Meschede. Danylo Ponomarov ist aus der Ukraine geflohen und studiert in Meschede. Er erzählt, wieso das möglich war und wie er heute auf Russland blickt.

Ein Krieg im Jahr 2022, ein Krieg hier in Europa. Was sonst so fern erschien, geschieht heute nur wenige Ländergrenzen von uns entfernt. Danylo Ponomarov weiß, was es heißt, wenn sein Land vom Krieg zerstört wird. Er kennt das Leid der Menschen in der Ukraine und erzählt, wie er den Krieg in seinem Land erlebt hat. Außerdem berichtet er von seiner Reise, seinem Leben hier in Meschede und wie es jetzt für ihn weitergeht.

>>> Lesen Sie auch: Wie das Mescheder Krankenhaus verletzte Soldaten behandelt<<<

Wann haben Sie das erste Mal bemerkt, dass in Ihrem Land Krieg herrscht?

Danylo Ponomarov: Das erste Mal ist mir das klar geworden, als die Bombardierungen in der ganzen Ukraine gestartet haben. In der Nacht vom 24. Februar bin ich um halb fünf wach geworden. Ich habe meine Augen geöffnet und mich gefragt, was los ist. Meine Mutter kam zu mir und sagte, dass der Krieg begonnen hätte. Ich habe natürlich sofort zu meinem Handy gegriffen und habe mir die Nachrichten angeschaut. Ein paar Tage, bevor die Donezk-Region von den russischen Soldaten eingenommen wurde, gab es schon Gerüchte, dass sich Russland auf den Krieg vorbereitet. Ich hätte niemals gedacht, dass es so weit kommen würde. Ich meine, wir leben im 21. Jahrhundert, es ist 2022: Wie kann da ein Krieg in unserem Land ausbrechen?

Vor dem Krieg hat Danylo gerne Konzerte besucht. Das Bild zeigt ihn mit seinem Lieblingssänger der ukrainischen Band
Vor dem Krieg hat Danylo gerne Konzerte besucht. Das Bild zeigt ihn mit seinem Lieblingssänger der ukrainischen Band "Antytila". © Privat

Wie war es für Sie, die Ukraine verlassen zu müssen?

Es war das reinste Chaos. Auf den Straßen kam es zu vielen Unfällen, keiner wusste, was jetzt zu tun war. Wir wussten nicht, wo es noch sicher war. Meine Familie und ich sind dann zu meinen Großeltern in ein kleines Dorf geflüchtet. Kharkiv ist schließlich eine Millionenstadt und liegt an der russischen Grenze. Nach sieben Tagen dort, haben die russischen Truppen das Dorf dann eingenommen. Mein Vater war bereits in Deutschland, um dort zu arbeiten. 18 Tage nachdem der Krieg ausgebrochen war, habe ich mich dann auch auf den Weg nach Deutschland gemacht. Die Reise hat insgesamt sechs Tage gedauert und war ziemlich stressig. Von dem kleinen Dorf bin ich mit dem Auto wieder nach Kharkiv gefahren. Überall standen russische Truppen und Panzer. Von dort ging es dann mit einem Zug in den Westen der Ukraine. Dort leben nämlich einige meiner Freunde und mein Ziel war es, die Grenze nach Polen zu überqueren. An der Grenze wollte man mich zunächst nicht durchlassen, ich bin schließlich ein junger Ukrainer und müsste eigentlich im Krieg kämpfen. Ich konnte jedoch nachweisen, dass Probleme mit meiner Gesundheit habe und daher nicht kämpfen kann. Von Polen bin ich mit dem Zug über Berlin nach München gereist, wo mein Vater und meine Mutter schon auf mich warteten.

Warum sind Sie gerade nach Meschede gekommen?

Meine Universität in Kharkiv hat eine Kooperation mit der Fachhochschule Südwestfalen hier in Meschede. Meine Professoren in der Ukraine haben mich daher nach Meschede vermittelt. Hier habe ich die Chance meine Fähigkeiten zu verbessern und viel dazuzulernen. An dieser Stelle möchte ich mich bei Professor Ewald Mittelstädt, Anna Kocherova und Sarah Franksmann bedanken. Dank ihnen konnte ich mich hier in Meschede schnell einleben und mich wie zuhause fühlen.

