Meschede. In Meschede geht Fachbereichsleiter Heinz Hiegemann in den Ruhestand: Er spricht über versiffte Toiletten, Vandalismus und neue schöne Ecken.

Im Fachbereich Infrastruktur fallen die meisten unmittelbaren Bürgerkontakte bei der Mescheder Stadtverwaltung an – von der Müllabfuhr über den Bauhof bis zu Friedhofsangelegenheiten. Fachbereichsleiter Heinz Hiegemann geht jetzt in den Ruhestand. Im Interview spricht er auch darüber, wie sich Kontakte verändert haben.

Hat sich im Laufe der Jahre etwas in den Kontakten zu den Bürgern verändert?

Ich würde für mich behaupten wollen, dass diese Kontakte in der Regel durchaus harmonisch verlaufen. Es ist immer ein Geben und Nehmen. Alle Kollegen und Kolleginnen sind sehr versiert, was den Umgang mit Bürgern angeht. Aber ja, in der letzten Zeit ist es deutlich schwieriger geworden.

Was hat sich denn verändert?

Heute ist manchmal schon der erste Kontakt, der erste Anruf, sehr unfreundlich – nach dem Motto: Meine blaue Tonne ist schon wieder nicht geleert, wann kommt ihr endlich vorbei? Die Unfreundlichkeit ist schon oft da, bevor das Gespräch eigentlich beginnt. Das hat es früher so nicht gegeben.

„Unangenehme Grundspannung aufgebaut“

Haben Sie eine Erklärung dafür?

Ich glaube, dass die Menschen im Moment überfordert sind: Durch die lange Zeit von Corona, jetzt kommt der Ukrainekrieg dazu, außerdem die Befürchtung, wir werden alle ärmer. Es gibt nicht mehr die alte Sicherheit. Und aus der niedrigen Wahlbeteiligung lese ich eine tiefe Politikverdrossenheit: Man glaubt den Politikern nichts mehr. Eigentlich müssten wir doch froh darüber sein, dass wir wählen dürfen: Auf der anderen Seite in Europa führt schließlich ein Diktator Krieg!

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Diese gefühlte Sicherheit, dieses rationale und vernünftige Handeln, dass die Politik in der Vergangenheit geben konnte, das ist den letzten Jahren abhandengekommen. Das überträgt sich auf die Bürger. Das baut diese unangenehme Grundspannung auf: Das führt dazu, dass man schon mal unsachlich aneinandergerät.

Muss man sich alles am Telefon gefallen lassen?

Immer höflich sein, ist auch der falsche Weg. Wenn ich versuche, über mehrere Minuten sachlich zu sprechen, und das führt nur dazu, dass sich das Gespräch aufschaukelt, dann habe ich auch als Bediensteter einer Stadt das Recht, zu sagen: Überlegen Sie doch noch mal, ob wir das Telefonat nicht besser verschieben sollten. Das steht jedem zu. Ich bin nicht der Prügelknabe. So habe ich das auch immer meinen Kollegen und Kolleginnen vorgegeben.

„Aber Müll wird einfach fallen gelassen“

Gibt es einen Tag mit den meisten Beschwerden?

Es ist sehr häufig der Montag und die Tage, wo die Leute klassisch auf etwas warten: Die Mülltonne ist womöglich nicht geleert worden – aber das ist ja unterschiedlich, weil die Abfuhrtermine ganz verteilt liegen. sind. Manchmal wünsche ich mir mehr Gelassenheit: Ja, beim digitalen Abfallkalender gab es häufig Probleme. Aber mal ganz ehrlich: Wer braucht an Heiligabend den perfekten digitalen Abfallkalender fürs nächste Jahr? Da muss ich doch nicht sofort anrufen, und sagen: „Das funktioniert ja immer noch nicht!“

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Da sind wir wieder bei der Erwartungshaltung: Ich erwarte immer mehr, und gebe aber immer weniger. In der Stadt ist mir das wieder aufgefallen an den Sonnenbänken an der Ruhr: Man schämt sich zu Tode, wie es davor aussieht! Daneben stehen doch die Mülleimer. Wenn meine Erwartungshaltung an die Öffentlichkeit doch so hoch ist, müsste ich mich eigentlich auch einbringen: Aber Müll wird einfach fallen gelassen – und erwartet, dass jemand anders sich darum kümmert.

Welches Problem konnten Sie nicht lösen?

