in einem Eurythmie-Studium Musikkenntnisse, philosophische Gedanken und pädagogisches Wissen vermittelt. Drei weitere Jahre unterrichtete sie an einer Tanzschule in Sachsen-Anhalt neben Ballett und Kindertanz auch Hip-Hop und Standard Latein. Zusätzlich schloss sie die Ausbildung zur zertifizierten Yogalehrerin erfolgreich ab. Seit 2021 lebt sie mit ihrem Mann in Meschede.