Meschede. Der Banküberfall ist ein Verbrechen von gestern. Banken im HSK sind dennoch im Visier von Kriminellen. Ihr Vorgehen ist skrupelloser und klüger.
Mit Strickmasken, grauem Arbeitskitteln und Maschinenpistole kommen die Männer in die Bank und verlassen das Gebäude nach einige Minuten mit Stoffbeuteln voller Papiergeld. So rauben zwei Männer 72.700 Mark in der Eversberger Sparkasse. Die spektakuläre Tat ereignet sich am 1. September 1978.
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Überfall in Fleckenberg
Ähnlich gehen die Täter 1985 in Cobbenrode vor. 30.250 Mark aus dem Tresor und der Tageskasse rauben zwei Männer beim Überfall auf die Volksbank. Einer wartet im Fluchtauto, der andere – maskiert mit einer Pudelmütze mit Sehschlitzen – bedroht eine Kundin und den Filialleiter mit einer Pistole.
Dies sind Verbrechen der Vergangenheit. Denn den klassischen Banküberfall gibt es kaum noch, das hat gleich mehrere Gründe. Zuletzt stürmte ein Täter im Jahr 2019 die Bank in Fleckenberg. Der Täter verbarg sein Gesicht hinter einem Halstuch, roch stark nach Lack und wurde nie geschnappt – allerdings war auch die Beute gering: Die Angestellten händigten ihm einen geringen Geldbetrag „in Münzen“ aus. Ein Serientäter, der im Juli 2018 in Siedlinghausen zuschlug, wurde in Süddeutschland überführt und 2020 verurteilt.
Zahlen sinken landesweit
Fleckenberg und Siedlinghausen sind zwei von sieben Banküberfällen, die in den vergangenen zehn Jahren (2011 bis 2021) im HSK verübt wurden. In den sechs Jahren zuvor, zwischen 2004 (weiter sind die Zahlen nicht verfügbar) und 2010, waren es allein 17 Raubüberfälle auf Geldinstitute.
Hohes Risiko erwischt zu werden
Die Fallzahlen gehen seit Jahren in NRW deutlich zurück: Für das Jahr 2021 wurden vom Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen elf Überfälle auf Geldinstitute, Postfilialen und -agenturen erfasst – nur fünf davon wurden vollendet, sechs Taten blieben beim Versuch. Knapp 20 Jahre vorher waren es noch 212 Fälle, davon 30 Versuche. Die Polizei in NRW klärte 2021 und 2020 mehr als 80 Prozent der Überfälle auf. Das Risiko für die wenigen Täter ist also auch noch extrem hoch.
Weniger Bargeld in den Banken
„Die Sicherheitsvorkehrungen in den Banken haben sich stark verändert“, erklärt Polizeisprecher Volker Stracke, warum der klassische Bankraub fast nicht mehr stattfindet. Tresore öffnen sich zeitverzögert, Bankmitarbeiter können stillen Alarm an die Polizei melden, das Risiko sei den Tätern heutzutage zu hoch. Zudem seien die Bargeldbestände in den Banken niedriger als früher. Das bestätigt auch Simone Rohde, Sprecherin der Sparkasse Mitten im Sauerland: „Durch die Digitalisierung hat Bargeld an Bedeutung verloren, und Banken und Sparkassen haben weniger Bargeld vor Ort.“
Personal wird weiter geschult
Und dennoch wird das Personal weiter für Banküberfälle geschult: „Da uns die Sicherheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wichtig ist, werden jährlich Schulungen zum Thema Überfälle durchgeführt. Auch für den Fall eines Stromausfalles sind wir und insbesondere unser Rechenzentrum (Sparkassen-Finanzinformatik) gut aufgestellt.“
Rückblende: Eversberg 1978
Rückblende. In Eversberg 1978 gibt es keine Überwachungskameras und auch keine Mobiltelefone. Sicherheitshalber schrauben die Bankräuber auch die Muscheln aus den Telefonhörern. Die Täter bedrohen die vier Bankangestellten mit Maschinenpistolen und schließen die Bankangestellten im Tresorraum ein. Eine Nachbarin kommt ihnen später zur Hilfe. Dass niemand am Schalter saß, war ihr seltsam vorgekommen. Erst dann kann der Filialleiter die Schutzpolizei mit dem Apparat im Tresorraum anrufen.