Eines, was ich wirklich extrem traurig finde: Den Vandalismus am Hennesee. Da habe ich immer geglaubt, es würde vielleicht mal einen Einzelfall geben. Tatsächlich aber ist es häufiger geworden. Das war ein Punkt in meiner Karriere, wo ich sagen muss: Da habe ich die Menschen falsch eingeschätzt. Bisher war die Beleuchtung dezent, warm, angenehm. Sie haben ein besonderes Ambiente geschaffen. Jetzt kommen wegen der Zerstörungswut da stattdessen Stahlmasten hin, die nicht kaputt zu kriegen sind. Die erfüllen ihren Zweck. Aber wirklich schön sind sie nicht.

„Wir wollen die Bäume nicht wegmachen!“

Was wünschen Sie der Stadt?

Eines der größten Ziele ist eine vernünftige Anbindung aus der Innenstadt zum Hennesee. Wenn der große Spielplatz in die Badebucht kommt, wird das richtig klasse. Aber die Anbindung fehlt. An allen anderen Seen ringsum gibt es einen umlaufenden Radweg. Den haben wir noch nicht. Auch aus touristischer Sicht wäre das wichtig. Da könnte die ganze Stadt von profitieren.

Sie sind auch mit diesen Vorbehalten konfrontiert worden: Werden in Meschede zum Beispiel zu viele Bäume gefällt?

Wenn Sie wüssten, wie viel Zeit der Bauhof dafür aufbringt, Bäume neu zu pflanzen, Bäume zu kontrollieren und Bäume zu erhalten, damit sie nicht gefällt werden müssen… Nein, wir fällen nicht zu schnell! Wir haben aber das Problem, dass sich die Anforderungen an die Verkehrssicherung dramatisch verschärft haben. Aber man kann einen Baum nicht einfach drei Meter an die Seite rücken!

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Wir haben oft die Situation, dass man einfach nicht anders entscheiden kann. Sie können sicher sein, es wird immer geschaut, ob ein Baum nicht doch stehen bleiben kann. Am Ende der Beringhauser Straße stehen zum Beispiel riesengroße Ahornbäume: Da haben schon viele gesagt, die stören da nur, warum fällt die niemand? Wir wollen die aber nicht wegmachen! Die sind gesund! Der Asphalt drumherum wird zurückgebaut, der Weg wird verschwenkt, um die Bäume zu erhalten.

Auch am Hohlweg gibt es markante Eichen, wo es Stimmen gibt, die doch zu beseitigen. Wir sagen aber: Die Bäume standen da schon, bevor du gebaut hast! Das Dilemma ist: Unsere Bäume konnten nicht damit rechnen, dass wir immer näher an sie herankommen. Darauf reagieren die Bäume mit Stress-Symptomen – und das sind in der Regel Pilze. Und dann wird es kritisch.

„Nutzer müssen ihr Verhalten ändern“

Und der Vorbehalt: Meschede hat versiffte öffentliche Toiletten?

Ja, das ist die Wahrheit. Aber versiffte Toiletten bekomme ich nicht sauber durch immer häufigere Reinigungsintervalle, sondern dadurch, dass Nutzer ihr Verhalten ändern. Wenn man mir nicht die Möglichkeit einer Videoüberwachung gibt, wird das schwierig. Damit könnte man zumindest warnen: Achtung, ich sehe dich, benimm dich! Ansonsten ginge es nur mit ganz anderen Toiletten mit einer Reinigungskraft. Dann muss ich aber auch bereit sein, dafür deutlich mehr Geld auszugeben.

Ihre Lieblingsecke in Meschede?

Meine absolute Lieblingsecke ist der Kaiser-Otto-Platz. Der ist wahnsinnig toll geworden: Wir haben jetzt einen großen zentralen Platz für Gastronomie und Veranstaltungen. Ich finde den Henne-Boulevard wunderschön. Was vielleicht zunächst makaber klingt: Der Urnenhain am Nordfriedhof. Friedhöfe machen klassischerweise schwermütig. Das ist dort aber etwas ganz anderes. Das hat sich inzwischen zu einem Park entwickelt, wo man spazieren gehen und sich treffen kann. Das ist ein Zeichen, dass man auch an sich sehr traurige Dinge so positiv gestalten kann, dass sie wieder Mut machen.

>>> ZUR PERSON <<<

Heinz Hiegemann ist 63 Jahre alt. Er war seit 2014 Leiter des Fachbereichs Infrastruktur in der Stadtverwaltung. Der Mescheder hatte 1979 als Stadtinspektoranwärter im Rathaus begonnen.