Meschede. Im Hochsauerlandkreis wird Personal dringend gesucht, viele Stellen bleiben unbesetzt. Wo sind die Arbeitslosen? Das sagt die Agentur für Arbeit.
Nach wie vor sind viele Menschen im Hochsauerlandkreis arbeitslos gemeldet, trotzdem suchen viele Branchen dringend nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - und finden keine. Wie kommt es dazu? Und wohin sind die Menschen gegangen, die während Coronakrise ihre Stellen verloren haben? Ein Interview mit Oliver Schmale, dem Vorsitzenden der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Meschede-Soest.
Wie kann es sein, dass es einerseits viele Jobsuchende gibt und andererseits Stellen in Gastronomie oder Einzelhandel nicht mehr besetzt werden können? Provokant gefragt: Sitzen einige Menschen lieber mit Arbeitslosengeld oder Grundsicherung daheim statt für ein wenig mehr Geld zur Arbeit zu gehen?
In der Zahl der Arbeitslosen gibt es jeden Monat Bewegung, wir sprechen hier nicht von einer „starre Masse“. Jeden Monat melden sich Menschen in Arbeit ab und andere müssen sich aufgrund von Arbeitsplatzverlust bei uns melden. Eine rein rechnerische Betrachtung ist allein aus diesem Grund nicht sinnvoll. Dann kommt hinzu: Nicht jede gemeldete Arbeitsstelle passt zu jedem arbeitslosen Menschen. Oft stimmen die Rahmenbedingungen, wie die Entfernung zum Arbeitsplatz, Arbeitszeiten oder auch die Qualifikation, nicht überein. Wir versuchen den suchenden Menschen und den Unternehmen bei diesen Hürden zu helfen, aber auch das braucht Zeit. Zum Beispiel dauert eine Qualifizierung nicht selten einige Monate, eine Umschulung sogar Jahre.
Es gibt Experten, die sagen, dieser Arbeits- und Fachkräftemangel ist erst der Anfang. Diese Entwicklung wird noch viel schlimmer. Stimmen Sie dem zu?
Der Arbeitsmarkt befindet sich im Wandel und es gibt viele Faktoren, die den Fachkräftemangel begünstigen können. Die demografische Entwicklung spielt hier eine große Rolle. Eine Hochrechnung des statistischen Landesamtes NRW prognostiziert beispielsweise für den Hochsauerlandkreis einen Rückgang der erwerbsfähigen Bevölkerung von ca. 22 Prozent bis 2050. Hinzu kommt, dass wir bereits heute viele Ausbildungsplätze in unserer Region nicht mehr besetzten können. Alleine im Juni waren es noch 1098 offene Stellen. Der Anteil der älteren Arbeitnehmer steigt und die Stellen können nicht mit klassischer Ausbildung nachbesetzt werden.
Orte wie Schmallenberg mit einer Arbeitslosenquote von unter zwei Prozent gelten als Regionen mit Vollbeschäftigung. Ist dort Zuwanderung die einzige Chance oder worauf kann die Wirtschaft hoffen?
Es wird nicht den einen Weg geben, um den Engpässen begegnen zu können. Es geht nur mit einer Kombination aus vielen Bausteinen. Ich denke da an Qualifizierung von Arbeitslosen und Beschäftigten, klassische Ausbildung, Erhöhung der Frauenerwerbsquote, Digitalisierung von Prozessen und natürlich die Zuwanderung.
>>> Lesen Sie auch: Sexismus: Musiker haben ein ganz anderes Problem mit Layla <<<
Speziell der Hochsauerlandkreis hat Probleme, auswärtige Fachkräfte zu gewinnen und zu binden. Welche Unterstützung können Sie Unternehmen bieten? Was sind die Stärken dieser Region?
Wir beraten die Unternehmen und bieten ihnen Fördermöglichkeiten. Die Beschäftigtenqualifizierung ist eine wichtige und gute Option bei der Fachkräftegewinnung. Das Instrument deckt abschlussorientierte Umschulung von Beschäftigten ab, ermöglicht aber auch eine kürzere Fort- oder Weiterbildung. Dass sich potenzielle Fachkräfte schon in den eigenen Reihen befinden könnten, ist vielen Arbeitgebern nicht bewusst. Der Hochsauerlandkreis bietet tolle Möglichkeiten. Neben vielen Weltmarktführern gibt es hier auch eine Menge kleiner und mittelständischer Unternehmen. Im Grünen wohnen und vielfältige Berufe innerhalb einer starken Wirtschaftsstruktur - hier ist beides möglich.
Corona hat zu Verwerfungen geführt. Viele haben die Gastronomie, Handel und Eventbranche verlassen und kommen nicht zurück. Wo sind sie hin?
Die Pandemie und die damit verbundenen Unsicherheiten haben in den letzten 24 Monaten zu einer Beschäftigungswanderung geführt. Besonders die Branchen, die mit langen Schließungen durch die Lockdown-Phasen zu kämpfen hatten, haben Mitarbeiteschwund verzeichnet. Wir hören von vielen Unternehmen, dass sie diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nun leider nicht mehr zurückgewinnen konnten. Die Gründe sind vielfältig. Oft ist es aber so, dass die Menschen neue Beschäftigungen mit geregelten Arbeitszeiten und einer besseren Bezahlung gefunden haben. Noch können wir statistisch nicht nachvollziehen, in welche Bereiche diese Abwanderung stattgefunden hat.
>>> Statistik
Im Hochsauerlandkreis sind im Juni 5972 Arbeitslose verzeichnen worden. 2062 in der Arbeitslosenversicherung (SGB III) und 3910 in der Grundsicherung (SGB II/Hartz IV).
Aufgrund der Aufnahme von Geflüchteten aus der Ukraine in die Statistik ist die Arbeitslosenzahl nach Angaben der Behörde in diesem Monat wieder gestiegen. Ansonsten befindet sich die Arbeitslosigkeit auf einem langjährigen Tiefstand.
Aktuell sind 3629 offene Stellen im Bestand, das sind 832 Stellen mehr als im Vorjahr.
Die Top 3-Branchen der unbesetzte Stellen: Arbeitnehmerüberlassung: 981. Verarbeitendes Gewerbe: 485. Gesundheits - und Sozialwesen: 407.