Meschede. Die Gastronomie kämpft an vielen Orten ums Überleben. Warum die Stadt Meschede trotzdem verlangt, dass zwei Kneipen in Zukunft früher schließen.
Torsten Cruse ist schockiert. Der Wirt der Kneipe „Brennkammer“ hat Post vom Ordnungsamt bekommen. „Das ist der Todesstoß fürs Kneipenleben in Meschede“, sagt er.
Der Inhalt: Er - wie auch sein Nachbar Marvin Bohmeier vom Bibulus - sollen ihre Kneipen in Zukunft schon um 1 Uhr schließen. Jeder festgestellte Verstoß kostet die Gastgeber 2000 Euro. Bis zum 25. November haben die Wirte noch Zeit, Stellung dazu zu nehmen.
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Das Schreiben der Stadt Meschede
Grund sind laut dem Schreiben der Stadt, das unserer Redaktion vorliegt, „die Häufung nächtlicher Ruhestörungen und Polizeieinsätze im unmittelbaren Einzugsbereich der beiden Gaststätten seit Juni.“ Die Stadt schreibt weiter, dass die störenden Personen keiner Gaststätte klar zuzuordnen seien, sondern der Gesamtsituation geschuldet seien. „Sie gehen evident von den Gaststätten im bezeichneten Wirkungskreis aus.“
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Und: Die Maßnahmen der Gaststätten, wie der Einsatz von Security oder ein Ende des Ausschanks um 2 Uhr, hätten bisher keine Wirkung gezeigt. Ein Gastwirt habe aber sicherzustellen, dass es nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nachbarschaft komme. Das ist aus Sicht der Stadt Meschede passiert.
Nächtliche Ruhestörung und Polizeieinsätze
Es gab nächtliche Ruhestörungen und es gab Polizeieinsätze, auch strafrechtlich relevante Delikte, wie Volker Stracke, Pressesprecher der Polizei im HSK, und Jörg Fröhling, Pressesprecher der Stadt Meschede, bestätigen: „Neben Beschwerden der Nachbarschaft gibt es dazu eine ganze Reihe von eigenen behördlichen oder polizeilichen Feststellungen“, so Fröhling.
Auf Nachfrage wollte sich Marvin Bohmeier noch nicht zu dem Schreiben äußern. Torsten Cruse wirbt um Verständnis. Es habe eine Weile gedauert, bis er als Nicht-Mescheder „die Pappenheimer“ erkannt habe. Mitten in der Corona-Hochphase im Juli 2020 hatte sich Cruse für die Brennkammer entschieden - damals noch unter dem Namen Pils Pub. Vermieterin Helga Wälter war froh, für die Kneipe einen versierten Pächter gefunden zu haben und zeigte sich mit der Miete großzügig, so lange die Corona-Verordnungen die Kneipen einschränkten. Erst im August 2021 eröffnete Cruse offiziell.
Parkhotel Olsberg geht in Kurzarbeit
Mittlerweile laufe die Kneipe gut, das sei auch wichtig, so Cruse, denn sein Hauptarbeitgeber, das Parkhotel, schließe gerade, „alle Mitarbeiter gehen in Kurzarbeit“. Daher sei das zweite Standbein für ihn besonders wichtig, „auch für den Kopf“. Er hatte sogar geplant, die Öffnungszeiten um ein bis zwei weitere Tage auszuweiten, bisher öffnet Cruse nur Donnerstag bis Samstag ab 17 Uhr. „Ich habe ja jetzt die Zeit.“
Der Wirt nennt die frühe Schließung und die Androhung des Zwangsgeldes „eine Katastrophe“. „Das ist so schrecklich!“, stöhnt er. Es sei auch schlimm für seine Gäste, wie Cruse betont. „Für viele ist das hier ein sicherer Hafen.“ Es sei heute nun mal so, dass die jungen Leute erst um 22 Uhr vor die Tür gingen. Da werde es eben spät. „In dieser Ecke gibt es doch seit 40 Jahren Gastronomie, da müsse man auch damit leben, dass es schon mal lauter wird.“
Verbesserung für die Anlieger erreichen
Die Stadt sieht das anders: „Die Rechtslage ist dabei sehr eindeutig. Ein Gastwirt hat sicherzustellen, dass es nicht zu unzumutbaren Beeinträchtigungen der Nachbarschaft durch seinen Betrieb und insbesondere durch Lärm aufgrund des Verhaltens seiner Gäste kommt - dies ist ein Grundsatz, der durch die Rechtsprechung auch von Ober- und Bundesverwaltungsgericht mehrfach bestätigt worden ist“, schreibt Jörg Fröhling.
Komme ein Gaststättenbetreiber dieser Verpflichtung nicht nach, könne die Stadt einschreiten - mit dem Ziel, solche Lärmbelästigungen zu reduzieren oder zu verhindern. Das Gaststättengesetz gebe der Behörde dabei grundsätzlich auch die Möglichkeit, tägliche Sperrzeiten festzusetzen, in denen ein Gaststättenbetrieb nicht zulässig ist.
Fröhling stellt heraus: Die Stadt wähle ein Mittel, das die Adressaten möglichst wenig belaste und wobei der Zweck immer im Verhältnis zur Belastung stehe. „Ziel ist es nicht, Auflagen zu verhängen, sondern eine - rechtlich gebotene - spürbare Verbesserung der Situation zu erreichen, in der sich die Anlieger befinden.“
Hintergrund
Torsten Cruse hat viele Jahre in seiner Heimatstadt Olsberg als Kneipier gearbeitet. Erst leitete er die Nikolaus-Klause, dann das Stadtgespräch, bevor er die Szene-Kneipe vor zehn Jahren an die jetzige Inhaberin Sonja De Luca verkaufte.