Schmallenberg. Rund 150 Ukrainer kommen mittwochs in einen Schmallenberger Privatgarten. Welche nicht willkommen sind und was sich der Organisator wünscht.

Seit mehr als zwei Monaten kommen ukrainische Flüchtlinge einmal in der Woche im Garten von Sebastian Lanksch zusammen, nicht fünf oder zehn - 150 bis 200. Sein Garten ist zu einer wichtigen Drehscheibe der Flüchtlings-Kommunikation geworden. Was dort passiert und was er sich von der Stadt Schmallenberg wünscht.

Während die Kinder spielen, tauschen sich Mütter und Schmallenberger über ihre Erfahrungen aus.
Während die Kinder spielen, tauschen sich Mütter und Schmallenberger über ihre Erfahrungen aus. © WP | Sebastian Lanksch

150 bis 200 fremde Menschen, jeden Mittwoch privat im eigenen Garten. Das ist schon eine echte Herausforderung?

Sebastian Lanksch: Ja, das stimmt. Es gab und gibt private Spender, aber jede Woche mussten auch Getränke, Brot und Würstchen gekauft, es mussten Tische und Bänke geräumt, und es musste gegrillt werden. Nach zehn Wochen habe ich jetzt die Verantwortung an die Ukrainer abgegeben. Der Rotary Club hat hier immer tatkräftig unterstützt. Ich kümmere mich weiter um die Getränke, aber ich bin gespannt, was jetzt beim nächsten Treffen passiert.

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Gibt es schon weitere Initiativen, die aus den Treffen entstanden sind?

Ja, zum Beispiel organisieren Lisa Schenk und zwei ukrainische Fitness-Trainerinnen immer Sonntagmorgens ein Sportangebot im Lennepark am Kunsthaus Alte Mühle. Und das Kunsthaus eröffnet Samstag eine Benefiz-Ausstellung mit ukrainischen Künstlern, die haben wir Mittwoch im Garten begrüßt. Eine tolle Initiative von Dr. Elmira Marks. Nirgendwo werden die Künstler und Künstlerinnen lokal so viele Flüchtlinge zusammen sehen.

Sebastian Lanksch organisiert die Treffen in seinem Privatgarten
Sebastian Lanksch organisiert die Treffen in seinem Privatgarten © Unbekannt | Privat

Wie finden die Menschen Sie und Ihren Mittwochs-Treff?

Das spricht sich rum, ich sehe jede Woche neue Gesichter. Es gibt ja auch eine lokale Gruppe in den Sozialen Medien. Zum Teil kommen auch Menschen mit extrem guten Deutsch-Kenntnissen. Die meisten fahren mit dem Bus bis zum Kirchplatz und laufen dann zu uns runter. Das sind schon mal 50 bis 60 Menschen auf einmal, je nachdem, wann welcher Bus ankommt. Am Anfang waren es vor allem Frauen, Kinder und Rentner, dann kamen die Männer hinzu, die drei oder mehr Kinder hatten. Jetzt kommen schon mal einzelne Männer, aber da hätten Sie mal die Frauen sehen müssen.

Wie meinen Sie das?

Die haben die Männer rückwärts durch die Hecke aus dem Garten gejagt. Dabei haben sie geschimpft: „Ihr sollten nicht hier sein, nehmt ein Gewehr in die Hand und verteidigt unsere Heimat!“

Haben Sie mal mit den Besuchern über die Ukraine gesprochen?

Am Anfang haben sie vor allem Bilder gezeigt. Grauenhaft! Das kann man kaum beschreiben. Die meisten fangen direkt an zu weinen, wenn man sie nach ihren Erlebnissen befragt. Ich frage deshalb nicht mehr. Ich habe lernen müssen, dass ich damit mehr Leid produziere, als dass ich helfe.

Welche Erfahrungen machen die Ukrainer in Schmallenberg?

Ich höre - wegen der großen Anteilnahme von Privatleuten und Firmen - bisher nur Gutes. Manche ziehen weiter, weil sie Bekannte in größeren Städten oder im Ausland haben: Aber sie verlassen Schmallenberg nicht, weil es Probleme mit den Gastfamilien gibt. Schwierig ist es nur für die, die auf wirklich sehr beengtem Raum leben, beispielsweise im Kinderzimmer der Familie. Aber ich weiß auch schon von den ersten, die Arbeit gefunden haben. Es dauert halt, bis sie die Papiere zusammen haben.

Seit dem vergangenen Mittwoch bauen die Ukrainer im Garten der Familie Falke-Lanksch selbst auf und ab.
Seit dem vergangenen Mittwoch bauen die Ukrainer im Garten der Familie Falke-Lanksch selbst auf und ab. © WP | Sebastian Lanksch

Sie wünschen sich trotzdem mehr Unterstützung von der Stadt?

Da ist mittlerweile manches auf dem Weg. Es gibt einen regelmäßigen Austausch zwischen Schulen, Stadt, Hilfsorganisationen wie das Lächelwerk, der Bürgerstiftung der Sparkasse und örtlichen Service-Clubs. Was ich mir aber auf jeden Fall wünschen würde, wäre dass sich Vertreter der Stadt bei den Mittwochs-Treffs mal sehen lassen.

Als Ansprechpartner?

Nein, sie sollen hier nicht mit Laptop und Klapptisch Anträge bearbeiten und Fragen beantworten. Schön wäre, wenn sie sich einfach als Menschen mal sehen ließen. Aber da habe ich mir bisher nur Absagen eingefangen. Und schön wäre es natürlich auch, wenn die Stadt diesen Mittwochs-Treff organisatorisch übernehmen würde. Dafür braucht man ja wirklich nicht viel, ein paar Getränke, etwas zu essen und einen Raum in Schmallenberg, der gut erreichbar ist. Er ist wichtig, aber wir können ihn ja als Familie nicht auf Dauer organisieren. Aber bis das passiert bleibt es dabei, jeden Mittwoch von 16 bis 18 Uhr im Garten Familie Falke-Lanksch, Ohlgasse 5.

Das sagt die Stadt:

Pressesprecherin Anke Sibert nimmt Stellung zum Wunsch, die Stadt möge sich mal „sehen lassen“ und die Treffen übernehmen. Sie dankt im Namen der Stadt für „die spontane und große Hilfsbereitschaft der Gastfamilien und Initiativen“. Das habe entscheidend dazu beigetragen, dass die Menschen aus der Ukraine gut in Schmallenberg ankommen konnten. Bei Fragen stünden die Mitarbeiter gern zur Verfügung.

Allerdings sei das Team des Sozialamtes/Jobcenters sehr stark eingebunden in die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben. „Die Registrierung der Geflüchteten und der Wechsel in den Rechtskreis des Sozialgesetzbuches II stehen aktuell im Vordergrund. Diese Maßnahmen sind für die Geflüchteten aus der Ukraine von großer Bedeutung und ein wichtiger Schritt nach vorn.“

Die Stadt bitte um Verständnis dafür, dass es nicht möglich sei, „bei allen ehrenamtlichen Initiativen Präsenz zu zeigen.“ Dennoch sei die Wertschätzung für das Ehrenamt sehr hoch. „Das, was Ehrenamt leistet, ist durch Verwaltung nicht zu ersetzen.“