Was vermissen Sie an der Ukraine am meisten?

Es ist schwer, sein Land zu verlassen. Ich wollte nie ein Flüchtling sein. Ich war zwar schon in vielen Ländern auf Reisen, aber das hier ist etwas anderes. Ich vermisse meine Familie, meine Freunde und das Leben in Kharkiw. In der Großstadt hat man einfach viel mehr Möglichkeiten und man lebt ein ganz anderes Leben als beispielsweise hier in Meschede. Das Schwerste ist, dass man nicht weiß, wann man seine Freunde und Familie wiedersehen kann. Ich vermisse den Frieden in meinem Land. Wenn wir den Krieg verlieren, wird es keinen Frieden mehr geben.

Das Bild zeigt Danylo Ponomarov mit seinen Eltern gemeinsam in Deutschland. Da sein Vater in der Nähe von München arbeitet, waren seine Eltern schon vor dem Krieg nach Deutschland gezogen.
Das Bild zeigt Danylo Ponomarov mit seinen Eltern gemeinsam in Deutschland. Da sein Vater in der Nähe von München arbeitet, waren seine Eltern schon vor dem Krieg nach Deutschland gezogen. © Privat

Wie blicken Sie heute auf Russland und die Zukunft Ihres Landes?

Vor dem Krieg habe ich gerne russische Musik gehört und russische Serien geschaut. Auch zuhause und in der Schule haben wir fast nur russisch gesprochen. Jetzt hasse ich alles, was mit Russland zu tun hat. Es ist schwer mit anzusehen, wie die Menschen durch die russische Propaganda manipuliert werden. Wir wollten nie einen Krieg und auch nicht von Russland „gerettet“ werden. Vor dem Krieg haben wir ein glückliches Leben gehabt, wir hatten Pläne, Träume. Jetzt ist die Zukunft ungewiss. Das einzig Positive ist, dass wir in unserem Land so zusammenhalten, wie wir es noch nie getan haben. Vor dem Krieg gab es in der Politik viele Diskussionen und Meinungsverschiedenheiten. Heute stehen wir als ein vereintes Land zusammen und sind stolz Ukrainer zu sein.

Danylo ist Fußballfan und hat in seiner Zeit hier in Deutschland schon ein Spiel in Dortmund besucht.
Danylo ist Fußballfan und hat in seiner Zeit hier in Deutschland schon ein Spiel in Dortmund besucht. © Privat

Was gefällt Ihnen hier in Meschede am meisten? Haben Sie bereits Freunde an der Uni gefunden?

In Meschede lebe ich in einer Fünfer-WG mit einem weiteren Studenten aus Kharkiv. Insgesamt sind wir aber zehn Studierenden aus Kharkiv. Mir gefällt besonders, dass die Menschen hier so offen und freundlich uns gegenüber sind. Wir wurden herzlich aufgenommen und bei Fragen und Problemen stand uns immer jemand zur Seite. Außerdem sind hier alle sehr hilfsbereit. Das hat zum Beispiel die Aktion auf unserem Unifest gezeigt, bei dem wir 500 Euro Spenden für die Ukraine sammeln konnten.

Wie sind Ihre Pläne für die Zukunft?

Bisher ist der Plan, dass ich noch bis März hier in Meschede studiere. Wie es dann weitergeht, kann keiner sagen. Niemand weiß, wann unser Land wieder sicher sein und der Krieg beendet sein wird. Wir müssen also abwarten, was in Zukunft auf uns zu kommt. Wenn der Krieg vorbei ist, möchte ich aber auf jeden Fall wieder zurück in mein Heimatland. Bis dahin möchte ich noch mehr von Deutschland sehen und auch einige Ausflüge in die größeren Städte hier in der Umgebung machen.

HINTERGRUND

Danylo Ponomarov ist 21 Jahre alt und stammt aus Kharkiw.

Er studiert Englisch und Französisch und lebt jetzt schon seit knapp drei Monaten in Meschede.

Ihm liegt besonders am Herzen, dass die Menschen seinem Land und den Bürgern dort mit Spenden helfen.