Meschede. In Panik sei er gewesen, hat jetzt ein Freienohler vor Gericht erklärt. Der Grund für seine wilde Verfolgungsjagd mit der Polizei.
Nur mit einem kühnen Sprung zur Seite habe er sich vor dem herannahenden Pkw retten können, berichtete der Polizist im Mescheder Amtsgericht. Für den Fahrer ging es daher um viel: Hatte er sich dem Beamten nur widersetzt, ihn von der Straße genötigt oder ihn sogar mit dem Auto als gefährlichem Werkzeug angegriffen? Schon die Vorgeschichte war abenteuerlich.
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In Enste mit dem Handy im Auto telefoniert
Der 22-jährige Freienohler war im November 2021 mittags mit seinem Audi A8 in Enste unterwegs Richtung Autobahn. In Höhe der Dekra fiel er zwei Polizeibeamten auf, weil er mit dem Handy telefonierte. Sie hefteten sich an seine Fersen. Als er sie bemerket, machte er im nächsten Kreisverkehr eine 360 Grad Kehrtwende und fuhr zurück Richtung Sport Pilz. Diese Kehrtwende kam einem Motorradpolizisten seltsam vor, der gerade aus Richtung Autobahn kam. Auch er verfolgte den Audifahrer, der dann weiter Richtung Freienohl fuhr, auf der Stockhauser Straße heftig Gas gab und entgegenkommende Pkw so gefährlich überholte, dass einer in die Bankette ausweichen musste. Im Rückspiegel, so gab er zu, habe er die Anhaltesignale der Polizei gesehen und auch das Martinshorn gehört. Warum er nicht anhielt? Er besaß keinen Führerschein und hatte Cannabis geraucht.
Gefahrenpunkt Stockhausen
Kurz vor Stockhausen war der Motorrad-Polizist dann so nah an den Wagen herangekommen, dass er sich mit dem Krad neben ihn setzen und mit dem Arm Zeichen geben konnte. „Der Angeklagte fuhr auch tatsächlich in einer Anhaltebucht an die Seite“, berichtete der Polizist vor Gericht, gab dann aber plötzlich wieder Gas und raste geradeaus über die Bankette zurück auf die Straße.
Kurz hinter der Fußgängerinsel im ersten Drittel des Straßendorfes stand ein weiterer ziviler Polizeiwagen. Zwei Beamte laserten dort gerade den Verkehr, als ihnen die Verfolgungsfahrt angekündigt wurde. Der ältere Beamte schickte seine Kollegin in Sicherheit, stellte sich selbst auf die Straße, um mit der Kelle deutliche Anhaltesignale zu geben. Doch der junge Mann habe keine Anstalten gemacht sein Tempo zu verlangsamen oder auszuweichen. „Wäre ich beharrlich dort stehengeblieben“, so der 57-Jährige, „würde ich heute hier nicht sitzen.“ So habe er sich aber rechtzeitig mit einem Sprung in Sicherheit gebracht.
Ende der Fahrt in Freienohl
Die Fahrt des jungen Mannes endete kurz drauf in Freienohl vor seinem Elternhaus, wo er sich dann widerstandslos festnehmen ließ. Er sei in Panik gewesen, erklärte er nun vor Gericht und habe deshalb nicht angehalten. Nicht panisch, aber „rücksichtslos“, fand Staatsanwältin Aista Subat das Verhalten des jungen Mannes und plädierte auf ein Jahr und zwei Monate Haftstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt werden könne, dazu zwei Jahre Sperre für den Führerschein.
Der Anwalt des als Jugendlicher einschlägig vorbestraften jungen Mannes erinnerte daran, dass sein Mandant alles eingeräumt habe, bis darauf, dass er den Polizeibeamten wirklich in Lebensgefahr gebracht habe. Für ihn habe der „nur mit der Kelle gewunken“. Dagegen habe er sich schon auf der Wache bei dem Motorradpolizisten entschuldigt, denn dass es für den Zweiradfahrer brenzlige Situationen gab, habe er erkannt. Verurteilt werden müsse er daher nur wegen Fahren ohne Fahrerlaubnis, Fahren unter Drogen und wegen Missachten der Anhaltezeichen. Ansonsten sei es wichtig, dass er endlich eine Chance bekomme, den Führerschein zu machen, sagte der Anwalt und plädierte nur auf eine kurze Führerscheinsperre. „Fahren kann er ja offensichtlich und die Straßenverkehrsbehörde werden ihm das Erlangen des Führerscheins noch schwer genug machen.“
Das Urteil
Richter Sebastian Siepe sprach letztlich das Urteil: eine Haftstrafe von einem Jahr und zwei Monaten, die drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wird. 18 Monate darf der Freienohler von der Straßenverkehrsbehörde keine Fahrerlaubnis erhalten. Ihm wird außerdem verboten, für die Dauer von drei Monaten Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Außerdem muss er 1000 Euro als Bewährungsauflage an die Kindernothilfe zahlen. Er sei überzeugt, so Siepe, dass es keinen Beinahe-Unfall gegeben habe. „Es war nicht die Absicht des Angeklagten den Polizeibeamten zu überfahren.“ Es habe aber den tätlichen Angriff auf den Vollstreckungsbeamten mit dem Auto gegeben.
Das Geständnis und die positive Sozialprognose, der Freienohler beginnt im Herbst eine Ausbildung, wirkten strafmildernd, Vorstrafen und das Gefährdungspotenzial der Aktion, strafverschärfend. Letztlich so Siepe, könne der Angeklagte die 18 Monate der Sperre nutzen, um die Vorgaben der Straßenverkehrsbehörde zu erfüllen, damit er mittelfristig einen Führerschein machen könne. Aktuell sehe er ihn allerdings als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs an.