Auf das schnelle Geld aus
Kriminellen, die auf das schnelle Geld aus waren, so ließen sich die Bankräuber von damals charakterisieren, erklärt Polizeisprecher Stracke. Mit den Automatensprengern, quasi den Bankräubern von heute, haben diese nichts mehr gemeinsam. „Die Automatensprenger gehören organisierten Banden an.“ Die Tatorte sind genau ausgewählt, die Fluchtrouten mit hochmotorisierten Autos abgesprochen, das Vorgehen skrupellos. Denn auch Bankautomaten, die sich in Wohnblocks befinden, werden gesprengt. Wie zuletzt im Februar 2022 in der Mescheder Gartenstadt. Die letzte Sprengung im HSK erfolgte vor wenigen Wochen in einem Ferienpark in Medebach. Auch dort hatten die Täter mögliche Verletzte in Kauf genommen.
LKA: Viel Bargeld in den Automaten
„Im Vergleich zu früher holen sich deutlich mehr Kundinnen und Kunden ihr Bargeld an Geldautomaten und nicht in einer Filiale am Schalter. Die Geldinstitute kommen dieser Nachfrage nach und in den Automaten werden teils hohe Summen vorgehalten“, erklärt Maren Menke, Pressesprecherin des Landeskriminalamtes (LKA). Das unterstreicht eine Zahl, die aus der offiziellen Polizeilichen Kriminalstatistik für den HSK hervorgeht: Demnach haben Täter 85.000 Euro erbeuteten nach einer Sprengung eines Bank-Containers im Dezember 2021. Die Angabe der Summe ist ungewöhnlich. Sowohl Polizei als auch die geschädigten Banken halten sich für gewöhnlich sehr bedeckt. Zu groß sei die Gefahr vor semiprofessionellen Nachahmern, die mit Sprengstoff hantierten.
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Hinzu kommt, dass es weniger Ziele für Bankräuber mit „Pudelmasken mit Sehschlitzen“ gibt: Mitte der Neunzigerjahre gab es noch fast 70.000 Bankfilialen in Deutschland, Ende vergangenen Jahres waren es laut Bundesbank noch gut 24.000. Auch im Sauerland gibt es viel weniger Filialen. Die Sparkasse Mitten im Sauerland besetzt heute nur noch fünf Filialen: Die Hauptgeschäftsstelle in Meschede, Freienohl, Fredeburg, Schmallenberg und Eslohe. Die 1978 überfallene Sparkasse in Eversberg wurde 2021 geschlossen und durch einen Automaten, der gemeinsam mit der Volksbank betrieben wird, ersetzt.
Angriffe auf Banken und deren Kunden erfolgen zunehmend online: Zuletzt veröffentlichte due Sparkasse Mitten im Sauerland regelmäßig Phishing-Warnungen.
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Täter aus Cobbenrode gefasst
Zurück in das Jahr 1985: Die Täter in Cobbenrode werden kurz nach der Tat festgenommen. Der Filialleiter hatte sich die Autokennzeichen der Räuber aus Herne gemerkt. Eine Woche legt die Polizei den Kriminellen in Handschellen. Der 26-jährige Bochumer hatte sich das auffällig rote Auto für den Überfall ausgeliehen.
Die Eversberger Bankräuber werden hingegen nie dingfest gemacht. Die Tatverdächtigen, ein Vater-Sohn-Gespann aus dem Ruhrgebiet, wurden vor Gericht mangels Beweisen freigesprochen. Für die damals Beteiligten bleibt das ungute Gefühl.